Eigentlich sollte an diesem Wochenende der Deutschland GP stattfinden. Nachdem der Nürburgring, der eigentlich mit der Austragung an der Reihe wäre, keine Einigung mit Bernie Ecclestone erzielen konnte, sollte der Hockenheimring einspringen. Doch auch hier kam es zu keiner Einigung. Motorsport-Magazin.com lässt den Deutschland GP aber nicht komplett ausfallen. Aus diesem Grund sprachen wir mit dem Geschäftsführer des Hockenheimrings, Georg Seiler.

Herr Seiler, haben Sie denn Pläne für das freie Wochenende auf dem Hockenheimring?
Georg Seiler: Der Hockenheimring ist in der Saison ausgebucht, ob die Formel 1 stattfindet oder nicht. Jetzt am Wochenende finden neben fahraktiven Erlebnisprogrammen eine Veranstaltung von Harley-Davidson zum Projekt LiveWire statt.

Also langweilig wird es Ihnen nicht?
Georg Seiler: Nein.

Sind Sie persönlich traurig, dass es dieses Jahr keinen Deutschland GP gibt?
Georg Seiler: Wenn man so lange die Formel 1 veranstaltet hat, ist man natürlich traurig, wenn die Formel 1 in diesem Jahr nicht in Deutschland stattfindet. Aber - wie Sie wissen - es gab Gründe. Und die muss man auch akzeptieren, speziell was uns anbelangt. Wir wären nicht an der Reihe gewesen, sondern der Nürburgring, bei uns wäre eine Durchführung nur möglich gewesen, wenn wir kein Risiko eingehen hätten müssen.

Das geht gleich zu meiner nächsten Frage über: Bei wem dürfen sich die deutschen Formel-1-Fans denn beschweren? Denn der Hockenheimring wurde ja eigentlich zu Unrecht in die Kritik mit hineingezogen.
Georg Seiler: Durch die gelebte Alternierungslösung wäre 2015 der Nürburgring Austragungsort der Formel 1 gewesen. Aber dort gab es keinen Vertrag für dieses Jahr. Die Verhandlungen sind gescheitert, obwohl im letzten Jahr bereits mit einem neuen 5-Jahres-Vertrag geworben wurde.

2016 ist das Rennen zu 100 Prozent sicher, das haben Sie bereits gesagt, es steht auch im Rennkalender drin. 2017 wäre dann wieder der Nürburgring an der Reihe. Erwartet uns dann ein ähnliches Fiasko wie in diesem Jahr?
Georg Seiler: Derzeit ist die Vertragslage für 2017 offen. Alles andere wären Spekulationen.

Aber der Hockenheimring hat einen Vertrag für 2016 und 2018?
Georg Seiler: Korrekt.

Und über 2018 hinaus?
Georg Seiler: Auch hier ist alles offen. Wir wären natürlich bereit, dieses motorsportlich hochkarätige Event auch weiterhin am Hockenheimring auszurichten. Allerdings muss diese Veranstaltung wirtschaftlich tragfähig sein.

Wäre es denkbar, dass der Hockenheimring mit einer anderen Strecke außer dem Nürburgring alterniert, zum Beispiel Imola oder Magny-Cours?
Georg Seiler: Ich kann nur für den Hockenheimring sprechen. Und für uns war die alternierende Lösung in Deutschland sicherlich gut. Deutsche Fans wollen die Formel 1 jährlich in Deutschland sehen. Ob es vorteilhaft wäre, wenn man mit einem anderen Land wechselt, kann und möchte ich nicht beurteilen. Für Deutschland und den deutschen Motorsport war es gut, als der GP abwechselnd am Hockenheimring und am Nürburgring ausgetragen wurde.

