Lewis Hamilton gewann den Kanada GP relativ unspektakulär. Der Brite fuhr von der Pole Position aus los und führte bis auf Umlauf 29 jede einzelne Runde. Trotzdem war auch das Rennen an der Spitze nie ganz durch - Nico Rosberg ließ nie mehr als fünf Sekunden abreißen. Im ersten Stint verlor Rosberg Zehntel um Zehntel auf seinen Teamkollegen.

Der Brite schien mit den Supersofts besser zurecht zu kommen. Aber der Unterschied war nicht riesig. Das Problem: Rosberg kam am Anfang nicht in das DRS-Fenster und war nie eine wirkliche Gefahr für Hamilton. Beim Boxenstopp konnte Rosberg aber einige Zeit gutmachen. Die Stopps an sich waren recht ähnlich, doch Hamilton verlor auf seiner Inlap mehr als eine Sekunde. Auf der Outlap ließ er noch einmal knapp eine Sekunde liegen.

Und so fand sich Rosberg nach dem einzigen Stopp des Rennens plötzlich wieder am Heck seines Teamkollegen - obwohl Hamilton früher zum Stopp kommen durfte. Von da an war die Spannung an der Spitze greifbarer. Bis Runde 65 variierte der Abstand zwischen Hamilton und Rosberg zwischen einer und zwei Sekunden.

Lowe: Rosbergs Bremsen kritisch

Rosberg musste wegen des Windschattenfahrens seine Bremsen stärker managen, sparte dafür etwas Benzin. Hamilton hatte entsprechend weniger Probleme mit den Bremsen, dafür einen etwas höheren Spritverbrauch. "Aber um ehrlich zu sein, war der Verbrauch eher ein kleines Problem. Die Bremsen waren schwieriger zu managen", erklärt Technical Director Paddy Lowe. "Gegen Mitte des Rennens hat ein kritisches Bremsproblem das Auto von Nico stark beeinträchtigt, darauf musste er mehr aufpassen, als auf den Verbrauch."

Im Windschatten fehlte Rosberg Kühlung für die Bremsen, Foto: Sutton
Im Windschatten fehlte Rosberg Kühlung für die Bremsen, Foto: Sutton

Rosberg wusste, dass er eine Attacke akribisch vorbereit musste. Also nutzte er nicht mehr die gesamte elektrische Energie in jeder Runde, sondern lud die Batterie auf. Weil der Circuit Gilles Villeneuve so kurz ist und dazu gleich vier lange Geraden hat, kann trotz der harten Bremspunkte nicht die pro Runde maximal erlaubte Energie durch die MGU-K rekuperiert werden. Umso entscheidender ist der Ladezustand.

Doch Hamilton wurde von seiner Box über Rosbergs Vorhaben informiert und konnte sich entsprechend darauf einstellen. Als Rosberg wenige Runden vor Schluss ernst machen wollte, reagierte Hamilton sofort und vergrößerte den Vorsprung auf drei Sekunden. Damit war das Rennen gelaufen.

Hinter Mercedes geht es rund

Interessanter lief das Rennen dahinter ab: Kimi Räikkönen konnte den Speed der Mercedes nicht mitgehen. Bis zum ersten Boxenstopp hatte sich der Finne schon einen Rückstand von mehr als zehn Sekunden eingefangen. Nach Räikkönens Dreher wird es spannend: Im Mittel-Stint, als das Führungstrio auf den Soft-Reifen fuhr, konnte Räikkönen besser mit der Mercedes-Pace mithalten.

Räikkönens Problem: Weil er durch seinen Dreher hinter Valtteri Bottas zurückgefallen war, stellte das Team seine Strategie um. Aus einem geplanten Einstopp-Rennen wurde ein verkorkstes Zweistopp-Rennen. Weil er im Mittelstint schnell auf Bottas auflief, holte Ferrari den Finnen früh zum zweiten Stopp. Räikkönen fuhr nur 14 Runden auf den Soft-Reifen.

Ferraris Plan, dass Räikkönen die Lücke auf Bottas mit den Supersofts schnell schließen sollte, ging aber nicht auf. Seine Pace war schlichtweg nicht gut genug. Gleich zu Beginn des letzten Stints konnte er zwar die schnellste Rennrunde setzen, seine Zeiten ließen aber relativ schnell wieder nach, so dass er den Vorteil der extraweichen Reifen nicht nutzen konnte. Weil der Mittel-Stint extrem kurz war, fiel außerdem der letzte Stint auf den Supersoft länger aus.

