Wer drehte die meisten Runden?

Mercedes konnte sich in Barcelona nicht deutlich absetzen, Foto: Sutton
Mercedes konnte sich in Barcelona nicht deutlich absetzen, Foto: Sutton

Anders als in Jerez dominierte Mercedes die Kilometer-Wertung in Barcelona nicht nach Belieben. Stattdessen lieferten sich die Silberpfeile bis zum vierten Tag ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit Toro Rosso und Red Bull. Die beiden Renault-befeuerten Teams zeigten damit nach dem eher verhaltenen Start in Jerez einen deutlichen Aufwärtstrend. Am Ende sicherte sich allerdings doch Mercedes durch ein starkes Finish die Spitze (446 Runden, 2076 Kilometer, 7 Renndistanzen). Red Bull (418 Runden, 1946 Kilometer, 6,5 Renndistanzen) schob sich knapp auf Rang zwei vor Tochterteam Toro Rosso (412 Runden, 1918 Kilometer, 6,5 Renndistanzen). Auch Williams robbte dank eines starken letzten Tages noch nah an die Top-3 heran.

Hinter dem Spitzenquartett ordnete sich mit etwas Abstand eine recht homogene Gruppe um Lotus, Ferrari, Sauber und Force India ein.

Wer kam am wenigsten zum Fahren?

 Die Bilder aus Jerez und Barcelona ähneln sich bei McLaren, Foto: Sutton
Die Bilder aus Jerez und Barcelona ähneln sich bei McLaren, Foto: Sutton

Einmal mehr McLaren-Honda. Der Traditionsrennstall aus Woking bekleidete, wie schon in Jerez, weit abgeschlagen den letzten Platz in der Kilometer-Statistik. Hintergrund waren immer wiederkehrende Probleme mit der MGU-K - einem wichtigen Bauteil der Power Unit - und ein Unfall von Fernando Alonso am Sonntag, der das Programm endgültig beendete (für Details siehe jeweils eigene Fragen). Insgesamt spulten der Spanier und sein Teamkollege Jenson Button an den vier Tagen in Barcelona nur 124 Runden ab. Das entspricht 577 Kilometern, also knapp zwei Renndistanzen. Zum Vergleich: Das zweitschlechteste Team in dieser Wertung, Force India, kam auf 1415 Kilometer.

Lazarett bei Mercedes - was war da los?

Hamilton musste die Waffen strecken, Foto: Sutton
Hamilton musste die Waffen strecken, Foto: Sutton

Dass ein Fahrer eines Teams bei Testfahrten mal unpässlich ist, kommt durchaus vor, in Zeiten von Grippewellen allemal. Doch dass gleich beide Piloten außer Gefecht sind, hat Seltenheitswert. Wenn dann noch hinzukommt, dass der einzige Ersatzfahrer des Teams gerade an eine andere Mannschaft ausgeliehen wurde, ist die Not groß.

So geschehen bei Mercedes am ersten Testtag in Barcelona. Lewis Hamilton musste nach wenigen Runden passen, weil ihm eine fiebrige Erkältung zusetzte. Teamkollege Nico Rosberg konnte nicht übernehmen, weil er aufgrund eines entzündeten Nervs unter Nackenschmerzen litt. Mercedes hatte die Sitzschale des Deutschen nur um wenige Zentimeter verändert, was jedoch dazu führte, dass das Rückgrat anders positioniert wurde und die G-Kräfte an anderen Stellen wirkten.

Mercedes musste notgedrungen Pascal Wehrlein von Force India zurückbeordern, um den ersten Testtag nicht verloren geben zu müssen. Am zweiten Tag teilten sich Rosberg und Hamilton das Cockpit und bestritten an den beiden folgenden Tagen je ein komplettes Programm. "Ich freue mich darauf, nach Hause zu kommen und die nächsten Tage nur zu schlafen!", gestand Hamilton anschließend.

Warum fuhr Wehrlein für zwei Teams?

Mercedes musste den W06 ungeplant auf Wehrlein umbauen, Foto: Sutton
Mercedes musste den W06 ungeplant auf Wehrlein umbauen, Foto: Sutton

Kurz vor den Testfahrten in Barcelona wurde bekannt, dass Mercedes-Ersatzpilot Pascal Wehrlein für zwei Testtage an Force India ausgeliehen wird. Der DTM-Pilot saß am ersten Testtag denn auch wie geplant im Force India, wie sich herausstellen sollte allerdings nicht lange. Denn als Mercedes plötzlich ohne Fahrer dastand, war klar, dass das Gastspiel ein vorläufiges Ende hat.

So kam Wehrlein in die ungewöhnliche Lage, an einem Tag Autos von zwei verschiedenen Teams und aus zwei verschiedenen Baujahren zu pilotieren. Hinter vorgehaltener Hand wurde gewitzelt, dass es Wehrlein erging wie Otto-Normalverbraucher mit den öffentlichen Verkehrsmitteln: Erst wartet man ewig auf den Bus, und dann kommen gleich zwei.