Wie wirkt es sich auf die Fans aus, dass es dieses Jahr keinen deutschen GP gibt? Kommen sie nächstes Jahr zahlreicher, weil sie nicht wissen, wie oft sie das noch sehen oder geht das Interesse eher zurück?
Georg Seiler: Nein, ich denke das erste Szenario wird zutreffen. Das sehen wir auch anhand der zahlreichen Nachfragen nach einer Formel-1-Veranstaltung in diesem Jahr. Es hängt aber auch viel davon ab, wie die Formel 1 - vor allem in den Medien - dargestellt wird. Wenn wir immer nur lesen, dass die Formel 1 zu leise ist oder das Reglement nicht stimmt, hilft das den Kartenverkäufen nicht. Es gibt sicher das ein oder andere, worüber man reden muss, aber das wurde von den Verantwortlichen erkannt. Sicherlich werden die Diskussionen zu positiven Veränderungen führen. Das Duell in 2016 zwischen dem viermaligen Weltmeister Vettel - erstmals im Ferrari bei einem Heim-GP - und Rosberg, dem ich den Titel für dieses Jahr im Mercedes wünsche, wird sicherlich hochspannend und das Interesse der Fans zusätzlich wecken.

Sie sagten, man muss über das ein oder andere reden. Jetzt hat man am Red Bull Ring einiges gemacht, was das Rahmenprogramm betrifft. Trotzdem sind dieses Jahr nicht ganz so viele Leute gekommen...
Georg Seiler: Das war absehbar: Als wir hier 2002 erstmals den auf dem umgebauten Grand-Prix-Kurs gefahren sind, hatten wir auch 95.000 Besucher. Die Fans sind erst einmal begeistert, wenn es eine neue Rennstrecke gibt. Sie wollen wissen, was da abgeht. Dass es dann im nächsten Jahr weniger Zuschauer werden, war mir eigentlich klar. Die negativen Äußerungen - von ehemaligen Fahrern und Teamverantwortlichen - haben sicherlich auch nicht zum letztjährigen Erfolg beigetragen.

Der Österreich GP ist mehr als nur ein Rennen, Foto: Philip Platzer Red Bull
Der Österreich GP ist mehr als nur ein Rennen, Foto: Philip Platzer Red Bull

Red Bull, der Promoter des Österreich GPs, hat sogar selbst das eigene Rennen schlechtgeredet. Das ist ja totaler Irrsinn...
Georg Seiler: Aber als wir für den Hockenheimring jegliches Risiko für ein Rennen in diesem Jahr ausgeschlossen haben, gab es Schlagzeilen wie Hockenheimring, Nürburgring: Versager! Eine Frechheit! Versager dahingehend, wir würden nicht schaffen, was in Österreich gemacht wird. Es wäre alles eine Sache der Promoter, hieß es. Fakt ist, wir haben hier ein Produkt, bei dem wir letztendlich nur die Erlöse aus dem Verkauf von Eintrittskarten zur Kostendeckung haben, alle anderen Vermarktungsrechte liegen nicht bei uns. Und wir können nicht ein zusätzliches Produkt, zum Beispiel ein Open Air-Konzert veranstalten, das uns für einen Star-Interpreten hunderttausende Euro kostet. Wir bieten einiges im Rahmenprogramm und werden dies auch in 2016 tun.

Also scheitern Dinge wie Open Airs einfach daran, dass es zu teuer wäre? Sie würden nicht genügend zusätzlichen Kaufreiz erzeugen, um das aus finanzieller Sicht zu rechtfertigen?
Georg Seiler: Fakt ist, und das ist wichtig: Die Fans kommen in erster Linie wegen der Formel 1, nicht wegen eines Open Airs. Sie sind natürlich froh, wenn ein Open Air stattfindet, aber die sagen nicht: 'Schön, da findet ein Open Air statt, deshalb muss ich zum Hockenheimring gehen.'

Verhältnisse wie in Bahrain haben wir noch nicht, wo die Leute hauptsächlich wegen dem Konzert zur Formel 1 kommen, nicht wegen dem Rennen...
Georg Seiler: Genau.

Wird sich nächstes Jahr am Hockenheimring etwas ändern an der Durchführung des Events oder wird es ähnlich sein wie in den vergangenen Jahren?
Georg Seiler: Ich wüsste nicht, was sich großartig ändern soll. Wir haben in der Vergangenheit unser Bestes getan und werden es auch im nächsten Jahr tun. Wir werden alles versuchen, um den Fan zu überzeugen, zum Grand Prix zu kommen. Den sportlichen Teil haben wir nicht zu verantworten.

Warum kommen die Leute nicht mehr zur Formel 1?
Georg Seiler: Wir müssen die Leute überzeugen, zu kommen. Wie ich schon sagte, die Formel-1-Verantwortlichen haben die Probleme erkannt und werden entsprechend reagieren. Wir müssen den Fan von der Formel 1 begeistern. Man kann nicht etwas schlechtreden und dann erwarten, dass der Zuspruch dadurch erhöht wird. Es muss einfach alles passen, denn letztendlich macht sich der Fan sein eigenes Bild.