Während Kimi Räikkönen einen durchwachsenen Sonntag erlebte, konnte Sebastian Vettel seinen rabenschwarzen Samstag einigermaßen vergessen machen. Der Heppenheimer pflügte sich spektakulär in 70 Runden von Platz 20 auf den fünften Rang nach vorne. Nach seinem ersten Boxenstopp war der viermalige Weltmeister sogar Letzter.

Die Topspeeds beim Großen Preis von Kanada

FahrerTeamMotorTopspeed
Romain GrosjeanLotusMercedes341,9 km/h
Sebastian VettelFerrariFerrari341,4 km/h
Felipe MassaWilliamsMercedes340,5 km/h
Nico HülkenbergForce IndiaMercedes336,2 km/h
Pastor MaldonadoLotusMercedes335,5 km/h
Sergio PerezForce IndiaMercedes334,9 km/h
Fernando AlonsoMcLarenHonda333,9 km/h
Carlos Sainz Jr.Toro RossoRenault333,7 km/h
Marcus EricssonSauberFerrari333,4 km/h
Felipe NasrSauberFerrari330,3 km/h
Daniil KvyatRed BullRenault329,7 km/h
Max VerstappenToro RossoRenault329,6 km/h
Valtteri BottasWilliamsMercedes329,5 km/h
Lewis HamiltonMercedesMercedes328,5 km/h
Nico RosbergMercedesMercedes328,1 km/h
Kimi RäikkönenFerrariFerrari326,8 km/h
Daniel RicciardoRed BullRenault326,2 km/h
Jenson ButtonMcLarenHonda318,3 km/h
Roberto MerhiManor MarussiaFerrari (2014)316,4 km/h
Will StevensManor MarussiaFerrari (2014)313,6 km/h

16 Mal überholte Vettel auf der Strecke. Dabei kam ihm natürlich der gute Topspeed des Ferrari zugute. Mit 341,4 Stundenkilometer war der Deutsche nur 0,5 km/h langsamer als Romain Grosjean, der den Bestwert erzielte. Zum Vergleich: Im vergangenen Jahr wurde Fernando Alonso im Ferrari mit 330,2 Stundenkilometer gemessen, damit lag er in dieser Wertung nur auf Platz elf. Das zeigt, wie groß der Sprung ist, den Ferrari mit der Power Unit gemacht hat.

Dabei sah es zu Beginn gar nicht so gut aus für Vettel: Schon nach sieben Runden wurde sein Vorwärtsdrang von Felipe Massa gestoppt. Vettel kam früh zum Reifenwechsel und holte sich die weichen Pneus ab. Beim Stopp verlor er wichtige Sekunden und kam noch hinter Button als Letzter wieder auf die Strecke.

Von da an gab es keinen Kompromiss mehr: Vettel setzte sich in den Zweikämpfen ohne Rücksicht auf Verluste durch, konnte die Pace der frischen Reifen voll nutzen. Auffällig: Als er in Runde 35 zu seinem zweiten Stopp kam, ließ er gebrauchte Softs aufziehen, obwohl er noch einen Satz frischer Supersofts gehabt hätte.

Besonders interessant ist im letzten Stint der Vergleich mit Kimi Räikkönen: Wann immer Vettel einigermaßen freie Fahrt hatte, war er auf den gebrauchten Soft-Reifen schneller als Räikkönen auf den gebrauchten Supersofts.

Am Ende wird Räikkönen Vierter, Vettel Fünfter. Beide trennen keine fünf Sekunden. Dabei war Räikkönen auf 3 losgefahren, Vettel auf 18. Hinzu kommt, dass Vettel ständig in Zweikämpfe verwickelt war, Räikkönen fast das gesamte Rennen über freie Fahrt hatte. Vettel hat - wenn auch nicht für alle sichtbar - in Kanada gezeigt, dass Ferrari nicht so weit von Mercedes weg ist, wie es die Ergebnisse wiederspiegelten.

Vettels irre Aufholjagd: Die Chronologie

RundePositionAktion
018Start
116Beide Manor überholt
215Nasr überholt
314Sainz überholt
413Alonso überholt
613Kommt nicht an Massa vorbei
720Boxenstopp
917Überholt Stevens, Merhi und Button in einer Runde
1516Nasr überholt
2015Alonso überholt
2114Verstappen überholt
2213Sainz überholt
2311Ericsson überholt, Ricciardo stoppt
2410Perez stoppt
279Kvyat stoppt
288Hülkenberg stoppt
297Maldonado überholt
359Boxenstopp
378Massa stoppt
437Hülkenberg überholt
496Grosjean stoppt
555Maldonado überholt
705Ziel