Es ist ja durchaus ein wenig klischeebehaftet, dass sich die heißblütigen Italiener von Ferrari bei der größtmöglichen Hitze am wohlsten fühlen, während Mercedes, das im kühlen England beheimatet ist, seine Stärken eher dann ausspielen kann, wenn das Thermometer moderate Temperaturen anzeigt. Doch genau so war es in der bisherigen Saison. Sebastian Vettel gelang in der brütenden Schwüle Malaysias der Sieg, wohingegen die Silberpfeile in Australien und China unter kühleren Bedingungen die Nase vorne hatten.

Die äußeren Verhältnisse sprechen beim vierten Formel-1-Saisonlauf wieder für Ferrari. Zwar findet das Rennen in Bahrain am Abend stattet und wird erst nach Sonnenuntergang beendet, dennoch brennt der Asphalt in der Wüste. Im zweiten Freien Training am Freitag gab es bereits einen kleinen Vorgeschmack darauf, was uns am Sonntag erwarten könnte. Motorsport-Magazin.com analysiert die Longrun-Zeiten und versucht die Frage zu beantworten: Rot oder Silber?

Wie groß ist der Reifenverschleiß?, Foto: Sutton
Wie groß ist der Reifenverschleiß?, Foto: Sutton

Weiche Reifen bevorzugt

Pirelli liefert die Medium- und Soft-Reifen nach Bahrain. Zwischen den beiden Mischungen liegen laut Angaben des italienischen Fabrikanten bis zu zwei Sekunden, allerdings verringert sich der Unterschied, je mehr Grip die Strecke aufbaut, nicht zuletzt durch die Rahmenrennserien. Wird hingegen Sand auf die Strecke geweht, wie es am Samstag und Sonntag der Fall sein könnte, tritt der gegenteilige Effekt ein.

Hamilton und Rosberg absolvierten parallel Longruns mit den unterschiedlichen Reifenmischungen, was einen guten Vergleich erlaubt. Deutlich geht aus dem Diagramm hervor, dass die zeitliche Differenz zwischen den Mischungen wesentlich geringer als jene zwei Sekunden war, die von Pirelli angenommen wurden, zudem stiegen die Zeiten nur geringfügig an. Zwischen Rosbergs zweiter Runde (1:39.453) auf den weichen Reifen und seinem 15. Umlauf (1:41.028), der das Ende seines Longruns darstellte, lagen lediglich anderthalb Sekunden - kein übermäßig großes Plus.

Erklärt werden kann dies mit dem Umstand, dass die Reifen zwar Verschleißerscheinungen zeigten, die Autos aber gleichzeitig leichter wurden und die Strecke abkühlte, was sich positiv auf die Performance auswirkte und einen Ausgleich darstellte. "Wir haben gesehen, dass der weiche Reifen der Schlüssel im Rennen sein wird", hielt Pirelli-Motorsportdirektor Paul Hembery fest, der mit einem Zwei-Stopp-Rennen rechnet. "Es wird darum gehen, wer am wenigsten auf den Medium-Reifen fahren muss."

Vettel sorgt für Staunen

Für viel Aufsehen sorgte Sebastian Vettels Soft-Longrun. Der Ferrari-Pilot blieb deutlich unter Rosbergs Zeiten und legte eine beeindruckende Konstanz an den Tag. Acht Runden lang blieb Vettel unter der magischen Marke von 1:40 Minuten, wobei drei dieser Umläufe nur wenige Hundertstel voneinander abwichen. "Alles in allem fühlt sich das Auto gut an", strahlte der Heppenheimer selbstbewusst, der durchaus ein Auge auf den Siegerpokal geworfen hat. "Das ist immer möglich."

Nur geringfügig langsamer als Vettel, aber noch immer schneller als Rosberg, war Kimi Räikkönen im zweiten Ferrari. Dennoch gab sich der Finne skeptisch. "Ich weiß nicht, ob wir Mercedes herausfordern können", rätselte der Iceman. "Morgen ist ein neuer Tag. Die Bedingungen können sich ändern und das spielt hier eine große Rolle. Schauen wir also mal."

Im Lager von Mercedes sorgten die atemberaubenden Ferrari-Zeiten naturgemäß für Sorgenfalten. Rosberg nahm sich dabei kein Blatt vor den Mund und gab ganz offen zu: "Die Erkenntnis ist, dass die Ferraris wirklich sauschnell sind, da müssen wir echt aufpassen." Und Hamilton fügte hinzu: "Sie sehen auf den Longruns sehr gut aus."

Mercedes fuhr mit älteren Reifen, Foto: Sutton
Mercedes fuhr mit älteren Reifen, Foto: Sutton

Betrachtet man die nackten Zahlen, geht Ferrari als turmhoher Favorit ins Rennen. Bei genauerer Betrachtung relativiert sich der Unterschied zwischen der Scuderia und den Silberpfeilen jedoch.

Zum einen dürften Vettel und Räikkönen mit verhältnismäßig wenig Sprit unterwegs gewesen sein, und zum anderen hatten die Reifen der Mercedes-Piloten deutlich mehr Runden auf dem Buckel, als jene Pneus, die Ferrari zum Einsatz brachte. Nicht zuletzt deshalb meinte Vettel wohl: "Es scheint, dass alle ein bisschen näher dran sind an Mercedes. Aber vielleicht hat Mercedes noch nicht alles gezeigt."

Williams und Red Bull zurück

Egal ob Bluff oder nicht, bricht in Sakhir nicht das große Chaos aus - etwa durch den drohenden Sandsturm -, wird entweder Ferrari oder Mercedes den Sieger des Wüstenrennens stellen. Nach den Zeiten vom Freitag ist nämlich nicht davon auszugehen, dass ein anderes Team in der Lage sein wird, an der Spitze mitzumischen.

Sowohl Red-Bull-Pilot Daniel Ricciardo als auch Williams-Fahrer Valtteri Bottas blieben bei ihren Longruns mit den weichen Reifen deutlich über den Zeiten von Vettel, Räikkönen und Rosberg. Immerhin dürfte der Kampf und den Titel 'Best of the rest' eng und damit spannend werden, denn die beide Teams agierten auf demselben Niveau.

Fazit: Rot oder Silber? Die eingangs gestellte Frage lässt sich nicht eindeutig beantworten, zu viele unklare Variable befinden sich in der Gleichung. Wie leicht waren die Ferraris wirklich, wie groß war der Einfluss der älteren Mercedes-Reifen? So eklatant, wie sich der Unterschied am Papier darstellt, dürfte er jedenfalls nicht sein, es könnte im Rennen durchaus zu einem Duell auf Augenhöhe kommen. Was das Qualifying betrifft, ist die Ausgangslage hingegen klar: Alles andere als eine reine erste Startreihe für Mercedes käme äußerst überraschend.