An dieser Stelle könnte eine Aufzählung aller Fahrer der Formel 1 stehen, die im Freitagstraining zum Großen Preis von Österreich mindestens einmal von der Strecke abgekommen sind. Doch diese Liste würde lang. Im Minutentakt rutschten die 20 Piloten vom Red Bull Ring in die - zu ihrem Glück - inzwischen größtenteils asphaltierten Auslaufzonen.

Ist das tatsächlich die Königklasse des Motorsports? Oder eher eine Fahrschule? Diese Fragen mag sich der eine oder andere Zuschauer durchaus gestellt. Doch es gibt gute Erklärungen für die wilde Rutschpartie in Spielberg. Motorsport-Magazin.com hörte sich im Fahrerlager nach den Gründen um.

Kein Kiesbett-Risiko

"Das ist hier relativ normal. Das geht schnell, weil man beim Anbremsen der vorletzten Kurve viel Schwung mitnimmt und einem einfach die Straße ausgeht. Kein Mensch ist dort vorsichtig, weil ja nichts passiert", kommentiert Motorsport-Magazin.com-Experte Christian Danner das Verlassen der Ideallinie vieler Piloten, insbesondere in Kurve acht.

Der neue Kunstrasen

Pastor Maldonado, bekannt als Pirouetten-Spezialist, hielt sich in Spielberg für seine Verhältnisse und im Vergleich zu seinen Fahrerkollegen am Freitag bemerkenswert gut auf dem Kurs. Der Venezolaner lieferte im Gespräch jedoch sofort einen weiteren spannenden Grund für die Serienabflüge und -ausrutscher in Kurve acht. "Die Streckenbedingungen besonders in dieser Kurve waren schwierig. Es ist normal, dass du versuchst schneller zu fahren, besonders im Training. Aber im Vergleich zum vergangenen Jahr war es viel mehr. Vergangenes Jahr war es nämlich viel einfacher ohne den Kunstrasen. Dieses Jahr ist es schlimmer, wenn du weit gehst", erklärt Maldonado.

Foto: Sutton
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Der schlechte Grip-Level

Nicht nur der Kunstrasen, auch der Asphalt des Red Bull Rings selbst, bietet mehreren Fahrern zufolge zudem wenig Haftung. "Der Grip der Strecke ist nicht so gut, also brauchst du zwei Runden (um den Reifen zum Arbeiten zu bringen). Aber vielleicht verändert sich das wieder zum Qualifying. Das war in Kanada auch so", sagt Max Verstappen zu Motorsport-Magazin.com.

Daniel Ricciardo ergänzt: "Die Bedingungen waren echt schwierig heute. Ich denke, es war eine Kombination aus den niedrigen Temperaturen und dem glatten Asphalt, was es schwierig gemacht hat, Temperatur zu generieren." Ganz ähnlich sieht das Felipe Nasr. "Diese Strecke hat ein nicht so hohes Grip-Level momentan, deshalb waren heute so viele Fahrer neben Strecke", sagt der Brasilianer.

Foto: Sutton
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Die Strecken-Charakteristik

Hinzu kommen die Eigenarten des Strecken-Layouts. "Auf dieser Strecke die richtige Balance und das richtige Setup für das Auto zu finden ist sehr schwierig, weil es sich hier vom ersten zum zweiten Sektor total verändert und dann zum letzten wieder. Das ist etwas unvorhersehbar. Deshalb kommen so viele von der Strecke ab. Vor allem in Kurve acht passiert das wegen des Übersteuerns dort. Manchmal brauchst du dann zwei Runden, um wieder Grip zu finden. Dann verbremst man sich eben schnell", schildert Verstappen.

Teamkollege Carlos Sainz macht ebenfalls die Strecke für die kuriosen Szenen verantwortlich. "Alle hatten da draußen Probleme. Ich vermute, dass war so, weil es eine Old-School-Strecke ist. Sie ist sehr herausfordernd für die Fahrer. Man hat wenig Abtrieb, aber sehr herausfordernde Kurven und die Reifen arbeiten ebenfalls hart", sagt der Spanier.

Der Wind

Nico Hülkenberg ergänzt gegenüber Motorsport-Magazin.com ein weiteres Problemfeld. "Die Strecke ist nicht einfach. Es sieht einfach aus, aber speziell in Kurve acht kommt der Wind ganz fies und unerwartet und haut dir das Heck weg. Es ist eine tückische Strecke, wo man denkt, man ist sicher, und dann geht das Auto doch weg und will anders als man selbst", erklärt der frisch gebackene Sieger der 24h von Le Mans. Ähnliches hörte man aus dem Ferrari-Lager, wo die Crew Kimi Räikkönen per Funk vorwarnte, der Wind könne unvermittelt die Richtung wechseln.