Ferrari ist die Überraschung der Saison. Aber kann Ferrari auch bis zum Schluss um die Weltmeisterschaft kämpfen?
Christian Danner: Ich glaube, dass der Ferrari technisch aufholen kann. Ich glaube aber nicht, dass er den Mercedes überholt. Je nach Bedingung, je nach Asphalt, Temperatur, Strategie, Reifenwahl, Streckencharakteristik und so weiter wechselt das. Es geht immer ein bisschen rauf und runter. Rein strategisch ist Ferrari inzwischen nah genug dran, um Mercedes ärgern zu können und sie zumindest dazu zu zwingen, da vorne nicht ihr eigenes Ding durchziehen zu können: Also Rosberg gegen Hamilton, Hamilton gegen Rosberg. Die Zeiten - und das ist offensichtlich - sind für Mercedes vorbei. Ich glaube, sie können Mercedes das Leben schwer machen.

Strategisch dran zu sein, heißt für Ferrari nicht, dass der eine den anderen vorbeilassen muss und es heißt auch für Mercedes nicht, dass es eine vorbestimmte Nummer eins und Nummer zwei gibt. Aber wenn man einen Gegner unter Druck setzen möchte, kann man so taktieren, dass man eben den einen der beiden auflaufen lässt, damit der andere davon profitiert. In diesem Strategiespiel sind den Strategieabteilungen natürlich wesentlich mehr Möglichkeiten gegeben, wenn man direkt am Gegner dran ist.

Wer setzt denn eher auf einen Fahrer? Mercedes oder Ferrari?
Christian Danner: Ich glaube Mercedes, weil sie im Moment in einer Situation sind, in der sie unter Druck gesetzt werden und deshalb Prioritäten setzten müssen. Und die Priorität lautet ganz klar: Hauptsache ein Mercedes gewinnt. Nicht falsch verstehen: Ich glaube nicht, dass Mercedes jetzt sagt, dass Hamilton die Nummer eins, Rosberg die Nummer zwei ist. Das glaube ich nicht. Ich glaube aber sehr wohl, wenn James Vowles - der bei Mercedes die Strategie macht - während des Rennens entscheiden muss, wie man den Sieg covert und Hamilton vor Rosberg ist, dass man da Rosberg strategisch opfert. Das ist völlig klar. Ein Mercedes-Sieg ist wichtiger, als ein fairer Wettkampf zwischen Hamilton und Rosberg.

Hat Nico Rosberg das in China schon so gemerkt und sich deshalb anschließend so beschwert?
Christian Danner: Nein, ich glaube China war eine Momentaufnahme. Es ist immer so: Das, was sie intern absprechen - ob sinnvoll oder nicht - wissen wir nicht. Ich gehe davon aus, dass Nico das Thema 'langsam fahren an der Spitze' angesprochen hat und das man sich intern darauf geeinigt hat, dass man das nicht macht. Nur: An Lewis' Stelle hätte ich das genauso gemacht. Ich fahr vorne mein Rennen und was hinten passiert, ist mir völlig egal.

Rosberg muss sich auf das Qualifying konzentrieren, Foto: Sutton
Rosberg muss sich auf das Qualifying konzentrieren, Foto: Sutton

Was kann Nico Rosberg machen, um aus diesem Sumpf herauszukommen?
Christian Danner: Alles, was Nico Rosberg an Erklärungen abgibt, wird einhundertprozentig im Sande verlaufen, nicht verstanden oder falsch interpretiert werden. Alles, außer einer Sache: Die Karre auf Pole stellen und das Rennen gewinnen. Das kann er machen. Alles andere? Nein. Wenn es um die Weltmeisterschaft und um seine Reputation geht, ist es das einzige, das funktionieren wird.

Woran liegt es, dass Rosberg in diesem Jahr so schwer in die Gänge kommt? Im Qualifying war es manchmal ja noch recht knapp, aber im Rennen sah es so aus, als hätte Lewis Hamilton auch mit ihm gespielt...
Christian Danner: Hamilton kommt mit dem 2015er Auto so viel besser klar als mit dem 2014er. Im Qualifying glaube ich, dass Hamilton das Vertrauen in das Auto hat, weil das Auto genau das macht, was er gerne hätte. Nico hat ein paar Mal gesagt, die Balance hätte nicht ganz gestimmt, die Reifen wären nicht ganz warm gewesen und, und, und. Was auch immer war, es hat eben nicht ganz gestimmt.

