Nico Rosberg verlor wegen eines Brems-Problems beim Bahrain GP Platz zwei an Kimi Räikkönen. Auch bei Lewis Hamilton gab es Probleme am Brake by Wire. Motorsport-Magazin.com erklärt, was es mit dem sagenumwobenen System auf sich hat.

2013 war die Brems-Welt in der Formel 1 noch in Ordnung. Zumindest halbwegs. Es gab zwei normale Bremskreisläufe, einen für die Vorderachse, einen für die Hinterachse. Das einzige Problem war KERS. Das kinetische Energierückgewinnungssystem rekuperierte an der Hinterachse Energie, die in die Batterie eingespeist wurde.

Vom Prinzip her funktioniert es nach der großen Technikrevolution 2014 noch genauso, allerdings haben sich die Dimensionen geändert. Mit dem alten KERS, das bis 2013 im Einsatz war, durften pro Runde 400 Kilojoule abgegeben werden. Das heißt, dass auf der anderen Seite auch 400 Kilojoule eingespeist werden mussten. Das passierte beim Bremsvorgang.

Aus 400 Kilojoule werden 2 Megajoule

An der Hinterachse schaltete sich ein Generator zu, der kinetische in elektrische Energie umwandelte. Ein starker Dynamo also, der zusätzliche Bremswirkung hatte. Je nach Rekuperationsmodus - ob bei einem Bremsvorgang viel oder wenig Energie eingespeist wurde -, mussten die Piloten die Bremsbalance verstellen. Je mehr Energie eingespeist wurde, desto mehr musste die Bremsbalance nach vorne gestellt werden, damit das Heck nicht überbremst.

So einfach ist es heute nicht mehr. 2 Megajoule dürfen die Autos nach dem neuen Reglement pro Runde an der Hinterachse rekuperieren. Das ist fünfmal so viel wie zuvor. Mit einfachem Bremsbalance verschieben ist es nicht mehr. Inzwischen regelt das ein Steuergerät.

In einem Formel-1-Auto gibt es einen vorderen und einen hinteren Bremskreislauf, Foto: Motorsport-Magazin.com
In einem Formel-1-Auto gibt es einen vorderen und einen hinteren Bremskreislauf, Foto: Motorsport-Magazin.com

Die Vorderachse ist davon gar nicht betroffen. Der Blick geht auf den hinteren Bremskreislauf. Dort wird die Bremskraft zunächst in ein elektrisches Signal umgewandelt - deshalb der Name Brake by Wire. Das Signal geht an die Steuerelektronik, die genau weiß, wie viel Energie beim nächsten Bremsvorgang von der MGU-K - dem KERS-Pendant - rekuperiert werden muss.

Weil das Steuergerät durch das elektrische Signal auch weiß, welche Bremskraft der Fahrer gerade anfordert, kann es die Differenz zwischen angeforderter Bremskraft und der Bremskraft, welche durch die MGU-K erzeugt wird, berechnen. Die Information über die Differenz wird an einen Stellmotor weitergegeben, der genau die Differenz über die Bremsen an der Hinterachse ausgleicht.

Die Bremsbalance ist von der ganzen Aktion nicht betroffen. Die Balance wird nämlich vor dem hinteren Hauptbremszylinder eingestellt, das elektrische Signal wird erst danach abgenommen. Die Bremsbalance ist also nicht unbedingt das Problem, nur die Steuerung an sich kann - wenn nicht ganz ausgereift - für den Fahrer ein künstliches Bremsgefühl ergeben.

Der Notfall-Bypass verhindert, dass die Bremsleistung plötzlich absackt, Foto: Motorsport-Magazin.com
Der Notfall-Bypass verhindert, dass die Bremsleistung plötzlich absackt, Foto: Motorsport-Magazin.com

Doch was passiert, wenn die Elektronik versagt? Dafür gibt es einen Notfall-Bypass. Das Signal wird dann gar nicht erst umgewandelt. Die Hydraulikflüssigkeit geht dann den herkömmlichen Weg Richtung Bremssattel und drückt dort die Bremsbeläge gegen die Bremsscheibe.

Die Meldung kommt erst, wenn es schon zu spät ist, Foto: Sutton
Die Meldung kommt erst, wenn es schon zu spät ist, Foto: Sutton

Das Problem: Die Bremsbalance stimmt überhaupt nicht mehr und ändert sich von Kurve zu Kurve, weil nicht immer gleich viel Energie rekuperiert wird. Außerdem hat der Pilot das Gefühl, als würde das Bremspedal durchfallen, weil der Pedalweg deutlich länger wird. Genau darüber klagte Nico Rosberg beim Bahrain GP. Das passiert ohne große Vorwarnung für den Fahrer. Erst in dem Moment, in dem es passiert, leuchtet eine Diode auf dem Lenkrad auf.

Fällt die MGU-K sogar gänzlich aus, gibt es noch gravierendere Probleme. Das Problem hatte Mercedes beim Kanada GP 2014. Weil die Bremswirkung der MGU-K komplett wegfällt, müssen die hinteren Bremsen mehr Energie aufnehmen. Dafür sind sie aber nicht ausgelegt und sind deshalb unterdimensioniert. Entweder die Bremsen überhitzen, oder aber der Fahrer stellt die Bremsbalance extrem nach vorne. Dann stimmt zwar die Balance nicht mehr, dafür werden aber die Hinterradbremsen nicht mehr so stark beansprucht und können - wie bei Nico Rosberg - über die Distanz gebracht werden.