Wie steht es um die Jugend? Carlos Sainz hat das Auto bei den Testfahrten zweimal weggeschmissen, Max Verstappen hat sich ordentlich aus der Affäre gezogen. Testfahrten sind das Eine, Rennen das Andere...
Christian Danner: Ganz ehrlich: Ich bin der Meinung, dass die Altersgrenze, die die FIA 2016 einführt, richtig ist. Ich bin kein Freund von 16-jährigen Formel-1-Fahrern. Und zwar deshalb, weil die Formel 1 die Spitze und nicht die Basis des Motorsports ist. Ich halte es für toll, wenn sich ein Talent hochdient und, wenn es dann gut genug ist, in die Top-Liga aufsteigt.

Ich bin mir aber absolut sicher, dass die beiden Toro-Rosso-Brüder einen prima Job erledigen werden, denn man darf eins nicht vergessen: Ein 17-jähriger Former-1-Fahrer der Jetzt-Zeit hat zwar im Cockpit viel zu tun, weil er viele Knöpfe verstellen muss, das jedoch auf Anweisung der Ingenieure und nebenbei ja auch noch Rennauto fahren muss. Aber: Er hat die Möglichkeit, aufgrund der gesamten Fahrzeugtechnologie, auch in ganz jungen Jahren relativ schnell an das Limit des Autos zu kommen. Warum? Weil viele Dinge, die früher schwierig waren, wie zum Beispiel Schalten oder Bremsen heutzutage technisch so ausgereift sind, dass man es in Null-komma-nichts beherrscht und das Fahrverhalten inklusive der Aerodynamik so perfekt ist, dass das Auto keine bösen Überraschungen parat hat.

Warum war es früher so schwierig, ein Formel-1-Auto am Limit zu fahren und warum ist es heute vergleichsweise einfach? Die Autos waren zu meiner Zeit furchtbar schwer zu fahren, weil sie so wahnsinnig schlecht waren. Sie waren nicht im Windkanal und sind nicht durch tausende von Simulationen gegangen. Sie wurden zusammengenagelt und wir sind losgefahren. Deshalb hat es ungefähr ein Jahr gedauert, bis wir am Limit des Autos waren, ohne abzufliegen.

Christian Danner hält große Stücke auf Max verstappen und Carlos Sainz, Foto: Sutton
Christian Danner hält große Stücke auf Max verstappen und Carlos Sainz, Foto: Sutton

Damals mussten also nicht nur die Ingenieure das Auto verstehen, sondern auch noch die Fahrer.
Christian Danner: Genau so ist es. Und das ist jetzt anders: Das Basispaket ist rundum in Ordnung. Ein 17-jähriger Verstappen ist ein Top-Rennfahrer, das ist ein echt guter Mann. Der setzt sich ins Auto, gibt Gas und ist schnell - aus. Das ist der Unterschied, mit dem man sich anfreunden muss. Vor allem ist das aber ein Unterschied, der in Zukunft nicht mehr wegzudiskutieren ist. Denn die Probleme, die man in den 80er-Jahren mit der sich ständig verändernden Aerodynamik hatte, die sind längst gelöst. Man hat Simulationen, man hat Windkanaltechnologie, die es damals noch nicht gab. Man kann sich gerne wünschen, dass die Autos schwieriger zu fahren sein sollen, aber das wird nicht mehr so sein. Das Rad der Zeit kann man nicht zurückdrehen.

Um zu Verstappen und Sainz zurückzukommen: Die machen das schon, die fahren mit Sicherheit am Limit des Autos. Da muss sich der eine wie der andere im speziellen Formel-1-Umfeld bewähren. Das ist nach wie vor übrig geblieben, so einfach es auch sein mag, das Auto ans Limit zu kriegen. Man muss es auch konstant da fahren, man muss es durchblicken und die ganze Technik im Griff haben.

Das einzige Auto, das stark von allen anderen abfallen wird, ist der Manor. Der könnte es wohl mit einem Auto aus den 80ern aufnehmen...
Christian Danner: Der wird nicht nur stark, der wird sogar dramatisch langsamer sein als die anderen. Man darf nicht vergessen: Die haben das Auto aus all dem zusammengebaut, was sie noch hatten und haben es up-to-date gebracht. Das ist alles sehr wünschenswert und toll, dass es überhaupt klappt. Laut offiziellen Aussagen fahren sie mit 2014er Ferrari-Motoren. Ja Halleluja, der war im vergangenen Jahr schon der schlechteste Motor. Mit dem wollen sie antreten? Da kann man nur hoffen, dass sie irgendwie die 107 Prozent schaffen.

