Für Menschen mit Schlafstörungen war der Monaco GP bis Runde 64 perfekt. Auf der Strecke passiere absolut gar nichts, an der Spitze waren noch nicht einmal die Abstände knapp. Erst als Max Verstappen mit einer übermotivierten Aktion für eine Safety-Car-Phase sorgte, wurde es aufregend - und undurchschaubar.

Aus der einschläfernden Veranstaltung im Fürstentum wurde ein mathematisch höchst anspruchsvolle Aufgabe für Mercedes. Lewis Hamilton führte mit etwas weniger als 20 Sekunden vor Nico Rosberg, der seinerseits rund zwei Sekunden Vorsprung auf Sebastian Vettel hatte. Außer Lewis Hamilton entschied sich vom Führungstrio niemand dafür, 14 Runden vor Rennende noch zum Reifenwechsel zu kommen.

"Daran habe ich überhaupt nicht gedacht", sagte Nico Rosberg zu Motorsport-Magazin.com. Es gab noch nicht einmal eine Konversation mit seinem Renningenieur Tony Ross darüber. Rosberg hielt sich einfach an die Delta-Zeiten, die ihm zunächst wegen des Virtuellen Safety Cars vorgegeben waren.

Hamilton vs. Vettel im Rückspiegel

Als dann aber Bernd Mayländer mit dem realen Safety Car ausrückte, kam plötzlich Lewis Hamilton zum Stopp. Nico Rosberg wusste von all dem nichts. Erst, als er nach Saint Devot fast neben seinem Teamkollegen fuhr, wusste er, dass etwas nicht richtig gelaufen war. "Ich war sehr überrascht, das Safety Car und Lewis zu sehen. Wo zur Hölle ist er auf einmal hin? Und dann sah ich sie im Rückspiegel hinter mir. Ein Mercedes und ein Ferrari Wheel-Banging hinter dem Safety Car. Ich dachte mir, was zur Hölle geht vor sich?", erzählte Rosberg noch sichtlich verwundert.

Vom Team erfuhr er dann, dass sich Hamilton die superweichen Reifen abgeholt hatte. Doch selbst da dachte Rosberg noch nicht an seinen dritten Monaco-Erfolg in Folge: "Auch da war ich mir sicher, es war eine gut überlegte Entscheidung und dass er so dominant sein würde mit diesem Reifen, dass er easy durchschlüpfen würde bei uns. Ich dachte, er würde es noch gewinnen, habe mich gleichzeitig aber für einen Mega-Fight gewappnet, denn so einfach lass ich den nicht vorbei."

"Meine Reifen waren beim Restart eiskalt und es war schon eine Herausforderung, nicht in die Leitplanke zu fahren. Aber die Temperaturen kamen schnell zurück", so der 29-Jährige. Er war noch immer felsenfest davon überzeugt, dass Mercedes bei Hamilton die beste Strategie gewählt hatte, die am Ende aufgehen würde. "Ich weiß nicht genau, was passiert ist und welche Fehler gemacht wurden. Ich weiß aber, dass wir strategiemäßig die beste Truppe haben. Heute ist es mal nicht zu 100 Prozent aufgegangen."

Doch Monaco erwies sich einmal mehr als Ort des unmöglichen Überholens. Hamilton biss sich an Vettel die Zähne aus, konnte noch nicht einmal einen ernsthaften Angriff setzen. "Und wenn Sebastian ihn schon hinter sich lassen konnte, dann hätte ich das erst recht gekonnt, denn ich habe das viel bessere Auto", ist Rosberg überzeugt.

Mercedes hätte Rangordnung nicht wiederhergestellt

Bleibt die Frage, ob Mercedes das taktische Missgeschick wieder in Ordnung gebracht hätte, wenn Rosberg und Hamilton hintereinander gewesen wären. Rosberg wollte auf diese Frage nicht eingehen. Auch Motorsportchef Toto Wolff versuchte auf Nachfrage von Motorsport-Magazin.com zunächst auszuweichen. "Ich habe schon so genug Probleme", scherzte er, fügte aber an: "Wir haben kurz diskutiert, was passiert wäre, wenn Lewis Sebastian überholt hätte. Wir hätten wahrscheinlich nicht eingegriffen."

Rosberg ist sich seines Glückes bewusst. "Ich hatte wahrscheinlich so viel Glück wie noch nie", gab er zu. Euphorisch wurde er beim späteren Meeting aber nicht - aus Respekt vor Lewis Hamilton: "Ich empfinde hier Empathie für Lewis, ich weiß, wie ekelhaft der Sport sein kann."

Mit dem Trauerflor kam Rosberg aber nicht zur Medienrunde. "Ein Sieg ist ein Sieg und im Sport spielt der Faktor Glück einfach so eine große Rolle", freute er sich schlussendlich. "Und es war für Mercedes auch kein Mega-Gau. Wir haben insgesamt drei Punkte verloren."

Auf die Konstrukteursweltmeisterschaft hat die strategische Fehlentscheidung kaum Auswirkungen, auf die Fahrer-WM sehr wohl. Statt seinen Vorsprung um sieben Punkte auszubauen, büßte Hamilton zehn Punkte auf Rosberg ein. Der Brite führt nun mit 126 zu 116. "An die Weltmeisterschaft denke ich jetzt aber nicht, ich genieße nur den Sieg."