Neue Rollenmuster bringen häufig auch Chancen mit sich. So beispielsweise beim Fußball, der sich erfolgreich für weibliche Fans geöffnet hat, ohne seine Prinzipien zu verraten. Jackie Stewart findet, dass die Formel 1 dort nachziehen sollte. Ausgerechnet die von den Fans wenig geliebten Rennen in der Golf-Region sieht er dabei als Vorbild an. Auch reiht er sich ein in eine ganze von Kritikern, die bemängeln, dass die Formel 1 zu komplex geworden wäre. Schließlich glaubt der dreifache Weltmeister, dass Bernie Ecclestone zwar viel für die Formel 1 getan habe, aber nicht unersetzbar sei.

"Schaut euch den Fußball an", sagt der 75-Jährige gegenüber Globo Esporte, "heute gibt es fast genauso viele weibliche Fans wie männliche. Wir müssen mehr tun, um Frauen und Kinder anzuziehen." Er begründet die nötige Öffnung mit veränderten Rollenmustern: "In der Vergangenheit hat der Mann viele Stunden in der Woche gearbeitet, kam nach Hause und hat seiner Frau gesagt, dass er zum Fußball geht. Jetzt kann sie sagen, dass sie mit den Kindern mitkommt." Die Formel 1 habe sich darüber noch gar keine Gedanken macht, bemängelte der Schotte. "Aber ich hoffe, dass eine neue Generation von Sponsoren das erkennen wird."

Als Vorreiter bei einer Show für das 21. Jahrhundert sieht er dabei überraschenderweise den Großen Preis von Bahrain an: "Wenn man sich dort hinter die Tribünen begibt, dann gibt es dort Musik und Tanzflächen für die Familie. Man kann arabisch, amerikanisch und indisch essen." So sollte es überall sein - das "Entertainment-Paket" sei in der Formel 1 noch sehr ausbaufähig.

Fan-Zone: Ausgerechnet der von vielen Fans nicht geliebte Bahrain-GP setzt für Stewart Maßstäbe, Foto: Sutton
Fan-Zone: Ausgerechnet der von vielen Fans nicht geliebte Bahrain-GP setzt für Stewart Maßstäbe, Foto: Sutton

Zurück zu weniger komplexen Autos

Das gelte auch für die Autos. Die kritischen Stimmen über die zunehmende Komplexität der Fahrzeuge haben sich über die Zeit stark gemehrt, und auch der 27-fache GP-Sieger reiht sich dort ein. Im Gegensatz zu vielen anderen konnte er sich selbst überzeugen. "Vor zwei Jahren bin ich einen Williams in Goodwood gefahren und habe es nicht genossen", gibt er unverblümt zu. "Natürlich hätte ich mich dran gewöhnt, aber erstmal musste ich die ganzen Buttons am Lenkrad verstehen, und mich dann am Funk vom Teampersonal leiten lassen."

Die Autos schnell zu fahren, halte er nach wie vor für eine Herausforderung, sagte Stewart weiter, doch die Art der Herausforderung sei eine ganz andere, die ihm nicht gefalle: "Ich finde es nicht interessant. Ich mag es, schnelle Autos zu fahren, aber die Formel 1 ist einfach zu komplex." Stewart fuhr in der Formel 1 von 1965 bis 1973 und trat nach seinem letzten Titel mit sofortiger Wirkung zurück, als sein Teamkollege und guter Freund Francois Cevert beim Training zum US-GP ums Leben kam.

Schließlich äußert sich Stewart auch zu Bernie Ecclestone, der sich auch für mehr Show einsetzt, dessen Ideen aber zum Teil heftig kritisiert werden. Stewart hat für den Engländer viel Lob übrig: "Bernie hat mehr für die Formel 1 getan als irgendwer sonst für irgendeinen anderen Sport. Über wen könnte man beispielsweise im Fußball sagen, dass er so viel getan hat? Bernie ist fantastisch - man schaue sich das Fahrerlager an, es ist perfekt. Man schaue sich an, was er finanziell für die F1 getan hat." Allerdings sei er nicht unersetzbar, ein Nachfolger werde gefunden. "Bernie wird vermisst werden, aber er wird ersetzt."