Christian Danner freut sich über Manors Teilnahme an der Saison 2015, Foto: Flickr/Auction HQ
Christian Danner freut sich über Manors Teilnahme an der Saison 2015, Foto: Flickr/Auction HQ

Wie ist es für die Formel 1 oder das Image der Formel 1, wenn da so ein zusammengeschustertes Auto mitfährt?
Christian Danner: Grundsätzlich finde ich, dass schlechtere Teams in der Formel 1 überhaupt nicht stören. Aber Achtung, Achtung! Und daran sieht man, woran die Formel 1 krankt: Sie haben von sich aus gesagt, sie hätten ein Budget von 92 Millionen! 92 Millionen! Als ich 1989 bei Rial gefahren bin, hatten wir ein Budget von 2,5 Millionen.

Wovon schon zwei Millionen für den Fahrer draufgegangen sind.
Christian Danner: Sicherlich [lacht] Das war technisch problematisch, weil der Fahrer übermäßig bezahlt wurde [lacht]. Spaß beiseite. Zeiten ändern sich, aber 92 Millionen Euro! Das ist Wahnsinn. Dafür muss man doch ein Team auf die Beine stellen können, das einigermaßen normal mitfährt. Das ist aber nicht gewährleistet.

Grundsätzlich finde ich es aber toll, dass sie fahren. Mir ist so etwas viel lieber und ich habe gerne auch ein Indianer-Team. Es müssen nicht nur Häuptlinge fahren, das gehört auch dazu. Man muss es eigentlich so sehen: Schade, dass sie das einzige solche Team sind, denn so sind sie hinten am Feld ganz alleine.

Die positive Seite der hohen Kosten ist eine faszinierende Technologie. Die Autos sind in diesem Jahr noch schneller geworden, die Motoren wieder lauter. Was auf technischer Seite passiert, ist doch absolut toll, oder?
Christian Danner: Logisch! Ich verfolge das nicht nur mit Interesse sondern auch mit einem großen Enthusiasmus. Zwei Sachen: Dass die Autos so schnell geworden sind, finde ich irgendwie geil. Auf der anderen Seite, das alles, was hinter Mercedes stattfindet, so eng zusammen ist. Das ist herrlich. Das, was den Sport ausmacht, tritt in den Vordergrund. Die Effizienz dieser Motoren ist sehr hoch. Der Wirkungsgrad eines normalen Motors im Straßenverkehr liegt bei circa 35 Prozent, der eines Formel-1-Motors bei etwa 50 Prozent. Das muss man sich vor Augen führen, das ist großartig! So gesehen kann man nur hoffen, dass das alles weitergeht und sich das normalisiert. So weit sind wir auch von den 1000 PS nicht weg. Dazu braucht man auch den Spritverbrauch nicht aufgeben. Das fände ich auch das falsche Zeichen.

Christian Danner ist von der Effizienz der F1-Antriebe hellauf begeistert, Foto: Renault Sport F1
Christian Danner ist von der Effizienz der F1-Antriebe hellauf begeistert, Foto: Renault Sport F1

Ich habe irgendwie die latente, leichte, zarte Hoffnung, dass wir das Ding, wie es jetzt läuft, vernünftig hinbekommen. Dann haben wir erstens Leistung, zweitens Krawall und die Kosten werden im Laufe der Jahre immer weniger. Die Entwicklung wird weniger und vier Motoren im Jahr sind schon sehr wenig. Es gab Zeiten, in denen hatte ein Fahrer 70 bis 80 Motoren im Jahr, das muss man sich vorstellen. Da sind wir schon weitergekommen.

Wenn wir das alles Revue passieren lassen, dürfen wir uns auf eine geile Saison freuen?
Christian Danner: Absolut! Es ist Spannung drinnen. Nicht zuletzt durch die Tatsachen, dass Vettel bei Ferrari ist und Rosberg Hamilton jetzt die Brust entgegenstreckt. Die grundsätzliche Einstellung ist gut und der Motorsport wird wieder toll sein in diesem Jahr.

Auf wen wettet Christian Danner?
Christian Danner: Letztes Jahr habe ich auf Rosberg gesetzt und lag daneben - aber ich lag ja nur knapp daneben [lacht]. Das hätte auch klappen können. Ich bleibe aber dabei: Ich glaube, dass Rosberg seine Lektion gelernt hat und diesen übermächtigen Gegner, dieses Fahr-Genie Hamilton inzwischen so verstanden hat - auch mit seinen ganzen Tücken und seinen abgebrühten Aktionen, die er so macht -, dass er eine realistische Chance hat, hier die Revanche zu schaffen. Aber knapp wird es allemal.