Selten hörte man nach einem Formel-1-Training so viele Entschuldigungen wie am Donnerstagnachmittag in Monaco. Zwanzig Minuten nach dem Beginn des zweiten Trainings setzte an der Côte d'Azur Regen ein, was zur Folge hatte, dass es sich die Piloten in ihren Garagen bequem machten. Da die Wetterprognose für Samstag und Sonntag keine Niederschläge prophezeit, sahen die Teams keinen Sinn darin, ein unnötiges Risiko einzugehen und auf der nassen Strecke Kilometer zu machen. Erst in den letzten Minuten wagten sich einige Piloten wieder auf die Strecke.

Arme Fans

Die Leidtragenden des nicht vorhandenen Fahrbetriebs waren die Zuschauer, die rund eine Stunde auf den Tribünen ausharren mussten, ohne ein vorbeifahrendes Auto zu Gesicht zu bekommen. "Das tut mir für die Fans sehr Leid, denn sie haben viel Geld für die Tickets bezahlt und bekommen uns dann nicht zu sehen. Es macht aber keinen Sinn zu fahren, wenn es für den Rest des Wochenendes trocken bleibt", zeigte Nico Hülkenberg stellvertretend für seine Kollegen Mitgefühl.

Auch wenn es durchaus nachvollziehbare Gründe gab, die Motoren ruhen zu lassen, bleibt gerade in Zeiten, in denen die Formel 1 scharf in der öffentlichen Kritik steht, ein bitterer Beigeschmack. Dem war sich auch Pirelli-Motorsportdirektor Paul Hembery bewusst. "Man könnte das Problem wohl nur lösen, indem man die Sessions aufwertet und zum Beispiel Punkte oder Startplätze vergibt", überlegte er, wie man die Teams trotz Schlechtwetters zum Fahren zwingen könnte.

"Es muss über eine Saison analysiert werden, wie viele Sessions wie diese wir haben, weil es eine Situation ist, mit der die Fans nicht zufrieden sind", forderte Hembery zum Umdenken auf. Red Bulls Motorsportdirektor Dr. Helmut Marko verstand die Kritik an der Stille auf Strecke zwar, bat aber um Verständnis. "Es macht keinen Sinn, wenn es irrsinnig stark regnet und die Wettervorhersage trocken ist", hielt der Österreicher fest. "Sobald es vernünftig fahrbar war, sind eh alle raus."

Die Fans mussten im Regen ausharren, Foto: Sutton
Die Fans mussten im Regen ausharren, Foto: Sutton

Keine Longruns

Während sich die Fans über den Regen ärgerten, brachte er für die Teams handfeste Probleme mit sich. Normalerweise finden im zweiten Training Volltanktests statt, um für das Rennen zu üben, was diesmal jedoch nicht möglich war. Zwar spielen die Longruns in Monaco aufgrund der Besonderheit der Strecke keine so wichtige Rolle wie auf anderen Kursen, dennoch werden es sich die Piloten nicht nehmen lassen, am Samstagvormittag im dritten Training mit viel Sprit an Bord ihre Runden zu drehen. Wie viel Aussagekraft diese aufgrund des zu erwartenden starken Verkehrs haben werden, sei jedoch dahingestellt.

Die Longruns sind aber nicht die einzige Aufgabe, die es in FP3 gilt nachzuholen. In Monaco kommen zum ersten Mal in dieser Saison die superweichen Reifen zum Einsatz, doch auch ihre Premiere fiel am Donnerstagnachmittag buchstäblich ins Wasser. Seitens Pirelli hatte man sich erhofft, dass der neue Asphalt im Fürstentum ein Mehr-Stopp-Rennen zur Folge haben würde, schlussendlich dürfte es aber wie im Vorjahr nur einen Reifenwechsel pro Fahrer geben, was die Spannung deutlich mindert.

"Es ist die Strecke mit dem geringsten Speed, den geringsten Vibrationen und den geringsten Kurvengeschwindigkeiten der ganzen Saison", wies Hembery darauf hin, dass selbst die weichste im Sortiment vertretene Mischung noch zu wenig Verschleißerscheinungen zeigt, als dass am Sonntag ein Strategie-Leckerbissen zu erwarten ist. Frische Reifen gäbe es dank des geruhsamen Donnerstags dabei zur Genüge.

Hamilton erzielte die Bestzeit, Foto: Sutton
Hamilton erzielte die Bestzeit, Foto: Sutton

Enge Spitze

Obwohl sich das Kräfteverhältnis aufgrund der fehlenden Longruns nicht exakt beurteilen lässt, deutet viel daraufhin, dass das Feld deutlich näher als in Barcelona zusammengerückt ist, was in Monaco ob der Kürze einer Runde aber nichts Außergewöhnliches ist. Lewis Hamilton erzielte im trockenen ersten Training die Bestzeit, nahm Max Verstappen allerdings nur anderthalb Zehntelsekunden ab. Auch Daniel Ricciardo und Sebastian Vettel lagen keine vier Zehntel hinter dem Mercedes-Piloten.

"Wir sind nicht die Favoriten, aber die Chance ist immer da", prognostizierte Vettel auf den Rennsieg angesprochen. "Das ist der Grund, warum wir überhaupt antreten. Wenn die Hoffnung nicht da ist, dann ist alles ziemlich sinnlos." Konkurrenz könnte der Heppenheimer dabei jedoch von seinem Ex-Team Red Bull bekommen, das sich im Fürstentum, wo die Motorenleistung sekundär ist, stark verbessert präsentierte.

Red Bull scheint wieder erstarkt, Foto: Sutton
Red Bull scheint wieder erstarkt, Foto: Sutton

"Uns kommt hier natürlich entgegen, dass nicht die Geraden dominieren, sondern es eine klassische Rennstrecke mit vielen Kurvenfolgen ist", erklärte Dr. Helmut Marko im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com. "Es zeigt sich, dass unser Chassis doch top ist." Ob auch die Platzierung im Rennen top sein wird, hängt in Monaco traditionell stark davon wie, wie gut es im Qualifying läuft, Überholmöglichkeiten sind im Straßendschungel bekanntlich rar gesät.

Wer am Sonntag etwas zu Feiern haben will - im Idealfall in der Fürstenloge -, muss also am Samstag die Grundlage dafür legen. Und dieser Samstag dürfte ausgesprochen stressig werden: Superweiche Reifen testen, Longruns absolvieren, Qualifying meistern. Da kommt es wie gerufen, dass der Freitag in Monaco frei ist, um noch einmal frische Kräfte zu sammeln.