Bahrain gilt nicht unbedingt als jener Ort im Formel-1-Kalender, der bei Freunden spannender Rennen hoch im Kurs steht. Bereits mehrfach war der Sakhir International Circuit Schauplatz langweiliger Prozessionen, die nicht den Weg in die Geschichtsbücher der Königsklasse fanden. Ob dies auf den Grand Prix der Ausgabe 2015 zutreffen wird, sei im Vorfeld dahingestellt, doch die Ausgangslage verspricht einen Thriller unter Flutlicht.

Vettel sprengt das Mercedes-Duo

Lewis Hamilton ließ es sich im Qualifying erwartungsgemäß nicht nehmen, seinen Silberpfeil auf die Pole Position zu lenken - es war bereits seine vierte Samstagsbestzeit in dieser Saison. Dahinter allerdings die (vermeintlich) große Überraschung: Nicht Nico Rosberg komplettierte die erste Startreihe für Mercedes, sondern Sebastian Vettel gelang es, sich zwischen die beiden weltmeisterlichen Boliden zu schieben, und Rosberg in die zweite Reihe zu verdrängen, von wo aus er gemeinsam mit Kimi Räikkönen starten wird.

In Malaysia stach Vettel Mercedes aus, Foto: Sutton
In Malaysia stach Vettel Mercedes aus, Foto: Sutton

Dieselbe Ausgangslage gab es auch bereits vor drei Wochen in Malaysia: Hamilton startete vor Vettel und Rosberg ins Rennen. Wie der Grand Prix ausging, ist hinreichend bekannt. Vettel ließ die Silberpfeile hinter sich und feierte in seinem zweiten Rennen den ersten Sieg für Ferrari. Die große Frage lautet daher: Wird Bahrain zu Malaysia?

"Ich denke, wir sind flott unterwegs. Das war heute ein großer Schritt für uns, hoffentlich gelingt mir ein guter Start morgen und ein gutes Rennen", meinte Vettel nach dem Qualifying verschmitzt. In der Tat hat der Deutsche allen Grund, optimistisch zu sein, denn wie in Sepang ist die Streckentemperatur in Sakhir relativ hoch, was hinsichtlich des Reifenverschleißes Ferrari mehr als Mercedes in die Karten spielen könnte.

Was machen die Reifen?

In Malaysia gelang es Vettel mit einem Stopp weniger als die Mercedes-Piloten durch den Grand Prix zu kommen, was sich schlussendlich als Schlüssel zum Sieg erwies. Im Lager der Silberpfeile setzte man in den letzten Wochen daher alles daran, dieses Defizit wettzumachen, was in einem veränderten Setup gipfelte, das allerdings noch nicht getestet werden konnte. "Wir werden alles unternehmen, um die Reifen so lange wie möglich haltbar zu machen", versicherte Hamilton mit Blick auf das schwarze Gold.

Der bevorzugte Pneu wird im Rennen die weiche Mischung sein, von der jeder Top-Pilot noch einen frischen Satz hat. Rosberg verfügt dabei womöglich über einen minimalen Vorteil, da er in Q2 mit jenem Satz, der beim Start zum Einsatz kommen wird, davon absah, ans absolute Limit zu gehen. Rennentscheidend sollte dies aber nicht sein, musste auch der Deutsche zugeben. Aus dem Pirelli-Lager, das fest mit einem Zwei-Stopp-Rennen rechnet, heißt es: "Es wird darum gehen, wer am wenigsten auf den Medium-Reifen fahren muss."

Es bleibt abzuwarten, ob Ferrari erneut einen Vorteil in puncto Reifenverschleiß hat und die schnelleren weichen Pneus etwas länger als Mercedes fahren kann. "Es ist ein ähnlicher Belag wie in Malaysia und das liegt den Ferraris offensichtlich", kann sich Red Bulls Motorsportberater Dr. Helmut Marko, der den Kampf um die Spitze unbeteiligt aus Ferne beobachtet, das jedenfalls durchaus vorstellen.

Starker Longrun von Ferrari

Zu beobachten war am Freitag auch, dass Vettel und Räikkönen bärenstarke Longrunzeiten in den Asphalt brannten und deutlich schneller als die Mercedes-Piloten unterwegs waren. Zwar dürfte die tatsächliche Differenz zwischen Rot und Silber ob der unterschiedlichen Spritmengen und dem Alter der Reifen nicht ganz so groß wie auf dem Papier sein, dennoch untermauerte die Scuderia den Eindruck, dass sie sich unter Bedingungen, wie sie in Bahrain vorherrschen, pudelwohl fühlt.

"Sie werden morgen nur schwer zu schlagen sein. Denn sie haben eine super Rennpace", musste auch Hamilton anerkennend konstatieren. Und Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff hielt fest: "Ferrari hat auf den Longruns sehr stark ausgeschaut. Die Tage, als wir einen soliden Vorsprung hatten und es nur zwischen unseren Fahrern ging, sind vorbei. Wir haben nun auf allen Strecken und bei allen Bedingungen einen ernsthaften Gegner."

Neben dem Reifenverschleiß und dem möglichen Sandsturm, zu dem es aber aller Voraussicht nicht kommen wird, ist die Motorenpower ein weiterer entscheidender Faktor in Bahrain. Die Strecke verfügt über vier lange Geraden, weshalb Leistung Trumpf ist. Im Vorjahr musste das Ferrari bitterlich am eignen Leib spüren, doch mittlerweile wurde das Defizit beinahe vollständig wettgemacht. "Die Motorenleute und unser Team haben einen guten Job gemacht", stellte Räikkönen zufrieden fest.

Hamilton startet von der Pole, Foto: Sutton
Hamilton startet von der Pole, Foto: Sutton

Das spiegelt sich auch in den Top-Speed-Werten wider. Im Qualifying brachten es Hamilton und Rosberg auf jeweils 333 km/h, während Räikkönen und Vettel mit 330 respektive 328 km/h nur knapp dahinter lagen. Ein Überholmanöver in einer der beiden DRS-Zonen scheint somit möglich, sofern der Heckflügel flachgestellt werden darf. Für Ferrari ein entscheidender Faktor, sollte es nicht gelingen, Mercedes über die Strategie auszubremsen.

Fazit: Egal, wie man es dreht und wendet, der Große Preis von Bahrain könnte zu einem absoluten Leckerbissen avancieren. Mercedes und Ferrari bewegen sich nahezu auf Augenhöhe, was bedeutet, dass vier Piloten die realistische Chance auf den Sieg haben. Wer schlussendlich die Nase vorne haben wird, ist kaum vorherzusagen, es liegen nur Nuancen zwischen den Kontrahenten. Aufgrund seines beeindruckenden Laufs und des damit einhergehenden Selbstvertrauens ist vielleicht Lewis Hamilton noch am ehesten zu favorisieren, zumal er den Vorteil hat, von der Pole ins Rennen zu gehen.