Sebastien Vettel und Red Bull galten lange Zeit als gleichermaßen erfolgreiche wie unzertrennliche Paarung. 39 Siege feierte der Heppenheimer in Diensten des österreichischen Getränkeherstellers - 38 für Red Bull Racing und einen für Toro Rosso. Im letzten Jahr trennten sich schlussendlich allerdings doch die Wege und Vettel heuerte bei Ferrari an, mit dem Ziel, die Scuderia nach einer sieglosen Saison aus dem Tal der Tränen zu führen, was schneller als erwartet gelang. Es dauerte nur zwei Rennen, bis der Deutsche zum ersten Mal im roten Overall auf dem obersten Treppchen stand. In Malaysia feierte Vettel seinen 40. und vielleicht emotionalsten Sieg.

Ferrari ist nicht dumm

Dr. Helmut Marko, Red Bulls Motorsportberater, war in Sepang hin- und hergerissen. Einerseits freute er sich mit seinem langjährigen Schützling, andererseits sah er es naturgemäß gar nicht gerne, dass Vettel beide Red-Bull-Boliden überrundete. "Verdaut habe ich es noch nicht, aber ich freue mich für einen Ex-Fahrer von uns", sagte Marko am Montag im österreichischen Fernsehen und verriet: "Ich habe als einziger auf einen Sieg von ihm gewettet und bin finanziell entschädigt worden."

Das Verhältnis zwischen Vettel und Red Bull ist trotz des Abgangs des Heppenheimers weiterhin in Ordnung. "Er ist ein Konkurrent, aber kein Feind", betonte Marko, der schon nach den Longruns im Freitagstraining geahnt hatte, dass Ferrari eine große Chance haben würde, das Rennen in Malaysia zu gewinnen. "Als Mercedes im Qualifying dann nur die weichen Reifen eingesetzt hat, war klar, dass sie auf drei Stopps gehen werden", analysierte der 71-Jährige. "Und Ferrari ist ja nicht dumm, sie haben das ausgenutzt. Er ist genauso gefahren, dass Mercedes nicht herangekommen ist", lobte er Vettel.

Weshalb die Scuderia binnen weniger Monate den Sprung aus dem grauen Mittelmaß an die Spitze der Formel 1 schaffte, liegt für Marko auf der Hand. "Ferrari hat heute ein generell besseres Auto", hielt er fest. Zudem seien den Roten in Sepang die exorbitant hohen Asphalttemperaturen entgegengekommen. "Malaysia ist auch einer der Lieblingskurse von Sebastian. Er hat Sepang immer geliebt", spielte Marko außerdem auf Vettels mittlerweile vier Siege in Südostasien an.

Red Bull und Vettel gehen mittlerweile getrennte Wege, Foto: Red Bull
Red Bull und Vettel gehen mittlerweile getrennte Wege, Foto: Red Bull

Red Bull muss aufwachen

Neben Ferrari, Mercedes und Williams musste sich Red Bull in Malaysia überraschend auch dem eigenen Juniorteam Toro Rosso geschlagen geben. Max Verstappen und Daniil Kvyat belegten die Plätze sieben und acht und blieben damit vor den arrivierten Piloten Daniel Ricciardo und Daniil Kvyat. "Gratulation zu den Erfolgen und den jungen Fahrern", sagte Marko mit Blickrichtung der B-Mannschaft, wenngleich er mit der verkehrten Rangordnung naturgemäß nicht zufrieden war.

"Das tut sehr weh, schadet aber nicht. Wir müssen in England aufwachen, denn es laufen beim Chassis einige Sachen nicht mehr", kritisierte er die eigene Fabrik in Milton Keynes. Dass Red Bull dermaßen unterlegen war, lag jedoch nicht am Chassis, sondern an massiven Bremsproblemen, mit denen Ricciardo und Kvyat zu kämpfen hatten. Den Australier traf es dabei noch schlimmer als den Russen, da sich bei einer Kollision mit Nico Rosberg einige Teile am Frontflügel seines RB11 verformt hatten.

"Die Bremse hat überhitzt und es ist uns nicht mehr gelungen, sie auf normale Betriebstemperatur zu bringen", schilderte Marko. "Wir haben das Rennen dann auf Ankommen ausgelegt und sind sie Kurven nur mehr angerollt. Deshalb waren wir so weit hinten." Die Konsequenz des Bremsdebakels: Ab dem nächsten Rennen in China setzt Red Bull wieder auf Material aus dem Hause Brembo, die Partnerschaft mit Hitco wird beendet.