Seiler: Ecclestone ist uns entgegengekommen

Georg Seiler im Gespräch mit Bernie Ecclestone, Foto: Sutton
Georg Seiler im Gespräch mit Bernie Ecclestone, Foto: Sutton

Bernie Ecclestone wird viel für seine Deals mit Bahrain, Aserbaidschan und Co. kritisiert. Welche Rolle spielt denn Ihrer Meinung nach Ecclestone in der ganzen Sache, dass es keinen Deutschland GP gibt?
Georg Seiler: Ich muss schon sagen, dass uns Herr Ecclestone entgegengekommen ist, wenn man die Antrittsgebühren von anderen Rennstrecken kennt. Aber er kann uns das Produkt nicht schenken. Ecclestone ist als Geschäftsführer eingesetzt, von ihm wird erwartet, dass er die Königsklasse im Formelrennsport hochpreisig vermarktet. Und das klappt ja auch international in vielen anderen Ländern. In Deutschland ist es so, dass die Formel 1 nicht gefördert wird. Weder das Bundesland Baden-Württemberg, noch der Staat Deutschland, kümmern sich um die Formel 1 und zahlen entsprechend dazu. Auf anderen internationalen Rennstrecken gehört der Grand-Prix zur Tourismus-Förderung. Dort ist man froh, wenn die Formel 1 stattfindet und das Image des Landes weltweit medial transportiert wird. Wenn die Promotoren dort nicht die entsprechende Unterstützung hätten, würde sich der Grand-Prix finanziell auch nicht rechnen.

Hat der Hockenheimring denn konkret angefragt, Subventionen für die Austragung des Deutschland GPs zu erhalten?
Georg Seiler: Schon seit ich hier arbeite, also seit über 35 Jahren.

Aber gekommen ist da nie etwas?
Georg Seiler: Wir haben vom Land Baden-Württemberg 2002 als Förderung zum Streckenumbau 15 Millionen Euro bekommen, aber wir hatten einen Aufwand von rund 62 Millionen. Jetzt wissen sie, was wir selbst zu tragen hatten. Darüber hinaus gab es keinerlei Zuschüsse. Das ist auch der Unterschied zum Nürburgring: Wir haben den Formel-1-Grand-Prix stets aus eigener Kraft stemmen müssen - unterstützt durch unseren Hauptgesellschafter, die Stadt Hockenheim. Und ich behaupte, dass wir die einzige Rennstrecke sind, die so ein Event alleine stemmen muss. Und das im Automobilland Baden-Württemberg! Mannheim liegt in unmittelbarer Nähe, dort wurde das Automobil erfunden! Namhafte Hersteller und Zulieferer der Automobilbranche sind in Baden-Württemberg zuhause. Ich empfinde es als ungerecht, dass am Nürburgring für Investitionen das Land Rheinland-Pfalz und somit der Steuerzahler eine halbe Milliarde Euro bezahlt hat und wir noch eine hohe Darlehenssumme für unseren Umbau aus dem Jahre 2002 zu bezahlen haben, die unseren Investitionsspielraum einschränkt und keine weiteren Risiken erlaubt. Das ist der Punkt: Es wird mit zweierlei Maß gemessen. Darüber hinaus zahlt Baden-Württemberg über den Länderfinanzausgleich Steuergelder aus der Wertschöpfung des Hockenheimrings nach Rheinland-Pfalz.

Aber vom Staat kam noch nie etwas? Beim Fußball werden für eine Weltmeisterschaft einfach mal Stadien aus dem Nichts gestampft. So etwas gibt es in der Formel 1 nicht?
Georg Seiler: Nein. Und sehen Sie, das wäre mal so ein Punkt, der aufzuarbeiten wäre. Ich sehe leider derzeit keine Chance auf eine finanzielle Unterstützung zur Durchführung der Formel 1, wie sie sicherlich andere Sportarten erhalten.

