Heißt es für Kimi Räikkönen wirklich bald Arrivederci aus Maranello? Die Liste der Anwärter auf sein Ferrari-Cockpit für 2016 ist jedenfalls lang. Motorsport-Magazin.com hat alle möglichen Kandidaten genauer unter die Lupe genommen:

Kimi Räikkönen (35)

Kimi Räikkönen fährt in dieser Saison für Ferrari, Foto: Sutton
Kimi Räikkönen fährt in dieser Saison für Ferrari, Foto: Sutton

Kimi Räikkönen ist der letzte Ferrari-Weltmeister. Aber es scheint fast so, als wären seine Tage bei der Scuderia gezählt. Sein Cockpit ist zumindest heiß begehrt. Ein Zustand, welcher dem Iceman gar nicht gefällt. Denn Räikkönen möchte bleiben. Angeblich liege Ferrari bereits ein unterschriftsreifer Vertrag des Finnen vor.

Doch in Maranello lässt man sich Zeit. Vielleicht der Grund, warum sich der sonst so kühle Finne mittlerweile auch in der Öffentlichkeit ungewohnt emotional gibt. "Ich glaube, das aktuelle Team ist das Beste, das ich je hatte. Die Arbeitsweise, die Atmosphäre - wie gesagt Ferrari ist Ferrari. Du würdest dich immer für sie entscheiden, wenn du kannst", erklärte Räikkönen erst kürzlich. Der Wunsch ist klar: Der Icemann möchte auch 2016 weiterhin im Ferrari sitzen.

Pro: Für Kimi Räikkönen spricht neben seiner Erfahrung vor allem sein gutes Verhältnis zu Sebastian Vettel. "Der Respekt zwischen Kimi und mir ist sehr groß. Ich bin sehr glücklich mit ihm als Teamkollegen", bestätigt der Deutsche bei einem Show-Event in Ungarn die stallinterne Freundschaft. Motorsport-Magazin.com -Experte Christian Danner sieht Räikkönens Wert ebenfalls im Teamplay mit Vettel. "Kimi ist ausgeglichen, erfahren - er ist der beste Teamkollege für Sebastian." Aber nicht nur im Team ist der zurückhaltende Finne äußerst beliebt. Kaum ein Pilot hat eine größere Fangemeinschaft hinter sich stehen als der Iceman. Ein Wert, den Ferrari nicht missachten sollte.

Contra: Wäre da nicht die fallende Leistungskurve des Finnen. Zwar gewann Räikkönen seinen ersten und bisher einzigen WM-Titel für die Scuderia, doch das ist bereits acht Jahre her. Seit seinem Comeback in Rot 2014 glänzt der Iceman nicht gerade mit Auftritten am Podium. 55 zu 161 verlor er im letzten Jahr das Punkteduell gegen Fernando Alonso, aktuell steht er nach neun Rennen bei 76 Zählern im Vergleich zu Sebastian Vettels 135 WM-Punkten. Konnte Räikkönen zu Saisonbeginn mit Platz zwei in Bahrain noch positiv auffallen, fiel die Leistungskurve seither stetig. In Kanada drehte sich Räikkönen, in Österreich crashte er mit Fernando Alonso und fiel aus und in Großbritannien kam er über Platz acht nicht hinaus. Teamchef Maurizio Arrivabene hält sich unterdessen noch bedeckt. "Kimis Zukunft liegt in seiner Hand." Lange kann es aber nicht mehr dauern, bis die Scuderia ein Machtwort spricht. Die Uhr tickt...

Wahrscheinlichkeit auf Ferrari-Cockpit: 35%

Valtteri Bottas (25)

Valtteri Bottas fährt in dieser Saison für Williams, Foto: Sutton
Valtteri Bottas fährt in dieser Saison für Williams, Foto: Sutton

Valtteri Bottas war der erste Kandidat, den man in der aktuellen Saison mit einem Wechsel zu Ferrari in Verbindung brachte. Und das mit gutem Grund, der 25-Jährige ist wohl der Pilot mit dem größten Ferrari-Potenzial. Bottas schlägt sich gut im Williams, und wäre 2016 auch verfügbar.

Dennoch will sich der 25-Jährige noch nicht zu einem Ferrari-Engagement äußern, vermutlich auch aus Respekt zu Landsmann Kimi Räikkönen. Dass es zu einem Kopf-an-Kopf-Duell zwischen den zwei Finnen rausläufen könnnte, ist äußerst wahrscheinlich.

