Ferrari befand sich 2014 im Tal der Tränen. Der Scuderia gelang zum ersten Mal seit mehr als 20 Jahren kein einziger Rennsieg, zudem musste man sich mit dem vierten Rang in der Konstrukteurs-Wertung zufriedengeben. Doch in dieser Saison soll alles anders werden - nicht zuletzt dank Sebastian Vettel. Und in der Tat, die ersten Testfahrten in Jerez verliefen durchaus vielversprechend, denn drei der vier Bestzeiten gingen auf das Konto eines Piloten in Rot.

Sergio Marchionne, seit Herbst Präsident von Ferrari, sah die starke Performance des SF15-T zwar mit großer Freude, warnte jedoch im gleichen Atemzug, nicht zu hohe Erwartungen zu haben. "Ich bin von der Performance des neuen Autos ermutigt", sagte der Italiener, der auch dem Fiat-Chrysler-Konzern vorsteht, am Dienstag in New York. "Aber es ist eine Sache, eine schnelle Runde zu fahren, und eine andere, das über einen ganzen Grand Prix zu tun."

Mit der Arbeit in Maranello ist der mächtige Mann bei Ferrari jedenfalls hochzufrieden und schwärmte dementsprechend in den höchsten Tönen von der Mannschaft rund um den neuen Teamchef Maurizio Arrivabene. "Ich bin stolz auf ihre Arbeit", hielt Marchionne fest. "Aber wie stark wir wirklich sind, werden wir erst beim Saisonstart in Australien sehen. Ich erwarte keine Wunder, aber es ist wichtig, Fortschritte zu sehen."

Die Stimmung bei Ferrari ist nach den Testfahrten gut. Trotzdem ist in Maranello ein neuer, bisher fast ungekannter Realismus eingekehrt. An allen Ecken und Enden versucht der Rennstall die hohen Erwartungen der Tifosi in Zaum zu halten. "Wir erwarten in diesem Jahr nicht, zu gewinnen. Das wäre eine nette Überraschung", sagte Ferrari Testfahrter Marc Gene gegenüber der Marca. "Das Auto ist besser - das war auch das Ziel, aber der Favorit ist Mercedes."

Nasen-Regel hilft Ferrari

Ferrari musste an der Nase weniger ändern, als einige Konkurrenten, Foto: Sutton
Ferrari musste an der Nase weniger ändern, als einige Konkurrenten, Foto: Sutton

Ein kleiner Vorteil für Ferrari könnte die neue Nasenregel sein. Weil Ferrari schon im vergangenen Jahr ein Konzept wählte, bei dem nicht besonders viel Luft unter das Auto gelangte, verlor Ferrari mit der neuen, noch etwas tieferen Nase verhältnismäßig wenig Abtrieb. Eine kürzere Nase steht vorerst nicht auf der Agenda - anders als bei anderen Teams, die die Front gerne kürzer gestalten würden, dazu allerdings die Crashtests bestehen müssen. Bei Ferrari fürchtet man, dass eine kürzere Nase die Balance des Autos stören würde. Und mit der sind beide Piloten im Moment richtig zufrieden.

Hinter den Kulissen wird gemunkelt, dass die neue Power Unit aus Maranello zwischen 40 und 80 Pferdestärken mehr leistet als im vergangenen Jahr. Besonders realistisch sind derlei Werte nie - zumal immer die Frage ist, unter welchen Bedingungen das gemessen worden sein soll. Fest steht jedenfalls, dass Ferrari auch beim Antrieb einen Schritt gemacht hat. Das ist auch aus dem Sauber-Lager zu hören. Die Schweizer fuhren in Jerez mit der gleichen Ausbaustufe wie das Werksteam. Nicht nur bei der Leistung haben die Ingenieure einen Sprung gemacht, auch bei der Integration der Power Unit und beim Gewicht.

40 Millionen für Super-Prüfstand

Um bei der Power Unit auf Mercedes aufschließen zu können, soll Ferrari viel Geld in die Hand genommen haben. Wie die Gazzetta dello Sport berichtet, hat Ferrari rund 40 Millionen Euro in einen neuen Prüfstand investiert. Das Grazer Unternehmen AVL soll in Maranello einen Rollenprüfstand gebaut haben, auf dem das komplett zusammengeschraubte Auto getestet werden kann. Geschwindigkeiten bis zu 360 Stundenkilometer sollen möglich sein.

Einfache Motorprüfstände reichen nicht mehr aus, Foto: Mercedes-Benz
Einfache Motorprüfstände reichen nicht mehr aus, Foto: Mercedes-Benz

Derlei Prüfstände sind enorm wichtig, um die einzelnen Komponenten der Power Unit aufeinander abstimmen zu können und die Rekuperation zu simulieren. Auch Simulationen bezüglich der Kühlung sollen möglich sein. Aerodynamische Komponenten dürfen allerdings nicht getestet werden, das verbietet das Reglement.

Im vergangenen Jahr sorgte Toro Rosso für Aufsehen, als das Team nach den enttäuschenden Testfahrten auf einem solchen Prüfstand bei AVL in Graz testete. Die Konkurrenz witterte einen illegalen Test, die FIA befand die Simulationen auf dem Rollenprüfstand allerdings für regelkonform.