Im Rennen ist das Problem ein anderes: Wenn man vorne wegfährt, hat man einen unglaublichen Vorteil. Man kann sich das Rennen so einteilen, wie man es möchte. Rosberg hatte völlig recht mit dem, was er in China gesagt hat: Wenn er mich immer dazu zwingt, im Windschatten hinterherfahren zu müssen, dann rutsche ich mehr rum und habe ich keine Reserven mehr in den Reifen. Das ist in der Tat so. Lewis fährt vorne weg, hat clean Air, rutscht nicht rum und teilt sich das genau so ein, wie er es gerne hätte. Unterm Strich gibt es nur eins: Pole und ab durch die Mitte.

Danner: Hamilton geht es ums Geld

Hamilton könnte Räikkönens Platz einnehmen, Foto: Sutton
Hamilton könnte Räikkönens Platz einnehmen, Foto: Sutton

Lewis Hamilton hat neben der Strecke einen kleinen Nebenkriegsschauplatz eröffnet. Seine Vertragsverlängerung zieht sich noch immer. Was ist da Sache?
Christian Danner: Das kann ich nur schwer beurteilen. Niki Lauda hat bei uns im TV gesagt, dass Lewis hundertprozentig weiter bei Mercedes fahren wird. Da kann es eigentlich nur um Geld gehen. Wenn ich Hamilton wäre, würde ich auch sagen: "Seht her, ich bin Super-Special, ich will mehr Geld."

Wenn ich Mercedes wäre, würde ich sagen: "Du bist zwar Super-Special, aber wenn du nicht da bist, dann gewinnt eben der Rosberg. Das Auto steht hier im Vordergrund und wenn du gerne McLaren oder etwas anderes fahren möchtest: Viel Glück, mach. Aber gewinnen tust du bei uns. Bei uns gibt es nicht diesen Extra-Bonus, den du dir erträumst."

Und es geht zu 100 Prozent darum. Dass Hamilton mit Ferrari flirtet, ist auch verständlich, das würde ich an seiner Stelle auch machen. Sebastian Vettel ist gesetzt, aber Kimi Räikkönen ist das fürs nächste Jahr nicht. Das ganz offensichtlich zweitbeste Auto im Feld könnte schon attraktiv sein. Vor allem bei Ferrari ist die Geld-Frage nicht unbedingt ein Thema.

Sie haben es angesprochen: Räikkönens Vertrag läuft aus. Was soll Ferrari machen?
Christian Danner: Wenn man mir so eine Frage stellt, dann kann ich nur darauf antworten: Ich muss Ferrari nicht sagen, was sie machen sollen. Speziell deshalb, weil Maurizio Arrivabene seine Karten sehr geschickt spielt: Zuckerbrot und Peitsche. Er sagt dem Räikkönen, er sei nicht zufrieden. Dann fährt er ein Rennen - wie in Bahrain - brillant, dann lobt er ihn, sagt aber gleichzeitig: 'Ja, das war ein Rennen. Du musst aber schauen, dass das nächste noch besser wird'. Das macht der Arrivabene schon richtig. Für Sentimentalitäten ist in dem Geschäft keinen Millimeter Platz.

Ich halte Kimi schlichtweg für großartig und für eine ideale Ergänzung zu Sebastian. Dieses Team deckt das ganze Spektrum der Fahrerpersönlichkeiten ab. Vettel, der bis spät abends mit den Ingenieuren arbeitet und Kimi, der sich auf sein Gefühl und seinen Naturspeed verlässt. Kimi ist einfach ein echter Typ und das ist toll für die Formel 1.

Ein guter Kimi bei Ferrari ist besser, als ein guter Kimi bei Lotus oder Force India. Bei Ferrari merkt es die Weltöffentlichkeit, deshalb sage ich ganz ehrlich: Soll er doch da fahren. Da habe ich keine Bedenken. Hamilton wird schon bei Mercedes bleiben. Niki sagt sowas nicht umsonst.

Hätte Ferrari - abgesehen von der Hamilton-Geschichte - überhaupt eine Alternative zu Kimi Räikkönen? Beim eigene Nachwuchs sieht es eher mau aus, wenn überhaupt gäbe es nur Raffaele Marciello...
Christian Danner: Nein, wenn dann müssten sie in anderen Gewässern fischen. Sie müssten sich einen sichtlich etablierten Formel-1-Fahrer holen, der im Moment nicht im richtigen Auto sitzt. Da gibt es zwei Namen, von denen wir sprechen: Der eine ist Romain Grosjean, der andere ist Nico Hülkenberg.