Traurig eigentlich...
Georg Seiler: Ja, traurig, wenn man sieht, dass durch eine Fußball-EM, WM oder Olympische Spiele der eine oder andere Sportbegeisterte in solch einem Jahr aus Kostengründen nicht auch noch zur Formel 1 kommt. Der eine Wettkampf ist gefördert, der andere wird vernachlässigt. Wir haben mit der Formel 1 ein Ereignis, das sich jährlich in den Medien weltweit darstellen lässt. Genauso wie die Fußball-WM. Diese ist nur alle vier Jahre, aber die Formel 1 ist jedes Jahr ein positiver Imageträger für das Austragungsland Deutschland auf der ganzen Welt.

Für die Hersteller - zumindest für Mercedes - ist der Deutschland GP doch eine wichtige Angelegenheit. Warum hat Mercedes denn nicht mit aller Macht versucht, diesen GP durchzuführen? Es wäre ja auch in deren Interesse gewesen.
Georg Seiler: Mercedes war Willens, das diesjährige deutsche Formel-1-Event zu unterstützen. Es wurden Gespräche mit uns und Bernie Ecclestone geführt. Wie die Gespräche zwischen Mercedes und Herrn Ecclestone verlaufen sind, weiß ich nicht, aber sie haben stattgefunden. Letztendlich konnten wir nur ein risikofreies Formel-1-Rennen durchführen, wenn wir als Ersatz eingetreten wären. Leider haben die Gespräche dieses Ergebnis nicht hervorgebracht.

Ergänzend dazu: Eine Woche nach Absage des Grand-Prix stand in der Presse, es sei nicht Aufgabe der Teams oder Hersteller, den Promoter zu finanzieren. Da widerspricht sich das Ganze. Natürlich ist es nicht ihre primäre Aufgabe, aber sie haben ein Qualitätsprodukt, das beim Fan Begehrlichkeiten wecken soll und stimmen muss. Deshalb sollte man auch gemeinsam überlegen, was man Förderliches tun kann.

Also da die Verantwortung komplett von sich zu weisen, halten Sie für falsch?
Georg Seiler: So ist es, ja.

Umbau 'natürlich bedauert'

Foto: Hockenheimring
Foto: Hockenheimring

Wenn wir in der Geschichte zurückgehen: Würden Sie heute sagen, dass der Umbau gut war? Oder gäbe es ohne Umbau keine Altlasten und man hätte zusätzlich noch eine charakteristische Highspeed-Strecke mit langen Geraden durch den Wald - ein bisschen Mythos, wie am Nürburgring?
Georg Seiler: Wenn ich von mir spreche: Ich bin seit über drei Jahrzehnten am Hockenheimring. Die alte Strecke war eine Traditionsstrecke, charakteristisch für Hockenheim. Natürlich habe ich es bedauert, dass die Strecke verkürzt wurde. Aber man ging mit der Zeit. Fakt ist auch, dass wir immer ausverkauft waren und wir eigentlich eine Strecke brauchten, an der noch mehr Zuschauer Platz fanden, was sich im ersten Jahr nach dem Umbau auch als richtig erwies. Wir hatten 95.000 tatsächliche Besucher am Rennsonntag. Aber das war auch mitten im Schumacher-Boom, das waren ganz andere Zeiten. Ob wir heute nochmals umbauen würden - diese Frage stellt sich eigentlich nicht. Ohne Umbau würde die Formel 1 vielleicht nicht mehr am Hockenheimring stattfinden. Ungeachtet dessen, der Hockenheimring ist heute eine international konkurrenzfähige und publikumsfreundliche Rennstrecke.

Hätte man die alte Strecke noch lassen können? Es ist vom Layout her ja eigentlich eine Kurzanbindung.
Georg Seiler: Es wurde viel Wald dafür abgeholzt und da musste natürlich auch ein Ausgleich geschaffen werden. Die Renaturierung des alten Streckenabschnittes war eine behördliche Auflage, die wir auch begrüßt hatten.

Eine kurze Frage zum Schluss: Ab wann können die Fans Tickets für den Deutschland GP 2016 kaufen?
Georg Seiler: Wir beginnen am 31. Juli 14:00 Uhr mit dem Kartenvorverkauf, also genau 1 Jahr vor dem Formel 1-Start 2016 in Hockenheim. Auch 2016 wird es günstige Sitzplatztickets im Motodrom geben. Unser Slogan lautet: Zurück in Deutschland.