Pro: Valtteri Bottas bringt gute Ergebnisse, steht in der WM-Tabelle auf Platz vier, direkt hinter Sebastian Vettel. Zudem ist der Finne verfügbar, sein Vertrag mit Williams läuft Ende der Saison aus. Ziel ist es nun, ein Top-Team für den 25-Jährigen zu finden, wie Manager Didier Coton gegenüber Autosport erklärt. "Der Fahrer hat bestimmte Ziele und in Valtteris Fall will er Rennen gewinnen und Weltmeister werden - und daran müssen wir arbeiten." Ein Vorhaben, zu dem Ferrari ideal passen würde.

Contra: Gut möglich aber, dass Valtteri Bottas seinem Rennstall Williams die Treue hält. "Wir kennen das wahre Potenzial von Williams. Was sie in der Vergangenheit erreicht haben und ihr Potenzial für die Zukunft", so Manager Coton über Bottas aktuellen Arbeitgeber. Seit 2010 arbeitet der Finne für das Traditionsteam, seit 2013 ist er Stammfahrer. Die Verbundenheit zum Team sowie die immer besser werdende Performance der Williams-Boliden könnten für einen Verbleib im britischen Rennstall sprechen. Und da sich Bottas mit ebenfalls guter Leistung empfiehlt, wird man sich bei Williams wohl auch um ihn bemühen.

Wahrscheinlichkeit auf Ferrari-Cockpit: 35%

Nico Hülkenberg (27)

Nico Hülkenberg fährt in dieser Saison für Force India, Foto: Sutton
Nico Hülkenberg fährt in dieser Saison für Force India, Foto: Sutton

Seine fünfte Saison fährt Nico Hülkenberg bereits in der Formel 1. Seine Ausbeute: 0 WM-Titel, 0 Siege - dennoch spricht man über sein Talent. Richtig unter Beweis stellen konnte er das bisher noch nicht. Lag es immer an seiner Teamwahl? Spätestens seit Juni hat sich das Blatt aber gewendet. Der Deutsche siegt - zwar ist es (noch) nicht die Formel 1, aber die Aktie Hülkenberg steigt gewaltig. Der Grund? Sein LMP1-Debütsieg bei den 24 Stunden von Le Mans an der Seite der Porsche-Werkspiloten Nick Tandy und Earl Bamber. Dieser Erfolg brachte dem Deutschen ungewohnte Aufmerksamkeit und eine Liste an prominenten Fürsprechern. Niki Lauda, Rubens Barrichello, Fernando Alonso und Mark Webber sprachen sich für den 27-Jährigen aus.

Damit Hülkenberg im kommenden Jahr auch endlich seinen ersten Formel-1-Sieg feiert, braucht der Deutsche endlich ein Top-Team. Da wäre Ferrari doch gerade passend. Die Meetingräume in Maranello dürfte Hülkenberg zudem bereits kennen. Es ist nicht das erste Mal, dass die Scuderia Interesse bekundet. Bereits im Sommer 2012 gab es gerüchteweise erstmals Gespräche zwischen den Italienern und dem Deutschen, damals entschied man sich aber dafür Felipe Massa noch eine Chance zu geben. Ein Jahr später brodelte die Gerüchteküche erneut, bis Kimi Räikkönen den Platz im freigewordenen Ferrari-Cockpit für sich entschied. Klappt es nun endlich beim dritten Anlauf?

Pro: Der Sieg in Le Mans brachte Nico Hülkenberg nicht nur Aufmerksamkeit, sondern auch einen ordentlichen Schub an Selbstvertrauen. Denn nicht nur sein Marktwert wächst, auch seine Leistungskurve steigt rasant in die Höhe. In Spielberg fuhr der Force India-Pilot mit eigentlich unterlegenem Auto auf Rang sechs. Und auch in Silverstone überzeugte er mit Raketenstart und Endergebnis Platz sieben. Der Deutsche zeigt sich verlässlich und hat Erfahrung. Er bringt gute Leistung, sofern er das mit seinem Auto kann. Zudem passt der Zeitpunkt eines Wechsels perfekt. Sein Vertrag bei Force India läuft mit Jahresende aus.

