Der König kehrt zurück nach Kanada. Nach seinem Triumph auf der Île Notre-Dame im Vorjahr, will Daniel Ricciardo 2015 erneut ganz nah an den berühmten Mauern von Montreal entlang schrammen und das nächste Top-Ergebnis in Nordamerika verbuchen. "Du hast die Wahl: Einige werden auf Sicherheit spielen und eine halbe Zahntel opfern, um sauber durchzukommen, andere werden das Risiko annehmen und Vollgas fahren, um zu versuchen, das letzte Bisschen zu finden", beschreibt der Australier, worauf es beim Kanada GP ankommt.

Welche der Strategien er verfolgen wird, scheint offensichtlich. "Du kannst da aggressiv rangehen und versuchen gerade so eben an der Mauer vorbeizubürsten. Da ist viel Risiko im Spiel, aber das bringt jede Menge Adrenalin mit sich", sagt Ricciardo. Strahlen sieht man den "Honigdachs" zwar eigentlich permanent, doch geht es um den Circuit Gilles Villeneuve, setzt Ricciardo in Sachen Euphorie noch einen drauf. Und das nicht nur wegen seines ersten F1-Sieges überhaupt, den er im Vorjahr auf dem Traditionskurs eingefahren hat.

"Vielleicht hat mich der Sieg den Kurs noch ein bisschen mehr lieben lassen, aber ich habe ihn bereits seit meiner ersten Runde geliebt, als ich noch für Toro Rosso gefahren bin. Ich weiß noch genau, wie begeistert ich damals schon in der Installationsrunde war", erinnert sich Ricciardo. "Es macht einfach unwahrscheinlich viel Spaß. Du kannst über die Kerbs springen und das Auto wirklich rumhüpfen lassen. Es ist ein bisschen, als würdest du zurück zu deinen Go-Kart-Tagen kehren", schwärmt Ricciardo.

Daniil Kvyat fuhr in Monaco sein bisher bestes Karriere-Resultat ein, Foto: Sutton
Daniil Kvyat fuhr in Monaco sein bisher bestes Karriere-Resultat ein, Foto: Sutton

Kvyat: Großartiger Ort für Racing

Daniil Kvyat kennt die Strecke zwar erst seit einem Jahr, freut sich - nach seinem besten Karriere-Ergebnis am vergangenen Wochenende in Monaco - jedoch ähnlich wie sein Teamkollege auf den Insel-Kurs im St. Lorenz-Strom. "Es ist ähnlich intensiv [wie in Monaco], aber auf andere Weise. Die Geraden sind lang, aber du hast diese großen Bremszonen. Es hat wegen der Mauern ein bisschen was von Straßenkurs-Feeling, aber es ist schon mehr eine traditionelle, klassische Strecke - ein großartiger Ort für Racing", sagt der Russe.

Übersteht die Power Unit noch ein Rennen?, Foto: Sutton
Übersteht die Power Unit noch ein Rennen?, Foto: Sutton

Fünfte Power Unit? Strafe droht!

Wie viel echtes Racing im Rennen für Red Bull nötig sein wird, entscheidet insbesondere Renault. Steht die Power Unit der Franzosen das Top-Speed-Festival in Montreal durch? Oder müssen Red Bull und Renault bereits das nur unter Strafversetzung erlaubte fünfte Aggregat einsetzen? Ist Letztes der Fall, können sich Kvyat und Ricciardo vermeintlich schonmal auf viel Rennaction freuen, wenn sie versuchen müssen, das Feld von hinten aufzurollen.

Doch das Leistungsdefizit des Renault-Motors ist noch immer kolossall. Selbst in Monaco sahen Ricciardo und Kvyat in Sachen Endgeschwindigkeit alles andere als gut aus. Red Bull muss sich also darauf einstellen, eher selbst als Kanonenfutter herhalten zu müssen. Der Vorteil des neuen, stark verbesserten Chassis', wird angesichts des speziellen Streckenlayouts jedenfalls nicht reichen, um den Power-Nachteil soweit auszugleichen, dass ein ähnlich gutes Ergebnis wie in Monaco möglich wäre.

2014 feierte Red Bull ein Doppel-Podium in Kanada, Foto: Sutton
2014 feierte Red Bull ein Doppel-Podium in Kanada, Foto: Sutton

Red Bull: Montreal Bilanz

Red Bull in Montreal: In den ersten Jahren des Teambestehens lief es für Red Bull auf dem Circuit Gilles Villeneuve nicht wunschgemäß, zuletzt feierte der Rennstall aber große Erfolge. Sebastian Vettel und Daniel Ricciardo gewannen die letzten beiden Ausgaben des Kanada GP, abgerundet wird die Bilanz von einem zweiten und drei dritten Rängen.

Daniel Ricciardo in Montreal: Der Australier feierte im Vorjahr in Montreal seinen ersten Grand-Prix-Sieg. Ricciardo gelang es, die mit Problemen kämpfenden Mercedes-Pilot hinter sich zu lassen und trug sich als erst vierter Australier in die Siegerlisten der Formel 1 ein.

Daniil Kvyat in Montreal: Kvyat gab in der Vorsaison sein Kanada-Debüt, schied jedoch wegen eines Motorproblems vorzeitig aus.

Redaktionskommentar

Motorsport-Magazin.com meint: Red Bull hat sein neues Chassis verstanden. In Monaco hat sich das sofort in den Ergebnissen niedergeschlagen: Ricciardo und Kvyat schnappten sich die Plätze vier und fünf, ein klarer Aufwärtstrend. Kanada wird nun unmittelbar im Anschluss einen Rückschlag bringen. Die Strecke passt wegen der langen Geraden einfach nicht zum Red Bull mit der schwachen Power Unit von Renault. Duelle mit Ferrari oder gar Mercedes sind deshalb ausgeschlossen, Williams und Lotus dürften wegen ihrer klaren Topspeed-Vorteil zudem mehr als ernst zu nehmende Gegner im Kampf um den letzten Platz in den Top-5 werden. Mittelfristig sehe ich Red Bull mit diesen allerdings auf Augenhöhe - wäre da nicht der Fakt, dass Strafversetzungen (Plural!) für den weiteren Saisonverlauf im Grunde längst garantiert sind. (Jonas Fehling)