Dass Mercedes mit einem Vorsprung in die neue Saison starten würde, war nach den bisherigen Testfahrten zu erwarten. Dass der Vorsprung so groß sein würde, nicht. Lewis Hamilton hatte mit seiner Pole-Runde in Melbourne fast 1,4 Sekunden Vorsprung auf Felipe Massa im schnellsten Nicht-Werks-Mercedes. Ein Abstand, mit dem nicht einmal Mercedes selbst gerechnet hatte. "Ich zumindest hätte die Lücke heute nicht so groß erwartet", sagte Hamilton nach seiner 39. Pole Position in der Formel 1. "Die Runde war aber wirklich sehr gut."

Hamilton schaffte sogar zwei Runs im Q3, die locker für den ersten Startplatz gereicht hätten. Da hatte selbst Teamkollege Nico Rosberg keine Chance. Hamilton verwies den Vize-Weltmeister mit knapp sechs Zehntelsekunden Abstand auf den zweiten Platz. "Mit Blick auf das Qualifying lief es besser, als wir es erwartet hatten", musste auch Toto Wolff eingestehen. "Das Auto war sehr gut und Lewis hat es auf beiden Runden sehr gut hinbekommen. Das ist ein ziemlich komfortabler und beeindruckender Vorsprung für ein Qualifying."

Mercedes war in Australien dramatisch überlegen, Foto: Sutton
Mercedes war in Australien dramatisch überlegen, Foto: Sutton

Wie ein Champion

Rosberg anerkannte die Top-Leistung seines Teamkollegen und gleichzeitig größten WM-Rivalen. Wie ein Champion sei Hamilton gefahren, zog Rosberg die Kappe. Beim aktuellen Leistungsniveau verzichtete Rosberg auf Tiefstapelei und sagte klar, was Sache ist in der Königsklasse: "Der Vorsprung hat uns überrascht. Wir hatten nicht erwartet, dass wir so stark sind. Da sind wir ganz ehrlich. Wir müssen morgen niemanden fürchten, wir fahren gegeneinander. Wir sind erst einmal die führende Kraft. Wir sind das beste Team in der Formel 1, das ist ein Fakt."

Klare Worte also von Rosberg, wer der Herr im Haus ist. Schon bei den Testfahrten hatte Mercedes den besten Eindruck hinterlassen und mit Standfestigkeit überzeugt. Mäkeleien am Setup von beiden Fahrern schienen aber zumindest ein kleiner Hoffnungsschimmer für die unterlegene Konkurrenz zu sein. Dann kam Melbourne. Und damit die Frage: Hat Mercedes im Winter nur einen Bruchteil seiner wahren Stärke gezeigt?

Lewis Hamilton bleibt in Melbourne das Maß der Dinge, Foto: Sutton
Lewis Hamilton bleibt in Melbourne das Maß der Dinge, Foto: Sutton

Kein Tricksen beim Test

Sicherlich haben die Silberpfeile in Barcelona noch nicht alle Karten auf den Tisch gelegt, doch Motorsportchef Wolff wollte nichts von übertriebener Geheimniskrämerei wissen. "Das Auto lief auf 100 Prozent", versicherte der Österreicher. "Wenn man sagen würde: 'Wir haben ein dominantes Auto, wir halten uns zurück.' Das funktioniert nicht. Du kommst dann nicht in den Rhythmus und verstehst nicht, was das Auto macht."

So würde es auch nichts bringen, bei den Tests mit angezogener Handbremse zu fahren. Wolff: "In der Formel 1 gibt es das nicht, dass man einfach den Motor runterfährt. Das sieht man sofort auf den Daten. Jedes andere Team würde realisieren, wenn du nicht Vollgas gibst. Aber genau das konnten wir heute geben (Vollgas;d.Red.). Das, kombiniert mit einem guten Fahrer, einem guten Tag und einer guten Runde. So kommt der Vorsprung zustande."

Die Konkurrenz sieht keine Chance gegen Mercedes, Foto: Sutton
Die Konkurrenz sieht keine Chance gegen Mercedes, Foto: Sutton

Das beste Auto überhaupt

Das erste Qualifying der Saison dürfte schon einen Vorgeschmack auf die weiteren Rennwochenenden gewesen sein. Die Konkurrenz ist zwar enger zusammengerückt, aber immer noch meilenweit entfernt von Mercedes. Zwar ist die Streckencharakteristik des Albert Park nicht unbedingt der Gradmesser für andere Strecken, doch Rosberg selbst versicherte, dass Mercedes unabhängig von den jeweiligen Kursen aktuell das beste Auto habe.

Da machte auch Hamilton den Mercedes-Verfolgern keine großen Hoffnungen: "Ich habe oft gesagt, dass ich letztes Jahr das beste Auto hatte, das ich jemals gefahren bin. Für das Team ist es einfach, bei den Veränderungen etwas falsch zu machen. Aber das ist nicht passiert. Es war schwierig, aus unserer Position heraus Fortschritte zu machen. Doch das Team hat das Auto konstant verbessert und einen super Job gemacht. Das ist jetzt das beste Auto, das ich jemals gefahren bin."