Hamilton vor Rosberg und Vettel. Obwohl das Qualifying zum Großen Preis von Österreich allerhand kuriose Szenen zu bieten hatte - allen voran die Ausrutscher der Mercedes-Piloten in Q3 -, stellte sich die Rangordnung schlussendlich doch so dar, wie man es vor dem Zeittraining erwarten konnte. Damit geht Mercedes als Favorit in das Rennen auf dem Red Bull Ring, doch nach den Eindrücken des bisherigen Wochenendes dürfte es für die Silberpfeile alles andere als eine Sparzierfahrt werden. Motorsport-Magazin.com nimmt die Favoriten unter die Lupe.

Rosberg braucht guten Start

Anders als im Vorjahr, als Lewis Hamilton nur vom neunten Platz startete und damit bereits im Qualifying alle Chancen auf den Rennsieg wegwarf, verfügt der Brite dank seiner 45. Karriere-Pole diesmal über die beste Ausgangsposition. Hamilton gilt als ausgezeichneter Starter, was in Spielberg kein unwesentlicher Faktor ist, da die Strecke zwar über mehrere lange Geraden und zwei DRS-Zonen verfügt, Überholmanöver zu setzen aber dennoch nicht einfach ist. Weiters spricht für Hamilton, dass er Pole Positions zuletzt regelmäßig in Siege ummünzte, nur das Strategiedebakel in Monaco stellte eine Ausnahme dar.

Hamilton greift nach dem ersten Sieg in Österreich, Foto: Sutton
Hamilton greift nach dem ersten Sieg in Österreich, Foto: Sutton

Wie sich ein Sieg in der Steiermark anfühlt, weiß Nico Rosberg nur allzu gut. Der Deutsche gewann 2014 das Comeback-Rennen auf dem Red Bull Ring - allerdings unter gänzlich anderen Voraussetzungen als sie in diesem Jahr herrschen. Zwar musste sich Rosberg damals an den beiden Williams-Piloten vorbei arbeiten, die überraschend die erste Startreihe besetzt hatten, Druck von seinem Teamkollegen Hamilton hatte er ob dessen schlechter Startposition jedoch während des ganzen Rennens nicht wirklich.

Will Rosberg den Vorjahreserfolg wiederholen, muss er den Briten diesmal auf der Strecke schlagen, was ihm bekanntlich noch nicht allzu oft gelungen ist. "Es ist ein super Rennen und ich habe noch immer gute Siegchancen", geht der Deutsche trotz der bitteren Niederlage im Qualifying voller Zuversicht ins Rennen, weiß aber auch: "Ich brauche einen guten Start, um eine Chance gegen Lewis zu haben."

Rosberg warf die wichtige Pole weg, Foto: Sutton
Rosberg warf die wichtige Pole weg, Foto: Sutton

Räikkönens Longrun lässt Ferrari hoffen

Der rote Hecht im silbernen Karpfenteich ist Sebastian Vettel. Dem Ferrari-Piloten fehlten schlussendlich dreieinhalb Zehntel zur Pole Position, wenngleich dieser Abstand wohl etwas größer ausgefallen wäre, hätten sich die Mercedes-Fahrer auf ihrem finalen Run nicht gedreht. Trotzdem kann Vettel durchaus zuversichtlich Richtung Rennsonntag blicken, was den starken Longrun-Zeiten seines Teamkollegen Kimi Räikkönen geschuldet ist.

Der Finne, der bereits in Q1 ausschied und mit den Spitzenplätzen deshalb vermutlich nichts zu tun haben wird, wusste am Freitag bei den Volltanktests zu überzeugen und war mit den weichen Reifen konstant schneller unterwegs als Rosberg. "Ferrari ist gestern und heute einige sehr starke Longruns gefahren und sie sahen schneller aus als wir", hob Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff warnend den Finger. "Es wird ein harter Kampf."

Räikkönen selbst kann sich nach der Performance von Ferrari zuletzt in Kanada gut vorstellen, dass die Scuderia Mercedes das Leben schwer machen wird. "Ich hatte den Dreher und musste nochmal stoppen. Deshalb zeigt das Ergebnis nicht, wie gut wir wirklich waren", erinnerte er auf Nachfrage von Motorsport-Magazin.com an das Rennen in Montreal. "Der Dreher und der Pitstop allein haben allein 27 Sekunden gekostet. Wenn du das wegnimmst, sind wir am Ende des Rennens nicht so weit von Mercedes weg."

Sollte Vettel im Grand Prix tatsächlich schneller als die Mercedes-Piloten unterwegs sein, bleibt dennoch das Problem des Überholens. Hamilton war im Qualifying mit 326,1 km/h der schnellste Mann im Feld, die Ferrari-Piloten Räikkönen und Vettel mit 324,0 km/h respektive 321,9 km/h etwas langsamer unterwegs.

Die taktischen Möglichkeiten dürften sich aufgrund der zu erwartenden Ein-Stopp-Strategien in Grenzen halten, weshalb es nicht überraschend käme, würde Ferrari Vettel als ersten der Spitzenpiloten an die Box holen und den sogenannten Undercut versuchen, um ihn auf frischen Reifen an der silbernen Konkurrenz vorbeischleusen, wenn diese etwas später stoppt.

"Wir sind nicht die Favoriten, aber hoffentlich können wir die zwei Jungs ein bisschen unter Druck setzen", übte sich Vettel in vorsichtigem Optimismus. "Realistisch ist ein Podium, wenn wir gut durchkommen. Wenn es gut läuft, vielleicht auch mehr."

Vettel greift von Platz drei an, Foto: Sutton
Vettel greift von Platz drei an, Foto: Sutton

Williams rechnet mit starker Pace

Nahezu erwartungsgemäß als dritte Kraft auf dem Red Bull Ring kristallisierte sich Williams heraus. Felipe Massa als Vierter und Valtteri Bottas als Sechster werden von Nico Hülkenberg getrennt, den Bottas allerdings wohl noch überholt hätte, wäre er nicht durch die von Rosberg ausgelösten gelben Flaggen in Q3 gestoppt worden. "Ich bin ein bisschen enttäuscht darüber, von wo ich starten werde", hatte sich der Finne mehr ausgerechnet.

Der FW37 wurde vor dem Österreich GP mit einem umfassenden Aerodynamik-Update ausgestattet, was ihn im Verbund mit dem starken Mercedes-Motor zu einem Geheimfavoriten macht. Das bestätigte auch Massas guter Longrun auf den superweichen Reifen am Freitag. "Wir erwarten, dass es von der Rennpace her eines unserer stärksten Rennen wird", verriet Bottas auf Nachfrage von Motorsport-Magazin.com, wie es um die Erwartungshaltung bei Williams bestellt ist.

Williams rechnet sich einiges aus, Foto: Sutton
Williams rechnet sich einiges aus, Foto: Sutton

Fazit: Kalkuliertes Understatement oder ehrlicher Respekt? Ob Mercedes wirklich vor Ferrari zittert oder es am Ende nicht doch ein souveräner Doppelsieg der Silberpfeile in der Reihenfolge Hamilton vor Rosberg wird, werden wir erst am Sonntagnachmittag erfahren. Es deutet zumindest einiges drauf hin, dass ein spannendes Duell zwischen Rot und Silber mit womöglich einem Schuss Martini-Weiß bevorsteht, sofern Mercedes bislang nicht brutal geblufft hat. Und dann gibt es ja auch noch den Faktor Wetter - Regen ist in der Obersteiermark nicht ausgeschlossen.