Bereits beim zweitägigen Test in Abu Dhabi nach dem Grand Prix 2014 hatte Pirelli Prototypen für die kommende Saison im Gepäck. Einen großartigen Unterschied wollte damals niemand gemerkt haben. Obwohl die Italiener für die Hinterachse eine neue Konstruktion brachten und die Supersofts komplett überarbeiteten. Jene Prototypen aus Abu Dhabi haben es zur Rennreife gebracht.

Doch nach den ersten Tests in diesem Winter merken die Fahrer sehr wohl Unterschiede im Vergleich zur vorherigen Generation. "Das diesjährige Auto ist definitiv eine Evolution, keine Revolution. Den größten Unterschied machen vielleicht die Reifen", meint Nico Rosberg sogar.

Der Deutsche relativiert: "Sie sind ähnlich, nur normaler. Wenn man eine schnelle Kurve gefahren ist, sind die Reifen überhitzt und man hatte keinen Grip mehr, das ist jetzt normaler." Genau das war auch das Ziel von Pirelli. "Die Konstruktion wurde so designt, dass sie besser mit der Traktion des hohen Drehmoments des Hybrid-Antriebs klarkommt", erklärt Mario Isola im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com.

"Im letzten Jahr haben wir festgestellt, dass die Hinterreifen manchmal überhitzt sind, deshalb haben wir einen Reifen designt, bei dem das Temperaturprofil viel flacher ist. Dadurch soll das Überhitzen reduziert werden." Neben der besseren Berechenbarkeit der Reifen hat die neue Hinterreifen Konstruktion einen weiteren Vorteil: Die Traktion ist besser, die Fahrer können früher aufs Gas gehen. Rund drei Zehntel, so schätzt Pirelli, sind die Autos nur wegen der Reifen schneller geworden.

Doch die Meinungen gingen zwischen den Piloten auseinander. Lewis Hamilton beklagte sich über die neue Generation der Pirellis: "Das größte Problem ist, die Reifen richtig zum Funktionieren zu bekommen. Auch wenn sie auf Temperatur gekommen sind, scheinen sie nie im Arbeitsfenster zu liegen."

Zwei derart unterschiedliche Aussagen von Piloten, die im gleichen Auto sitzen, sind ungewöhnlich. "Ich habe die Kommentare gehört. Aber es ist schwierig, eine Erklärung dafür zu finden, weil man dazu das Testprogramm jedes Teams kennen müsste", meint Pirellis Racing Manager Isola.

Hamilton und die Reifen sind eigenes Kapitel, Foto: Sutton
Hamilton und die Reifen sind eigenes Kapitel, Foto: Sutton

Hamiltons Probleme könnten auch mit dem Wetter zu tun gehabt haben, schließlich war es an seinem letzten Testtag nur knapp über zehn Grad warm. Darauf baut auch der Weltmeister: "Hoffentlich sind sie bei wärmeren Temperaturen besser." Die Bedingungen waren einmal mehr nicht perfekt für den Reifenhersteller: In Jerez war es kalt, zudem ist der Asphalt dort so rau, dass sich die Erkenntnisse für den Rest der Saison stark in Grenzen halten.

In Barcelona war es vor allem in den Morgenstunden ähnlich kalt wie in Jerez. Im Verlauf des Tages stieg das Thermometer auf maximal rund 15 Grad. Wenn die Formel 1 im Frühling zum Grand Prix nach Spanien kommt, hat es normalerweise mindestens zehn Grad mehr. "Wir sind nicht nahe an Null [Erkenntnis], das sage ich nicht, aber es sind schon andere Bedingungen", sagt Isola.

Für die weichste von Pirellis Reifenmischungen ist zudem die Strecke nicht besonders gut. Die vielen langgezogenen, schnellen Kurven generieren viel laterale Kräfte. Ein Reifenkiller. Deshalb lautete die Reifenwahl im vergangene Jahr auch Medium und Hart. "Die Reifen sind eigentlich zu weich für diese Art Rennstrecke", bemängelte auch Pastor Maldonado. Der längste Stint auf Supersoft war deshalb auch nur fünf Runden lang.

Längste Reifenstints in Barcelona I

ReifentypFahrerRunden
SupersoftFelipe Nasr, Sergio Perez, Pascal Wehrlein5
SoftValtteri Bottas16
MediumMax Verstappen24
HartValtteri Bottas27
Prototyp-MediumDaniel Ricciardo14
IntermediatesSebastian Vettel7
Full-Wets0
Winter-HartJolyon Palmer14

Generell scheinen die Reifen aber besser zu halten als in den vergangenen Jahren. Nico Rosberg erwartet von Pirelli ein Gegensteuern durch die Reifennominierung: "Wir brauchen den Reifenverschleiß, er ist Teil der Show. Wir wissen, dass es die spannendsten Rennen gibt, wenn wir Verschleiß haben."

Pirelli kommt Rosbergs Wunsch nach. Das Ziel lautet auch 2015, bei jedem Rennen durchschnittlich zwischen zwei und drei Stopps pro Fahrer. Überall wird diese Rechnung aber nicht aufgehen. "Wir haben nur vier Reifenmischungen für 19 Strecken", erklärt Isola. In Monaco wird man wohl nie mehr als einen Stopp sehen, weil die Kräfte so gering sind und überholen fast unmöglich. Würde Pirelli Reifen entwickeln, die in Monaco mehrere Stopps ermöglichen, könnten diese auf keiner anderen Strecke eingesetzt werden.

Pirelli hat auch noch ein anderes Problem, weshalb die zwei-bis-drei-Stopp-Rechnung nicht immer perfekt aufgeht. "Wir liefern unsere Reifen an alle Teams. Und die Autos sind sehr unterschiedlich. Wie die Reifen beansprucht werden, unterscheidet sich stark vom einen zum anderen Auto. Ein Auto könnte Probleme dabei haben, die Reifen auf Temperatur zu bringen aber der Abbau ist mehr als akzeptabel, das andere Auto beansprucht den Reifen mehr und hat kein Problem damit, ihn auf Temperatur zu bekommen, dafür ist aber der Abbau höher."

Bei den Fans ist die durch Reifen erzeugte Spannung umstritten. "Das sieht vielleicht künstlich aus, ist es aber nicht", antwortet Isola den Kritikern. "Es ist eine Frage der Strategie. In den letzten Jahren haben wir viele Rennen gesehen, bei denen es - dank unserer Reifen - eine sehr gute Show gab."

Reifen in Barcelona I:

  • 398 Sets nach Barcelona gebracht
  • 18 Sätze Supersoft, 56 Soft, 135 Medium, 51 Hart, 70 Intermediates, 44 Full-Wets, 18 Prototyp-Medium, 6 Winter-Hart
  • 261 Sätze wurden von den Teams genutzt
  • 11 benutzte Sätze Supersoft, 56 Soft, 126 Medium, 35 Hart, 9 Intermediates, 0 Full-Wets, 18 Prototyp-Medium, 6 Winter-Hart