Bei den Wintertestfahrten landete McLaren weit abgeschlagen auf dem letzten Platz in der Kilometerstatistik. Zahllose Defekte - insbesondere an der Power Unit von dem neuen Motorenpartner Honda - schränkten das Testprogramm massiv ein. Bis zum letzten Tag in Barcelona kämpfte McLaren-Honda mit massiven Zuverlässigkeitsproblemen, während die Konkurrenz längst an der Performance feilte.

Dennoch steht am Wochenende mit dem Großen Preis von Australien bereits das erste Saisonrennen auf dem Programm. McLaren macht sich keine Illusionen, plötzlich alle Ungereimtheiten ausgeräumt zu haben, ruft das Auftaktrennen in Melbourne sogar kurzerhand als erweiterte Testfahrten aus. "Die Wintertests haben sich sehr kurz angefühlt. Wir hatten nicht genug Zeit zu testen, wie unsere neu entwickelte Power Unit auf der Strecke funktioniert. Deshalb machen wir uns darauf gefasst zu testen", sagt Honda-Motorsportchef Yasuhisa Arai-san. Allerdings habe man Fortschritte erzielt.

Der MP4-30 am Haken - ein vertrautes Bild der diesjährigen Wintertests, Foto: Sutton
Der MP4-30 am Haken - ein vertrautes Bild der diesjährigen Wintertests, Foto: Sutton

Tappen im Dunkeln

Renndirektor Eric Boullier bestätigt den Aufwärtstrend: "Trotz unserer Schwierigkeiten zeigt unser Paket Vielversprechendes. Wir konnten bei den Tests einige Systemchecks und Setup-Arbeit abschließen und auch die Daten von Jensons 101 Runden am zweiten Tag des letzten Barcelona-Tests waren ermutigend". Dennoch tappe man im Dunkeln, wie sich all das nun auf der Strecke im Albert Park umsetzten lasse.

Jenson Button stimmt zu. "Während wir Stadt und Kurs gut kennen, ist ziemlich unbekannt, wie es uns im MP4-30 ergehen wird", sagt Button. Doch auch der Routinier klammert sich an die Entwicklung vom ersten bis zum letzten Testtag. "Ich kann definitiv einen Unterschied erkennen", versichert Button. Wirklich optimistisch, schon in Melbourne etwas Zählbares zu erreichen, klingt Button jedoch nicht - obwohl er das Wort 'Optimismus' sogar in den Mund nimmt: "Das Auto ist eine solide Basis, die mich optimistisch stimmt. Aber wir brauchen Geduld."

Kevin Magnussen steigt statt Fernando Alonso ins Auto, Foto: Sutton
Kevin Magnussen steigt statt Fernando Alonso ins Auto, Foto: Sutton

Alonso vertraut auf Magnussen

Besonders schade sei allerdings, dass Fernando Alonso in Melbourne nicht starten könne. "Trotzdem ist es toll, Kevin wieder im Auto zu sehen und ich weiß, dass er einen großartigen Job machen wird", sagt Button. Auch Alonso vertraut voll auf das Können seines Ersatzmanns. "Ich wünsche Kevin alles Beste für das Wochenende in Australien und weiß das Auto bei ihm in sicheren Händen", sagt Alonso.

Eine Herausforderung, die Magnussen gerne annimmt. "Ich bin sehr glücklich in Melbourne wieder hinter dem Lenkrad zu sein. Mein Job ist während Fernandos Abwesenheit, den besten Job, den ich für das Team machen kann, zu erledigen. Und das werde ich tun", sagt der Däne. Mut macht dem 22-Jährigen vor allem sein zweiter Platz in Melbourne vor Jahresfrist.

Illusionen diesen Erfolg wiederholen zu können, macht sich Magnussen nicht. "Natürlich erwarten wir nicht hier zu gewinnen. Ich konzentriere mich darauf das Auto auf Rennbedingungen abzustimmen und unseren Fortschritt voranzutreiben", sagt Magnussen. Dabei werde es allerdings vor allem darauf ankommen, den Ingenieuren das nötige Feedback zu geben, um die Zuverlässigkeit zu verbessern.

2014 feierte Kevin Magnussen auf dem Podium, Foto: Sutton
2014 feierte Kevin Magnussen auf dem Podium, Foto: Sutton

McLaren: Melbourne Bilanz

McLaren in Melbourne: Die australische Metropole war in den vergangenen zwei Jahrzehnten ein erfolgreiches Terrain für McLaren. Dort feierte das Team 1997 den ersten Sieg mit Mercedes-Motoren, insgesamt stand sechs Mal im Albert Park ein McLaren-Pilot ganz oben auf dem Podest. Je zwei Triumphe steuerten Mika Häkkinen und David Coulthard bei, einmal gewannen Jenson Button und Lewis Hamilton.

Jenson Button in Melbourne: Der Brite feierte beim Australien GP bereits drei Siege, den letzten im Jahr 2012. Dabei hatte Button zu Beginn seiner Karriere kein gutes Verhältnis zu Melbourne, denn bei seinem Debüt schied er ebenso aus wie in den zwei folgenden Jahren. Ein ähnliches Schicksal ereilte Button drei weitere Male, womit neun Zielankünfte zu Buche stehen. Im Vorjahr schaffte der Brite hinter seinem Teamkollegen Kevin Magnussen als Dritter den Sprung auf das Podium.

Kevin Magnussen in Melbourne: Der Däne bestritt im Vorjahr in Australien sein Formel-1-Debüt und legte mit Platz zwei einen sensationellen Einstand in der Königsklasse hin. Magnussen überquerte die Ziellinie zwar "nur" als Dritter, rückte aufgrund der Disqualifikation von Daniel Ricciardo jedoch um eine Position auf und erzielte damit prompt seine bis heute einzige Podiumsplatzierung.

Redaktionskommentar

Motorsport-Magazin.com meint: McLaren hat es selbst schon sehr richtig erkannt: In Melbourne geht es nicht um Punkte, das Podium und schon gar nicht den Sieg. Weil das Team seine Zuverlässigkeitsprobleme bis zum Ende der offiziellen Testfahrten nicht ausräumte und mögliche Lösungen seitdem nur auf dem Prüfstand testen konnte, wird es in Australien insbesondere darum gehen, bei Realbedingungen zu kontrollieren - und zu beweisen - dass man die Ursachen tatsächlich identifiziert hat. Schafft McLaren-Honda in den Trainingsessions viele Runden ohne größere Probleme, kann das Wochenende bereits als Erfolg verbucht werden. Eine Zielankunft im Rennen halte ich für mehr als fragwürdig. Allerdings nicht für ausgeschlossen - 2014 kam es für die anderen Motorenhersteller trotz ähnlich katastrophaler Testfahrten schließlich auch nicht zum Kollektiv-Ausfall. (Jonas Fehling)