1. S wie Startphase

Wie so oft ist auch in China der Start die beste Möglichkeit, Plätze gutzumachen. Die Taktiken dafür sind vielfältig: In Turn 1 versuchen außen gegenzuhalten um später innen zu sein? Das birgt die Gefahr, dass man von der Strecke gedrängt wird. In der ersten Kurve innen zu sein ist in der Regel die angenehmere Spur: Zunächst bietet die recht Spur die Innenbahn für das Schneckenhaus mit zwei Scheitelpunkten, anschließend ergibt sich die Möglichkeit, in der Linkskurve außen herum gegenzuhalten, was dort möglich ist. Da man auf dieser Linie früher aufs Gas gehen kann, ist die rechte Spur auch für die nächste Gerade vorteilhaft, für die Spitzkehre Turn 6 wäre man wiederum innen.

Allerdings besteht die Gefahr eines Rückstaus auf der rechten Bahn, wenn der Ziehharmonika-Effekt das Feld im Schneckenhaus zusammenbremst. Die Versuchung der langen Außenbahn ist durchaus gegeben; es wäre nicht das erste Mal, dass außen herum Plätze gutgemacht werden, wenn sich das Feld auf der Innenbahn drängelt. Wenn es zu Beginn der Runde nicht klappt, gilt es , in den langgezogenen Kurven des Mittelsektors dranzubleiben, denn die lange Gerade bietet auch ohne DRS in der ersten Runde gute Überholmöglichkeiten. Unfallschwerpunkt: Die Spitzkehre.

2. S wie Strategie

Der eklatante Unterschied zwischen den beiden Reifenmischungen sorgt dafür, dass mit vielen Boxenstopps zu rechnen ist. Obwohl der mittelhart Reifen als "Prime" gekennzeichnet ist, wird der wirkliche Prime der weiche Reifen sein - zu groß ist der Performance-Vorteil. Ideal wäre eine Dreistopp-Strategie mit einer minimalen Zeit auf dem harten Reifen. Jedoch besteht bei drei Stopps die Gefahr, dass man in den Verkehr gerät. Gerade reifenschonende Teams können versuchen, auf zwei Stopps zu gehen. Ferrari könnte also die Taktik aus Sepang wieder versuchen.

Die Anzahl der Boxenstopps könnte entscheidend werden, Foto: Sutton
Die Anzahl der Boxenstopps könnte entscheidend werden, Foto: Sutton

Da Shanghai mit seinen riesigen Auslaufzonen wenig anfällig für SC-Phasen ist, lohnt es sich, den harten Reifen bis in den letzten Stint hinaus zu schieben. Wer mit dem weichen Reifen am besten umgeht, kann die meisten Runden mit ihm fahren - bei einem Performancevorteil von über einer Sekunde. Der Lebenszyklus eines Reifensatzes wird auf dieser Strecke über den linken Vorderreifen definiert (s. Punkt 4).

3. S wie Sonntagswetter

Wenig Hoffnung für die Teams des hinteren Feldes: Mit Regen wird im Rennen nicht zu rechnen sein. Prognostiziert sind rund 20 Grad Lufttemperatur, womit es in Shanghai ein wenig wärmer ist als in den Vorjahren. Das ist gut für die Fahrer, da die Reifen dadurch nicht zum Körnen neigen. Pünktlich zum Rennstart werden einige Windböen aus nördlicher Richtung erwartet, was den Boliden einen schönen Rückenwind auf der langen Geraden bescheren würde.

4. S wie Shanghai International Circuit

Die mittlerweile schon über zehn Jahre alte Anlage entspricht weiterhin den modernsten Sicherheitsanforderungen mit allen positiven und negativen Begleiterscheinungen. Der Prestigebau, der an das chinesische Schriftzeichen "Shang" erinnert, stellt insbesondere an den linken Vorderreifen enorme Aufgaben, da in der Schneckenhauskurve Turn 1+2, der Rechtskurve Turn 8 und dem Eingang auf die Gegengerade Turn 13 enorme Kräfte auf diesen wirken. Das Herausbeschleunigen aus den beiden Spitzkehren Turn 6 und 14, dem Ende des Schneckenhauses (Turn 3) und auf die Gegengerade (Turn 12) fordert zudem den Hinterreifen einiges ab.

Der Eingang ins Schneckenhaus: Rad-an-Rad-Duelle können sich bis Turn 6 ziehen, Foto: Sutton
Der Eingang ins Schneckenhaus: Rad-an-Rad-Duelle können sich bis Turn 6 ziehen, Foto: Sutton

Das fahrerische Highlight des Kurses ist einerseits die Schneckenkurve, zum anderen aber auch das Umsetzen des Fahrzeugs zwischen der langgezogenen Linkskurve Turn 7 und dem bereits thematisierten Turn 8. Eine fiese Kurve findet sich außerdem am Ende der Runde in Turn 16; die Zieleingangskurve ist bereits so manchem zum Verhängnis geworden: Wer innen zu sehr über den Kerb fährt, könnte sich nach innen eindrehen, wer zu schnell ist, riskiert einen Ausflug in die Asphaltauslaufzone, was Zeit kostet.

5. S wie Spannung

Nur vier Hundertstelsekunden trennten Lewis Hamilton und Nico Rosberg im Qualifiying. Sollte es Rosberg gelingen, beim Start nicht hinter ein weiteres Fahrzeug zurückzufallen, steht einem weiteren Duell wie in Melbourne nichts im Wege - mit wesentlich besseren Überholmöglichkeiten! In Shanghai gibt es mehrere Möglichkeiten, den Gegner zu überrumpeln: Klassisch am Ende der langen Geraden, alternativ auch mit einem Bremsmanöver vor der Spitzkehre Turn 6. Oder man versucht es ganz raffiniert, sich den Gegner im Schneckenhaus zurechtzulegen. Im Zweifelsfall ist man besser erst innen, dann außen (s. Punkt 1).

6. S wie Silberpfeil-Jagd

Sebastian Vettel fehlte im China-Qualifing etwas mehr als in Malaysia, Foto: Ferrari
Sebastian Vettel fehlte im China-Qualifing etwas mehr als in Malaysia, Foto: Ferrari

Natürlich werden sich viele Vettel-Fans fragen, ob ihr Idol auch in China eine Rolle spielen wird. In den Longruns sah er am Freitag stark aus, zudem brachen dort bei Mercedes die weichen Reifen schon nach etwa zehn Runden ein. Doch mittlerweile liegt mehr Gummi auf dem Asphalt und Mercedes wird die richtigen Schritte aus der Datenanalyse gezogen haben. Auf eine Runde war der Abstand von Ferrari im Qualifying auch überraschend groß. Ein weiterer Ferrari-Sieg ist also unwahrscheinlich, aber bei den offenen Strategie-Möglichkeiten bei weitem nicht unmöglich.

7. S wie Statistik

Rein statistisch gesehen heißt der Favorit Lewis Hamilton. In den vergangenen fünf Jahren fuhr der Engländer immer aufs Podest; das letzte Mal ließ er 2009 im Regen aus. Trotzdem wird er an die Strecke gemischte Erinnerungen haben, versenkte er hier schleißlich den möglichen Titel 2007 ebenfalls im Regen im Kiesbett an der Boxeneinfahrt, das erst heuer asphaltiert worden ist. Wenn es trocken ist, ist Hamilton jedoch eine Macht: Er gewann 2008, 2011 und 2014. Auch Nico Rosberg hat eine gute Bilanz: 2010 gelang ihm das erste Podium für Mercedes, zwei Jahre später der erste Sieg des nun dominierenden Werksteams.