Ich war nicht im Media Center, als Fernando Alonso kurz vor der Mittagspause mit seinem McLaren verunfallte. Weil es bei den Testfahrten nur Streckenkameras gibt, gibt es im Fahrerlager auch keine Übertragungen in den Hospitalities, bestenfalls gibt es ein Livetiming. Ein Kollege aus dem Büro informierte mich über die nächste Rot-Phase. Alonso sei wohl abgeflogen hieß es.

Ich machte mich auf den Weg ins Media Center, als ich die Nachricht erhielt, dass Alonso ins Medical Center gebracht wird. Also ging ich nicht zurück ins Media Center, sondern direkt zum Medical Center. Dort warteten schon gut zwei Duzend weitere Journalisten, Alonso war gerade angekommen.

Matteo Bonciani gab ein erstes Statement, Foto: Motorsport-Magazin.com
Matteo Bonciani gab ein erstes Statement, Foto: Motorsport-Magazin.com

Es dauerte nicht lange, da wurde Alonso in den Helikopter gebracht und in ein Krankenhaus geflogen. FIA Pressesprecher Matteo Bonciani gab im Beisein von McLarens Pressesprecherin ein erstes Statement. Alonso sei bei Bewusstsein, er spreche mit den Ärzten und wird in ein nicht genanntes Krankenhaus gebracht. Alle weiteren Informationen würden von McLaren kommen.

Doch es kam lange nichts. Und wenn nichts kommt, unterhalten sich die Journalisten untereinander. Ein Fotograf hat gehört, dass Alonso nicht wie gewöhnlich heruntergeschalten habe. Ein Streckenposten hat gesehen, dass Alonso komplett ohne Gegenwehr abgebogen und eingeschlagen sei. Als die ersten Gerüchte aufkommen, gibt es Neuigkeiten: Alonso geht es gut, zur Überwachung bleibt er aber noch mindestens eine Nacht im Krankenhaus. Fragen durften nicht gestellt werden.

Es ist schön zu, dass es Alonso gut geht, aber erklärt nicht, wie der Unfall passiert ist. Und so wurde weiter spekuliert. Aufgrund der Fotos vom Unfall und der geringen Beschädigung des Fahrzeugs dachte ich, dass Alonso unmöglich wegen des Einschlags ins Krankenhaus muss. Es muss etwas anderes passiert sein.

Schlimm sehen die Unfallbilder nicht aus, Foto: Sutton
Schlimm sehen die Unfallbilder nicht aus, Foto: Sutton

Eine Theorie war unter den Journalisten besonders beliebt: Alonso könne vom ERS einen Stromschlag erlitten haben und ist deshalb ohne Gegenwehr in die Mauer gefahren. Das würde auch erklären, warum Alonso zur Überwachung im Krankenhaus bleiben muss. Wir sprechen bei den Hybridsystemen von Spannungen bis zu 1000 Volt. Es bleiben aber Theorien.

Alonsos Manager äußerte im spanischen TV eine Begründung vom Unfall. Eine Windböe habe den McLaren erfasst und zum Abflug geführt. In der Tat war der Wind am Sonntag stark, auch Carlos Sainz machte den Wind für seinen Abflug an der gleichen Stelle verantwortlich. Dagegen spricht aber, dass Alonso angeblich langsam unterwegs war. Dass Alonso nicht am Limit fährt und dabei das Auto verliert, klingt sehr eigenartig.

Bis zu 1000 Volt können im Auto strömen, Foto: Sutton
Bis zu 1000 Volt können im Auto strömen, Foto: Sutton

Sie merken schon, auch ich kann mich den Spekulationen nicht ganz entziehen. Aber man macht sich - von Fotos und Aussagen anderer - ein eigenes Bild. Von offizieller Seite erfährt man jedenfalls nichts. Statt in der Presseaussendung die Unfallursache zu erklären, schimpft Eric Boullier lieber auf die Medien. "Unweigerlich haben einige Medienberichte bei der Schwere des Unfalls übertrieben - es war ein normaler Testunfall." Von der Unfallursache steht kein Wort in der Presseaussendung.

Wenn es - wie Alonsos Manager sagt - wirklich der Wind war, warum kommuniziert das McLaren nicht offiziell? Alonso scheint offenbar kommunizieren zu können. Die Ingenieure haben Unmengen an Daten, mit denen sie einen 'normalen' Unfall perfekt rekonstruieren können - auch ohne Videomaterial.

Das Auto war nicht besonders stark beschädigt, trotzdem wurde darauf verzichtet, Jenson Button am Nachmittag damit auf die Strecke zu schicken. Es war ohnehin vorgesehen, Button am Nachmittag fahren zu lassen. Verzichtet McLaren wirklich freiwillig auf Testkilometer? Wohl kaum. Es gibt an diesem Unfall zu viele Ungereimtheiten.

Inzwischen habe ich mich übrigens überzeugen lassen, dass tatsächlich der Einschlag selbst für die medizinischen Vorsichtsmaßnahmen verantwortlich gewesen sein kann, auch wenn das Auto nicht stark beschädigt ist. Aber Alonso ist fast parallel zur Wand eingeschlagen. Dadurch berührt das Auto die Mauer zuerst mit den Rädern. Die Radaufhängung verformt sich bei diesem Aufprallwinkel so gut wie gar nicht. Vorne leitet sie die Kräfte direkt in das Chassis. Die Hinterräder geben die Kraft über die Antriebswelle direkt ans Getriebe weiter. Selbst bei - für Formel-1-Verhältnisse - geringeren Geschwindigkeiten, können somit große G-Kräfte auf den Körper des Fahrers übertragen werden. Weil die Kräfte nicht von sich verformenden Teilen aufgenommen werden.

Trotzdem: Auch wenn die Vorsichtsmaßnahmen wegen des Aufpralls eingeleitet wurden, die Ursache des Unfalls ist damit noch nicht geklärt. Ob die FIA Untersuchungen einleitet, ist übrigens noch unklar. Ob das aber viel mehr Klarheit bringen würde, sei dahingestellt. Man stelle sich vor, das Hybrid-System wäre tatsächlich schuld gewesen.

Alonso hat - ganz nebenbei bemerkt - eine Gehirnerschütterung erlitten. Scheinbar wird das als unverletzt angesehen. Also ein ganz normaler Testunfall.