In China war wie von Experten erwartet das Pendel wieder in Richtung Mercedes ausgeschlagen: Langgezogene Kurven und das kühle Klima in Shanghai brachten die Silberpfeile wieder deutlich in Front. Nun werden in Bahrain die Vorzeichen wieder umgedreht: Dass es heiß wird, ist in der Wüste klar, wenn auch beim GP wegen der Startzeit nur eingeschränkt. Hinzu kommt eine Streckencharakteristik, die viel Leistung verlangt, wovon Ferrari einiges hat: Gleich vier Geraden wechseln sich mit fünf Ecken ab, die im ersten oder zweiten Gang gefahren werden; dem gegenüber gibt es nur zwei schnelle und drei mittelschnelle Kurven. Beschleunigung und Traktion zählen auf dem Bahrain International Circuit.

Die Vorteile beim Reifenmanagement dürften Ferrari hier ganz besonders in die Karten spielen: Bahrain gilt wegen der vielen engen Kurven, aus denen es heraus zu beschleunigen gilt, als Hinterreifenfresser. In den Beschleunigungszonen ist die longitudinale Belastung für die hinteren Pneus enorm. Beim Hochbeschleunigen aus Turn 4 und 8 geht es zudem leicht bergauf, was die Belastung noch einmal vergrößert. Der Verschleiß der Hinterreifen war bislang das Problem von Mercedes. Und Bahrain hat einen extrem rauen Asphalt, so rau wie keine andere Strecke im Kalender.

Ende der Freundschaft: Letztes Jahr lieferten sich Hamilton und Rosberg einen packenden Kampf, Foto: Sutton
Ende der Freundschaft: Letztes Jahr lieferten sich Hamilton und Rosberg einen packenden Kampf, Foto: Sutton

Dunkelheit als Mercedes-Faktor

Zum Glück für die Silberpfeile findet das Rennen abends statt. Da der Asphalt nicht der direkten Sonneneinstrahlung ausgesetzt ist, sind die Bodentemperaturen eher gemäßigt - im Vorjahr lagen sie unter 30 Grad, was eher auf China- denn auf Malaysia-Niveau entspricht. Die Lufttemperatur jedoch wird deutlich höher liegen als in Shanghai - Vorteil Ferrari, weil deren Power Unit weniger Kühlbedarf bei hohen Außentemperaturen hat als diejenige von Mercedes-Benz. Am Abend fallen die Temperaturen in der Regel nicht unter 25 Grad.

Trotzdem sollte sich Ferrari nicht auf eine Mercedes-Schwäche verlassen. In Brackley werden umfassende Untersuchungen nach Malaysia eingeleitet worden sein, was die Reifennutzung betrifft. Davon war in China aber noch nicht viel zu spüren - Hamilton und Rosberg fuhren über weite Strecken extra vorsichtig - so vorsichtig, dass Rosberg sich sogar beschwert hatte. Doch eine Woche Datenauswertung kann durchaus einen Unterschied machen. Und ein Safety Car, um Ferrari zu helfen, ist eher unwahrscheinlich: Nur 2007 und 2014 musste Bernd Mayländer in Bahrain bislang ausrücken.

Ein Lotus am Horizont: Kann Romain Grosjean Williams diesmal attackieren?, Foto: Sutton
Ein Lotus am Horizont: Kann Romain Grosjean Williams diesmal attackieren?, Foto: Sutton

Im Mittelfeld ist alles möglich

Mercedes und Ferrari sind momentan in einer eigenen Welt, dahinter zeigt sich ein eng gestaffeltes Mittelfeld: Williams hat sich in China wieder als dritte Kraft etabliert, doch in Bahrain wird auch Sauber wieder eine große Rolle spielen, schließlich arbeitet hier ebenfalls eine Power Unit von Ferrari im Heck. Und Lotus kommt langsam in Fahrt: Romain Grosjean konnte sich in Shanghai eindrucksvoll in den Top-10 halten und hatte nicht einmal zehn Sekunden Rückstand auf die Williams.

Macht McLaren weiter Fortschritte?, Foto: Sutton
Macht McLaren weiter Fortschritte?, Foto: Sutton

Die Red-Bull-Teams werden eher zu leiden haben: Neben dem PS-Manko ist es vor allem schlechte Fahrbarkeit des Renault-Aggregats, das Red Bull und Toro Rosso zu schaffen machen wird. Nach wie vor tobt der Kampf um die markeninterne Vorherrschaft. Franz Tosts "Kindergarten" war zuletzt sehr aufmüpfig. Dennoch schwebt über der Haltbarkeit ein Fragezeichen. Und schließlich stellt sich die Frage: Macht McLaren-Honda wieder Fortschritte? Warme Temperaturen sollen McLaren entgegenkommen, glaubt Jenson Button. Andererseits wirkt sich das PS-Manko hier aber sehr deutlich aus.

Das gilt natürlich auch für Manor-Marussia. Mit der 2014er-Power-Unit wird die 107-Prozent-Marke wieder der härteste Gegner werden. In China haben beide Fahrer sie geknackt, doch wie wird es auf der powerlastigen Strecke auf der arabischen Halbinsel aussehen? Von vorne bis hinten gibt es also viele offene Fragen zu klären, man darf gespannt sein.