Nach seinem Aushilfsjob bei Mercedes wechselte Wehrlein wieder zurück zu Force India, wo er am dritten Testtag noch einmal ins Lenkrad griff.

Warum kam es zur Kollision zwischen Nasr und Wolff?

Der Unfallhergang rekonstruiert, Foto: Motorsport-Magazin.com
Der Unfallhergang rekonstruiert, Foto: Motorsport-Magazin.com

Susie Wolff und Felipe Nasr schossen sich beim Testauftakt am Donnerstag gegenseitig von der Strecke. Sowohl die Williams-Testfahrerin als auch der Sauber-Pilot stritten ab, einen Fehler begangen zu haben. Weil die offiziellen Filmaufnahmen auch bei Testfahrten aus rechtlichen Gründen nicht veröffentlicht werden dürfen, tappte die Öffentlichkeit lang im Dunkeln. Doch Motorsport-Magazin.com hat das Video gesehen - auf dem Smartphone von Susie Wolff. Das ist geschehen.

Die Kollision ereignete sich im Streckenabschnitt zwischen Ausgang Kurve vier und vor Kurve fünf. Wolff war auf ihrer Outlap und entsprechend langsam unterwegs, fuhr innen aus Kurve vier heraus und hielt zunächst ihre Linie. Für die nachfolgende Linkskurve war sie also auf der Außenseite. Gerade als Wolff nach innen zog, kam Nasr von hinten auf einer schnellen Runde herangepeitscht. Der Brasilianer fuhr daher auf der Ideallinie, kam also weiter außen aus der vierten Kurve und musste diagonal über die Strecke fahren, um Kurve fünf ideal anzubremsen. Damit kreuzte sich allerdings seine Linie mit der Wolffs - es krachte. Nasr fuhr Wolff vorne links über die Aufhängung.

Wie schlug sich Force India mit dem Vorjahresauto?

Force India reiste nicht mit dem aktuellen Modell an, Foto: Sutton
Force India reiste nicht mit dem aktuellen Modell an, Foto: Sutton

2015 heißt das Sorgenkind Force India. Während der ersten Testphase in Jerez nicht am Start und auch in Barcelona nur im 2014er-Boliden. Die Mannschaft fokussierte sich auf Tests der neuen Pirelli-Reifen und der Evaluierung einiger neuer Komponenten für das künftige Auto. Mit insgesamt 304 Runden in vier Tagen präsentierte sich der Bolide zuverlässig - mit Ausnahme des Sonntags. Am einzigen Einsatztag von Nico Hülkenberg blieb der Deutsche bereits kurz nach der Mittagspause mit einem Problem der Power Unit stehen. Lediglich 36 Runden konnte Hülkenberg abspulen.

Die schnellste Zeit der Testfahrten erzielte Sergio Perez am Freitag. Der Mexikaner fuhr auf superweichen Reifen eine Zeit von 1:24.702 Minuten. Damit blieb er nur 0,128 Sekunden hinter der Bestzeit Daniel Ricciardo im Red Bull. In der finalen Testphase der kommenden Woche wird Force India den VJM08 erstmals einsetzen.

Warum lief es bei McLaren wieder nicht?

Bei McLaren war wieder allzu oft Schieben angesagt, Foto: Sutton
Bei McLaren war wieder allzu oft Schieben angesagt, Foto: Sutton

Vor allem wegen vier Buchstaben: MGU-K. Als am Donnerstag Probleme mit einer Dichtung dieses Motorenbauteils auftraten, stellte McLaren umgehend die Testarbeit ein. Weil sich die MGU-K zunächst nur notdürftig reparieren ließ, erwartete das Team erhebliche Einschränkungen auch am Freitag. Dieser zweite Tag verlief dennoch unerwartet gut. Mit 59 Runden und einer endlich passablen Rundenzeit sorgte Fernando Alonso für einen Hoffnungsschimmer. Dennoch warnte Renndirektor Eric Boullier, McLaren liege insgesamt bei gerade einmal 50 Prozent dessen, wo man eigentlich stehen müsste.

Als Jenson Button dann am Samstag das Cockpit übernahm, hatte McLaren endlich eine neue und überarbeitete MGU-K in den MP4-30 eingebaut. Doch diese erwies sich erneut als fehlerhaft. Bereits am Vormittag trat ein ähnliches Problem auf wie am Donnerstag. Diesmal entschied sich McLaren jedoch gegen einen Abbruch, sodass Button am Nachmittag zumindest einige Aero-Tests, Start- und Boxenstoppübungen vornehmen konnte. Dennoch ein massiver Rückschlag wie der Brite und sein Team unisono zugaben. Für den abschließenden Testtag am Sonntag baute McLaren eine dritte MGU-K ein. Diese wurde allerdings recht spät geliefert, was McLaren am Morgen zwei weitere, wertvolle Stunden kostete. Gerade als der MP4-30 endlich lief, crashte Fernando Alonso nach 20 Runden in die Streckenbegrenzung (siehe eigene Frage). Der Test war damit vorzeitig beendet.

Wieso war Lotus so schnell?

