Die Programmplaner von RTL müssen umdenken. Eigentlich hätte am 19. Juli um 14:00 der Große Preis von Deutschland beim Kölner Privatsender laufen sollen, doch nach der Absage des Rennens muss ein Ersatzprogramm gefunden werden. "Im Motorsport-Kernmarkt Deutschland findet in der Königsdisziplin Formel 1 kein Rennen statt. Das ist enttäuschend und schwer nachzuvollziehen", schüttelte Sportchef Manfred Loppe im Gespräch mit der Welt über die Entscheidung den Kopf. Schadensersatz, weil ein Rennen weniger als ursprünglich vereinbart stattfindet, werde RTL aber nicht fordern, hielt Loppe fest.

RTL verzeichnete im Vorjahr bei den 19 Rennen durchschnittlich 4,36 Millionen Zuschauer, was ein nahezu historischer Negativwert war, denn zum ersten Mal seit 1994 fiel man unter die magische Marke von fünf Millionen Zuschauern. "In den vergangenen zwölf Monaten hat sich die Formel 1 nicht immer einheitlich präsentiert. Das Bild war geprägt von immer wiederkehrenden Diskussionen zum Thema Regelwerk, von Nörgeleien, von Frustäußerungen und auch Konflikten. Und genau das wollen weder die Motorsportinteressierten noch die Zuschauer hören und sehen", nannte Loppe Gründe für das rückläufige Interesse.

Michael Schumacher begeisterte die Massen, Foto: Sutton
Michael Schumacher begeisterte die Massen, Foto: Sutton

Mehr Sender, mehr Konkurrenz

Die besten Quoten fuhr RTL zu Michael Schumachers Blütezeit ein, als sich oftmals weit mehr als zehn Millionen Fans vor dem TV-Schirm versammelten, um den Kerpener von Sieg zu Sieg fahren zu sehen - doppelt so viele wie heutzutage. "Man kann doch keinen 'Erstgeborenen' wie Michael Schumacher mit dem vierten oder fünften Kind der Motorsportfamilie vergleichen", hält Loppe allerdings nichts von derlei Vergleichen. "Und die 90er sind dann auch nicht mehr die Gegenwart. Die Zeiten sind einfach komplett anders."

So hätten sich das Mediennutzungsverhalten und die Freizeitgestaltung in den letzten 20 Jahren grundlegend geändert, zeigte der Sportchef auf. "Unter dem Strich hat sich der Markt fragmentiert, auch der Fernsehmarkt. Was vor 20 Jahren noch unvorstellbar war, ist heute Realität, und die Entwicklung ist noch lange nicht zu Ende. Damals hatten wir zehn, 15 TV-Kanäle, wobei sich die meisten Zuschauer auf vier bis fünf Sender konzentrierten. Heute entsteht fast jeden Tag irgendwo ein digitaler Sender", steht für ihn fest. Abgesehen von Fußball-Welt- und -Europameisterschaften habe sich der Markt unwiderruflich verändert. "Man kann nicht allein die Formel 1 dafür verantwortlich machen, dass die Nachfrage sinkt."

Dennoch glaubt Loppe, dass die Formel 1 auch im Jahr 2015 noch zeitgemäß ist. "Sie liefert Hightech und gleichzeitig harten sportlichen Wettbewerb - das ist eine vielversprechende Kombination", zeigte er auf, wenngleich es noch viel Luft nach oben gebe, was das Ausschöpfen des Potenzials betrifft. "Wenn man sich unter allen Beteiligten verständigt, Regeländerungen durchzuziehen, dann muss man diese auch leben bzw. aushalten können. Die endlose Diskussion über zu leise Motoren und den 'Charakterverlust' der Formel 1 war da schon sehr gewöhnungsbedürftig und überzogen", kritisierte Loppe.

Dauerten die Vorberichte letztes Jahr noch 75 Minuten, stimmt RTL seine Zuschauer mittlerweile nur noch eine Stunde lang auf den Grand Prix ein. Mit schwindendem Interesse habe das allerdings nichts zu tun. "Der Zuschauer soll stattdessen kompakter und mit neuen Formaten informiert werden. Außerdem haben wir in Australien erstmals eine Frau am Mikrofon gehabt. All das werden wir weiter verfolgen. Das erste Feedback darauf ist übrigens sehr positiv", erklärte Loppe.

RTL jubelte in Sepang mit Sebastian Vettel, Foto: Sutton
RTL jubelte in Sepang mit Sebastian Vettel, Foto: Sutton

Vettel-Sieg lässt RTL jubeln

Derzeit laufen zwischen RTL und der Formel 1 Gespräche über die zukünftige Zusammenarbeit. "Wir tauschen uns aus darüber, ob und wie es weitergehen kann mit der Formel 1 bei RTL. Aber wir lassen uns da nicht unter Zeitdruck setzen", betonte der Sportchef und hielt fest, dass man an einen möglichen Ausstieg noch keine Gedanken verschwendet habe. "Unsere grundsätzliche Position ist, dass die Formel 1 nach wie vor eine gute Performance in Sachen Einschaltquote und Reichweite abliefert", betonte er. "Es gibt kaum noch Formate, die mehr als fünf Millionen Zuschauer oder mehr generieren. Von regelmäßigen Marktanteilen von 30 Prozent und mehr ganz zu schweigen. Die Formel 1 schafft das noch. Deshalb stellen wir unsere Rolle nicht infrage."

Zuletzt gab es für RTL dank Sebastian Vettel immerhin wieder etwas zu feiern. Nachdem die Liveübertragung des Saisonauftakts in Australien deutlich weniger Zuschauer als im Vorjahr verfolgt hatten, bescherte Vettels erster Ferrari-Sieg in Malaysia dem Privatsender ein stattliches Plus. Schon beim Rennen lagen die Werte mit 4,3 Millionen Zuschauern leicht über jenen des Vorjahres, und die Siegerehrung am Sonntagvormittag lockte schlussendlich sogar 5,5 Millionen Fans vor den TV-Schirm. Loppes Wunsch für die weitere Saison ist demnach klar: "Mercedes fährt eine halbe Sekunde langsamer, Ferrari eine Sekunde schneller."