Red Bull machten in Sepang die Bremsen zu schaffen, Foto: Sutton
Red Bull machten in Sepang die Bremsen zu schaffen, Foto: Sutton

Ärger über Power Units

Während es Ferrari über den Winter gelang, seiner Power Unit zusätzliche Pferdestärken zu entlocken, tritt Renault und damit auch Red Bull auf der Stelle, was Marko weiterhin dazu veranlasst, gegen das 2014 eingeführte Regelwerk zu wettern. "Die Jammerei ist deshalb berechtigt, weil das Reglement nur bestimmte Änderungen in gewissem Maße erlaubt. Wenn man wie Renault mit dem grundsätzlichen Konzept falsch liegt, wird es sehr schwierig", hielt er fest.

Einmal mehr stellte Marko in Frage, ob die gegenwärtige Technik tatsächlich der Weisheit letzter Schluss ist. "Ob wir so einen Motor in der Formel 1 brauchen, glaube ich, wenn man auf die Fans hört, sicher nicht", erklärte er mit Verweis auf die fallenden TV-Zuschauerzahlen. "Dieses Paket, bei dem sich kaum jemand auskennt, ist zu viel. Wir wollen einen starken und lauten Motor, der unter zehn Millionen kostet und nicht 20 Millionen."

Um das Regelwerk zu ändern, bedarf es jedoch breiter Zustimmung. Dass Mercedes kein Interesse daran hat, sich selbst das Wasser abzugraben, kann Marko durchaus nachvollziehen. "Wäre ich Mercedes, würde ich mich auch mit Händen und Füßen wehren, dass der Vorteil verloren geht", sagte er. Dennoch plädiert der Österreicher für eine Rückkehr zu den einstigen Achtzylindermotoren. "Es ist einfach zu komplex", schüttelte er über die Power Units den Kopf.

Mercedes und Ferrari sind für Red Bull außer Reichweite, Foto: Sutton
Mercedes und Ferrari sind für Red Bull außer Reichweite, Foto: Sutton

Keine Alternative zu Renault

Zuletzt flogen zwischen Renault und Red Bull die Giftpfeile nur so hin und her und man richtete sich über die Medien gegenseitig aus, wer an der andauernden Misere Schuld sei. "Alle Zitate sind berechtigt aus der Emotion gefallen", räumte Marko ein, wies aber darauf hin, dass gerade die Worte von Renault-Geschäftsführer Cyril Abiteboul zu aggressiv aus dem Französischen übersetzt worden seien.

"Mittelfristig gibt es keine Alternative", wischte Marko Gerüchte vom Tisch, Red Bull würde sich bereits nach einem neuen Motorenpartner umsehen. Zuletzt habe man sich zusammengesetzt und die weitere Vorgehensweise für 2015 besprochen. Zentrale Erkenntnis: Red Bull mischt sich nur mehr ein, wenn man über entsprechendes Know-How und Kapazitäten verfügt, Renault behält die Regie.

Red Bull und Renault haben derzeit viel zu besprechen, Foto: Sutton
Red Bull und Renault haben derzeit viel zu besprechen, Foto: Sutton

"Es gab im Winter Doppelgleisigkeiten zwischen Milton Keynes und Viry", nannte Marko einen Grund für die nicht zufriedenstellende Entwicklung der französischen Antriebseinheit. Der Österreicher weiter: "Wenn wir das schaffen, was Ferrari erreicht hat, und laut den letzten Aussagen von Renault kommen wir bis zum Ende des Jahres auf den Stand, können wir wieder mitfighten."

Sollte dies gelingen, werden bald wohl auch wieder die Spekulationen über einen Rückzug Red Bulls aus der Formel 1 verstummen. Dennoch wollte Marko nicht dementieren, dass es derlei Überlegungen gibt. "Red Bull evaluiert wie jedes verantwortungsvolle Unternehmen sein Engagement. Wenn die Einschaltziffern so zurückgehen und man vom Reglement nicht gleichziehen kann, muss man sich fragen, ob es noch Sinn macht. Aber so weit sind wir noch nicht", sagte der Österreicher, für den unumstößlich feststeht: "Wir wollen nicht Vierter werden, wir wollen an der Spitze mitmischen."