Werden die von der Strategy Group gefassten Pläne in die Realität umgesetzt, wird sich die Formel 1 ab 2017 in einem völligen neuen Gewand präsentieren. Durch ein spektakuläreres Auftreten soll es gelingen, die zuletzt in Scharen geflüchteten Fans wieder zurückzugewinnen. Einen entscheidenden Beitrag dazu soll Pirelli leisten, denn so sieht das Arbeitspapier der Strategy Group unter anderem vor, dass die Teams schon ab nächster Saison selbst bestimmen können, welche beiden Reifenmischungen sie an einem Rennwochenende verwenden. Momentan obliegt diese Entscheidung Pirelli.

Mittelweg gesucht

Beim italienischen Reifenfabrikanten kann man sich mit dieser Idee noch nicht so recht anfreunden. "Es könnte Extremsituationen geben, die dazu führen, dass es schlecht für den Sport, für Pirelli und das Team aussieht", warnte Motorsportdirektor Paul Hembery. Theoretisch wäre es künftig beispielsweise möglich, auf der Highspeedstrecke Monza die superweichen Reifen zu wählen, was allerdings ein gehöriges Sicherheitsrisiko darstellen würde.

"Wir müssen einen Mittelweg finden", forderte Hembery deshalb, dem klar ist, dass den Teams ein größerer Handlungsspielraum gefallen würde, um hinsichtlich der Rennstrategie mehr Handlungsspielraum zu haben. In Barcelona klagten zuletzt viele Piloten über die für ihren Geschmack zu harten Reifen, Mercedes brachte sie hingegen zum Arbeiten. Pirelli hat den Teams bereits einen Vorschlag unterbreitet, der beide Seiten zufriedenstellen soll. Details gibt es noch nicht, doch Hembery verriet: "Die ersten Reaktionen sind sehr ermutigend."

Ein weiteres Problem, das es zu lösen gilt, ist logistischer Natur. Pirelli braucht eine Vorlaufzeit von einigen Wochen, um die von den Teams gewünschten Reifen an die Rennstrecken zu transportieren. Gerade zu Saisonbeginn könnte dieser Zeitrahmen zu knapp ausfallen, da sich die Rennställe erst nach den Testfahrten entscheiden werden, mit welchen Mischungen sie die ersten beiden Rennen bestreiten wollen. Doch auch diesbezüglich hofft Hembery auf einen Konsens. "In ein paar Wochen kann ich eine Idee davon geben, was wir vorschlagen", meinte er kryptisch. Nachsatz: "Wir denken, dass es sehr interessant und gut für den Sport sein sollte. Das ist die Hauptsache."

Solche Bilder will man bei Pirelli nicht mehr sehen, Foto: Sutton
Solche Bilder will man bei Pirelli nicht mehr sehen, Foto: Sutton

Auf die Größe kommt es an

Welches Erscheinungsbild die Reifen ab 2017 haben werden, ist ebenfalls noch unklar. Momentan verfügen die Pneus über einen Durchmesser von 13 Zoll, es ist aber auch eine Vergrößerung auf bis zu 19 Zoll möglich. Im Vorjahr absolvierte Pirelli bereits Testfahrten mit 18-Zöllern, zudem kamen zuletzt im Zuge von GP2-Tests in Barcelona 19-Zöller zum Einsatz.

So mächtig die 19-Zoll-Reifen aber auch aussehen mögen, es gibt einen Haken: Beim GP2-Test stellte sich heraus, dass sie 4,5 kg mehr als ihre sechs Zoll kleineren Pendants wogen - vermutlich zu viel für die Formel 1, die auch leichter werden soll. Deshalb kann sich Hembery gut vorstellen, dass alles beim Alten bleibt, was den Durchmesser der Pneus betrifft. "Ich habe das Gefühl, dass wir viel breitere Reifen bekommen werden, aber weiterhin mit 13 Zoll", wagte der Brite einen Blick in die Zukunft.

Ein weiteres Thema, das Pirelli am Herzen liegt, sind Testfahrten während der Saison. "Wir wollen nicht im Februar im kalten Jerez zum ersten Mal dastehen und ein Auto sehen, das fünf oder sechs Sekunden schneller fährt", bezog sich Hembery auf den ab 2017 von der Strategy Group anvisierten Performancesprung. Geht es nach dem italienischen Hersteller, sollen bereits im Jahr davor zwischen Oktober und Dezember erste Tests stattfinden, um Daten zu sammeln.

Pirelli testete bereits 18-Zöller, Foto: Sutton
Pirelli testete bereits 18-Zöller, Foto: Sutton

Kein Reifenkrieg

Noch steht allerdings gar nicht fest, ob Pirelli auch über die Saison 2016 hinaus als Reifenlieferant in der Formel 1 auftreten wird. Ein von der FIA gestarteter Ausschreibungsprozess sieht jedenfalls vor, dass es weiterhin nur einen Hersteller geben wird. Ein Reifenkrieg, wie ihn sich Fernando Alonso wünschen würde, ist damit ausgeschlossen. Zuletzt hatte Michelin Interesse bekundet, in die Formel 1 zurückzukehren, doch viel deutet daraufhin, dass Pirelli erneut den Zuschlag erhalten wird. "Die Ausschreibung sieht einen einzigen Reifenhersteller bis 2019 vor und das spiegelt wider, was die Teams wollen. Sie wollen die Situation beibehalten", betonte Hembery.

In der Tat haben die Rennställe kein Interesse daran, dass sich zwei Hersteller in der Königsklasse duellieren, wie Red-Bull-Teamchef Christian Horner und sein Toro-Rosso-Kollege Franz Tost am Freitag in Monaco unisono klarstellten. "Ich hoffe, es gibt keinen Reifenkrieg, keinen anderen Hersteller", sagte Tost, der daran erinnerte, dass einst Renault von Michelin bevorzugt wurde, während Ferrari von Bridgestone profitierte, wohingegen alle anderen Teams Kunden zweiter Klasse waren. "Das würde bedeuten, wir hätten die Power-Unit-Formel-1 und die Reifen-Formel-1", zeigte der Österreicher auf. "Damit hätten wir das nächste Problemfeld aufgemacht."

Dem konnte Horner nur zustimmen. "Eine Reifenmarke bedeutet Gleichheit für alle Teams", betonte der Brite. "Das war einer der Gründe, warum Red Bull als unabhängiges Team so erfolgreich war. Hätte es einen offenen Wettbewerb mit Reifenherstellern, die sich mit Fahrzeugherstellern verbünden, gegeben, wäre uns das womöglich nicht gelungen."