Als sich Bob Fernley vor rund einer Woche zum Thema Windtunnel in der Formel 1 äußerte, konnte der stellvertretende Teamchef von Force India nur ahnen, welche Debatte er damit auslösen würde. Doch das Statement Fernleys fiel deutlich aus. Die Formel 1 müsse immer den neuesten technologischen Stand bieten und die Arbeit mit der "Dinosaurier-Technologie" des Windtunnels durch revolutionärere Technik ersetzt werden, erklärte Fernley. Nur so würde die Königsklasse ihrer Vorreiterrolle gerecht.

Angesprochen darauf, brandete in der Teamchef-Pressekonferenz zum Großen Preis von China eine Diskussion herauf: Auf der einen Seite ein regelrechter Sturm der Entrüstung, angeführt von Williams-Technikdirektor Pat Symonds. Auf der anderen Seite ein Grüppchen mehr oder weniger geschulter Diplomaten aus dem Red-Bull-Lager.

Williams: Windtunnel sind absolut fortschrittliche Technik!

"Ich halte das für ein total lächlich provokatives Statement", legte Symonds los. "Unsere Windtunnel sind alles andere als Dinosauerier. Nur, weil es eine Technologie seit einer gewissen Zeit gibt, bedeutet das nicht, dass es zu diesen Urzeitreptilen gehört. Auch Autos gibt es schon eine lange Zeit. Sind Autos Dinosaurier-Technik? Vielleicht sollte Bob mal vorbeikommen und sich einen wirklich guten Windtunnel ansehen und zu erkennen wie fortschrittlich sie sind", stichelte der Williams-Technikchef in Richtung Force India, das sich zuletzt selbst immerhin im hochgelobten Toyota-Windkanal in Köln eingenistet hatte.

Die stellvertretende Williams-Teamchefin Claire Williams hatte sich bereits vor einige Wochen klar positioniert: "Als ein Team, das groß in Windkanäle investiert hat, würden wir einen Bann nicht unterstützen."

Im Windkanal lassen sich unter Laborbedingungen feinste Verbesserungen erzielen, Foto: BMW
Im Windkanal lassen sich unter Laborbedingungen feinste Verbesserungen erzielen, Foto: BMW

Force India: Wollten Debatte nur mal anstoßen

Symonds Pendant aufseiten Force Indias mühte sich zu beschwichtigen. "Ich denke Bob wollte einfach nur versuchen eine Debatte auszulösen. Und das hat er offensichtlich geschafft", versicherte Andrew Green. "Es ist für mich schwierig mehr zu dem hinzuzufügen, was Paul bemerkt hat, also dass wir immer unsere Arbeit innerhalb der aktuell vorgegebenen Regularien erledigen. Wenn das eine auf CFD basierte Entwicklung bedeutet, dann arbeiten wir auch damit", ergänzte Green.

Red Bull: Wir können uns an alles anpassen

Zuvor hatte sich Red Bulls Chefingenieur Paul Monaghan dahingehend geäußert, mit den aktuell vorherrschenden Arbeitsprozessen sei man absolut abhängig von der Arbeit im Windtunnel. "Falls sich dieses Format jedoch ändern sollte und es den Windtunnel als Werkzeug nicht mehr geben sollte, werden wir einen Weg finden, um in diesem neuen Umfeld zu arbeiten. Wenn Regeländerungen kommen, dann passen wir uns eben an und lernen damit zu arbeiten", ergänzte Monaghan diplomatisch.

Toro Rosso: Windtunnel und CFD ergänzen sich ideal

James Key, Technik-Direkor beim Schwesterteam Toro Rosso, stimmte im gleichen Tonfall zu: "Paul liegt richtig. Wenn du es musst, passt du dich eben entsprechend an." Anders als Monaghan verteidigte Key das Windkanal-Konzept jedoch ein wenig. "Windtunnel sind immer noch dabei sich zu entwickeln, sie sind nicht statisch. Es gibt neue Methoden, neue Wege Dinge zu messen und neue Ideen, um noch mehr aus ihnen herauszuholen", widersprach Key den Aussagen Bob Fernleys.

CFD-Arbeit und Windtunnel-Arbeit würden sich aktuell doch ganz hervorragend ergänzen. "Es gibt Dinge, die du im CFD machen kannst, aber nicht im Windtunnel und andersherum", rechtfertigte Key seine Position. "Jetzt einfach eine dieser Komponenten zu isolieren wäre für jedes Team - wenn du es gleich morgen machen müsstest - eine ziemlich komplizierte Angelegenheit, also stimme ich nicht mit Bobs Ansicht überein."

Ferrari: Technik ist nach allen Maßstäben beeidruckend

Bleibt von den Anwesenden der PK nur noch Ferrari. Der Technikdirektor der Scuderia schloss sich dem Widerspruch seiner Amtskollegen an. "Wenn jemand kommen würde und sich bei einem der Teams umsehen würde, denke ich nicht, dass er die Aerodynamik-Abteilung - die eine Mischung aus CFD und Windtunnel ist - in irgendeiner Weise für nicht fortschlich halten würde", sagte James Allison.

"Wie Pat bereits sagte, sind die Techniken, die wir in jedem dieser Bereiche entwickeln nach allen Maßstäben beeindruckend. Ich denke es ist genau die richtige Kombination aus Werkzeugen wie es sie heutzutage gibt", ergänzte der Technik-Chef. Zudem habe die Formel 1 durch ihr Engagement für diese Technologien auch anderen Bereichen weitergeholfen, sagte Allison in Hinblick auf die Entwicklungsmöglichkeiten für Straßenfahrzeuge. Man müsse sich keine Sorgen machen eine Dinosauerier-Technologie einzusetzen.

Foto: Mercedes-Benz
Foto: Mercedes-Benz

Ähnlich argumentierte kürlich Mercedes-Motorsport-Chef Toto Wolff: "Das ist hier keine Monomarque-Series wie IndyCar. Das ist die Spitze des Motorsports." Und zu dieser gehörten eben auch Windkanäle. "Die sind state-of-the-art in der Infrastruktur für Straßenwagen und auch seit längerer Zeit in der Formel 1."