Lotus gab überraschend den Ton an, Foto: Sutton
Lotus gab überraschend den Ton an, Foto: Sutton

Vier Testtage in Barcelona und drei Bestzeiten von Lotus. 2014 hatte die Mannschaft meist die rote Laterne während der Tests inne und liegt jetzt plötzlich an der Spitze? Die Erklärung scheint denkbar einfach: "Das Auto ist schnell", lachte Maldonado, fügte aber Fragezeichen bezüglich der wirklichen Stärke der Konkurrenz hinzu. "Allerdings weiß ich nicht, wie schnell im Vergleich zur Konkurrenz. Aber in jedem Fall schneller als das Auto des Vorjahres - das ist einfach zu erkennen." Eine Erklärung könnte auch der Wechsel der Power Units von Renault auf Mercedes sein.

Am Donnerstag fuhr Maldonado seine schnellste Runde auf den weichen Reifen. Sowohl die Bestzeit des Venezolaners am Samstag als auch die seines Teamkollegen Romain Grosjean am Sonntag wurde auf superweichen Reifen erzielt. Der stellvertretende Teamchef Federico Gastaldi untermauerte aber im Interview mit Motorsport-Magazin.com ausdrücklich, dass Lotus keine Showruns zeigte. Auch Maldonado erklärte, dass die Mannschaft vorrangig an der Zuverlässigkeit des Autos arbeitete und in diesem Zuge versuchte, die verschiedensten Reifenmischungen bei unterschiedlichen Bedingungen auszutesten. In Sachen Performance wartet aber nochmals ein Sprung. "Am Setup gibt es noch viel zu tun und wir haben das komplette Potenzial noch nicht ausgeschöpft."

Was geschah beim Unfall von Alonso? Wie geht es ihm?

Der Unfallort, Foto: Sutton
Der Unfallort, Foto: Sutton

Der abschließende Testtag am Sonntag wurde von einem Unfall von Fernando Alonso überschattet. Der McLaren-Pilot kollidierte nach der dritten Kurve des Circuit de Catalunya, einem lang gezogenen Rechtsknick, mit der Innenmauer der anschließenden Gerade. Der Spanier hatte in der Kurve die Kontrolle über den MP4-30 verloren, geriet in die Auslaufzone und touchierte die Mauer. Das Auto wurde bei dem Unfall rein äußerlich nur unwesentlich beschädigt. Bis auf einen abgerissenen Frontflügel ließen sich kaum Verformungen erkennen. Die Unfallursache ist noch ungeklärt. Einzig Alonsos Manager Luis Garcia Abad deutete an, der Wind habe eine Rolle gespielt. Weitere Details zum Unfallhergang gibt es nicht.

Hier schlug Alonso ein, Foto: Motorsport-Magazin.com
Hier schlug Alonso ein, Foto: Motorsport-Magazin.com

Fernando Alonso indessen wurde nach dem Einschlag sofort in das Medical Center und anschließend per Helikopter in ein Krankenhaus geflogen. Eine Standardprozedur in der Formel 1 - der Spanier war stets bei Bewusstsein, ansprechbar und konnte selbstständig aus dem Cockpit steigen. Am Nachmittag bestätigte McLaren, Alonso habe sich einem CT unterzogen und sei unverletzt. Er bleibe über Nacht zur Beobachtung im Krankenhaus. Alles, was sonst geschrieben und spekuliert werde, entspreche nicht der Wahrheit, sagte Renndirektor Eric Boullier bei Skysports.

Konnte Ferrari die starke Frühform aus Jerez bestätigen?

Ferrari kam auch in Barcelona gut in Fahrt, Foto: Sutton
Ferrari kam auch in Barcelona gut in Fahrt, Foto: Sutton

Bestzeiten setzte das Ferrari-Duo Räikkönen/Vettel in Barcelona zwar nicht, dennoch überzeugten die Roten auch in Nord-Spanien. Während Kimi Räikkönen an den ersten beiden Testtagen jeweils den zweiten Rang eroberte, musste sich Vierfach-Weltmeister Sebastian Vettel am Samstag zunächst mit einem fünften Rang zufriedengeben. Allerdings absolvierte der Heppenheimer, anders als sein Teamkollege, Longruns mit reichlich Benzin an Bord. Am Sonntag fuhr Vettel auf den siebten Rang

Die Scuderia und ihre Piloten scheinen mit den vier Testtagen durchaus zufrieden zu sein. Vettel bestätigte die allgemeine Annahme im Fahrerlager, dass der Ferrari wesentlich besser dasteht als sein Vorgängermodell. "Natürlich war ich im vergangenen Jahr noch nicht hier, deshalb kann ich das Auto nicht einschätzen", schob der Deutsche ein. "Aber Kimi war ziemlich zufrieden mit dem Verhalten des Autos. Die Pace sieht gut aus. Natürlich ist es schwierig zu sagen, wo man steht, aber es fühlt sich weiter gut an", sagte Vettel am Samstagabend. Sowohl bei den erzielten Zeiten als auch bei den gefahrenen Kilometern war Ferrari wieder voll bei der Musik, sodass die gute Performance aus Jerez in Barcelona ihre Bestätigung fand.