Contra: Verdient hätte Nico Hülkenberg ein Top-Cockpit wohl schon lange. Doch das nötige Glück oder eben die nötige Durchsetzungskraft haben bisher immer gefehlt. Einen besseren Zeitpunkt als diesen, wird es für den 27-Jährigen wohl auch nicht mehr geben. Doch der Deutsche hält sich aktuell noch zurück. Obwohl ihm Niki Lauda rät, auf ein Cockpit zu pochen und sich anzubieten, wartet Hülkenberg lieber auf eine Reaktion von Ferrari. "Es hängt vom Angebot ab", erklärte Hülkenberg erst kürzlich. Ob ihm diese Zurückhaltung letztendlich nicht zum Verhängnis wird?

Wahrscheinlichkeit auf Ferrari-Cockpit: 20%

Daniel Ricciardo (26)

Daniel Ricciardo fährt in dieser Saison für Red Bull, Foto: Red Bull
Daniel Ricciardo fährt in dieser Saison für Red Bull, Foto: Red Bull

Ferrari-Teamchef Maurizio Arrivabene hatte erst vor kurzem angekündigt sich mit Daniel Ricciardo unterhalten zu wollen. Und es schien fast so, als wäre der Red Bull-Pilot damit die heißeste Aktie am Fahrermarkt. Einen Anruf aus Maranello gab es bisher jedoch noch nicht. "Es gab keinerlei Gespräche - wir hatten nur indirekte Gespräche über die Medien", bestätigt der 26-Jährige gegenüber Formula1.com. Dennoch zeigt sich auch Ricciardo nicht abgeneigt über ein Engagement in Rot.

Wäre da nicht Red Bull. Der Rennstall um Dietrich Mateschitz hat den Australier fest an sich gebunden, ein Auskommen scheint aktuell schier unmöglich. Für Ricciardo ein Trauerspiel, denn sein erklärtes Ziel sind Erfolge. Und das ist demnach ein Vorhaben, welches bei Red Bull aufgrund der Renault-Motorenproblematik immer unwahrscheinlicher wird. In Silverstone sah der Australier nicht einmal mehr die Zielflagge, sein RB11 versagte an der Elektronik.

Pro: "Ricciardo hat einen sehr offenen Charakter, spricht ein wenig italienisch und ich denke, dass er mit einem starken Auto auch gute Resultate einfährt, so wie im letzten Jahr mit Red Bull", fasst Formel-1-Kollege Roberto Merhi die Vorteile von Daniel Ricciardo zusammen. Genug Gründe, um zu verstehen warum Ferrari großes Interesse an dem Australier mit italienischen Wurzeln bekundet. Und auch der Red Bull-Pilot selbst scheint nicht abgeneigt zu sein. Die Voraussetzungen stimmen allesamt.

Contra: Dass man Daniel Ricciardo bei Red Bull nicht ziehen lassen wird, hat auch Red-Bull-Motorsportchef Dr. Helmut Marko sofort bestätigt. Der Australier habe einen kugelsicheren Vertrag, und daran werde sich auch nichts ändern, falls Ferrari anklopfe. Abgesehen davon gibt es zudem noch einen im Lager der Scuderia, der Ricciardo nicht mit offenen Armen empfangen würde. Ex-Red Bull Kollege Sebastian Vettel und der Australier wurden nie beste Freunde. Eine erneute Paarung würde diesen Zustand wohl auch nicht ändern.

Wahrscheinlichkeit auf Ferrari-Cockpit: 5%

Max Verstappen (17)

Max Verstappen fährt in dieser Saison für Toro Rosso, Foto: Sutton
Max Verstappen fährt in dieser Saison für Toro Rosso, Foto: Sutton

Mit Formel-1-Rookie Max Verstappen auf der Wunschliste der Scuderia hätten wohl die wenigsten gerechnet. Ein Gerücht, welches erst kurz vor dem Großen Preis von Großbritannien aufkam, und wohl genauso schnell wieder verstummen wird.

Der Teenager absolviert aktuell erst seine erste Formel-1-Saison. Platz sieben in Malaysia und Rang acht in Österreich brachten dem Belgier bisher zehn Saisonpunkte, Rang 14 in der WM-Wertung und damit einen guten Einstand in die Formel 1. Aber gut genug für Ferrari? Mit erst vier beendeten Rennen und fünf Ausfällen sieht man dem 17-Jährigen die Unerfahrenheit noch deutlich an. Zudem müsste man Verstappen aus seinem Vertrag rauskaufen, denn Toro Rosso plant mit dem Teenager bereits für 2016.

Pro: Das Interesse der Scuderia war kurz geweckt, und mit Papa Jos Verstappen hat Max auch einen riesen Antreiber im Rücken. Der ehemalige F1-Pilot erklärte erst kürzlich: "Wir haben immer die Zukunft im Blickfeld. Sein Ziel ist es, Rennen zu gewinnen und um die Meisterschaft zu kämpfen." Bei Ferrari wäre die Chance darauf wohl größer. Auch Max Verstappen zeigt sich nicht abgeneigt. "Wenn man so eine Chance bekommt, dann muss man sie auch nehmen", so der 17-Jährige.

Contra: Doch der Toro Rosso-Pilot hat bereits einen Vertrag für 2016, wie Red Bull-Motorsportberater Dr. Helmut Marko bestätigt. "Es macht überhaupt keinen Sinn zu spekulieren", so Marko gegenüber der holländischen Zeitung De Telegraaf. Zudem fehlt es dem Rookie einfach an Erfahrung. Viele Strecken im F1-Kalender waren und sind für Verstappen noch Neuland. Ein Team wie Ferrari möchte nicht einlernen, sondern gewinnen. Für ein Engagement in Maranello braucht der Belgier wohl noch ein paar Jahre.

Wahrscheinlichkeit auf Ferrari-Cockpit: 3%

Mister X

Präsentiert Ferrari wohlmöglich einen Überrschungskandidat für 2016?, Foto: Sutton
Präsentiert Ferrari wohlmöglich einen Überrschungskandidat für 2016?, Foto: Sutton

Damit wären die aussichtsreichsten Kandidaten wohl abgehandelt. Vielleicht zaubert Ferrari aber doch noch einen Überraschungskandidaten aus dem Hut. Fest steht jedenfalls, die Scuderia möchte jemanden mit Erfahrung engagieren. "Ich würde mir wünschen einen Top-Fahrer neben Sebastian zu sehen", bestätigt auch Ex-Ferrari-Renndirektor Cesare Fiorio dieses Vorhaben.

Jules Bianchi wäre eigentlich der geplante Nachfolger auf Räikkönen gewesen, Foto: Sutton
Jules Bianchi wäre eigentlich der geplante Nachfolger auf Räikkönen gewesen, Foto: Sutton

Fest steht auch, dass Ferrari eigentlich schon einen Wunschkandidaten für Räikkönens Cockpit gefunden hatte. Mit dem im letzten Herbst in Japan verunglückten Jules Bianchi plante die Scuderia für die Saison 2016. Seit 2009 hatte man Bianchi in der Nachwuchs-Akademie der Roten aufgebaut. Wenige Tage vor seinem Unfall bestätigte der Franzose: "Ich fühle mich bereit für Ferrari. Darauf arbeite ich seit vielen Jahren hin. Wenn es passieren sollte, wäre es der nächste logische Schritt für meine Karriere", so der Marussia-Pilot damals. Ein Traum, der in Suzuka platzte.

Simulator-Fahrer Jean-Eric Vergne hätte wohl große Lust auf eine Verpflichtung bei Ferrari, Foto: Sutton
Simulator-Fahrer Jean-Eric Vergne hätte wohl große Lust auf eine Verpflichtung bei Ferrari, Foto: Sutton

Auch in den eigenen Riegen lässt sich wohl kein passender Nachfolger auf Räikkönen finden. Das größte Potenzial hat hier wohl noch Ferrari-Simulator-Fahrer Jean-Eric Vergne. Doch mehr als ein gutes Netzwerk kann der aktuelle Formel E-Pilot auch nicht vorweisen. Sebastian Vettel ist sein stärkstes Argument. "Ich kenne ihn schon ewig und wir haben stets eine sehr gute zwischenmenschliche Beziehung gehabt. Ich bin mir sicher, dass es mir bereits für meine aktuelle Rolle als Simulator-Fahrer geholfen hat, ihn gut zu kennen."

Wahrscheinlichkeit auf Ferrari-Cockpit: 2%

Deadline 31. Juli?

Wie man sich bei Ferrari entscheiden wird, bleibt also abzuwarten. Teamchef Maurizio Arrivabene hatte in Österreich bereits verraten, dass es in Maranello eine Deadline gäbe. Bis zu dieser wolle man sich zumindest über Räikkönens Zukunft im Klaren ein. Das Datum nannte er jedoch nicht. Es könnte sich aber um den 31. Juli handeln, an dem die Option, Räikkönens Vertrag zu verlängern, auslaufen soll. Möglich ist aber auch, dass man in Maranello bis zur Bekanntgabe auf den Heim-Grand-Prix in Monza wartet. Die finale Entscheidung trifft jedoch nicht Arrivabene, sondern Ferrari-Präsident Sergio Marchionne.