Die Revolution nach der Revolution. Bei den Testfahrten in Jerez gehört eines der größten Themen der vergangenen Wochen noch immer zum Standard-Repertoire der Interviewrunden: Braucht die Formel 1 Motoren mit Power im vierstelligen PS-Bereich? Zuletzt schwärmten etwa Sebastian Vettel und Niki Lauda von der brachialen Lösung für mehr Spektakel, rohen Motorsport für echte Kerle, wie vor Jahrzehnten noch an der Tagesordnung.

Symonds gegen überstürzte Revolutionen, Foto: Sutton
Symonds gegen überstürzte Revolutionen, Foto: Sutton

"Ich mag die Idee der 1000-PS-Motoren. Ich mag die Idee von spektakulären Autos", sagt Pat Symonds, Technischer Direktor von Williams am Montag in Jerez. Allerdings sei das nicht das Allheilmittel, um die Formel 1 attraktiver zu machen. Zumal der Zeitpunkt für solch gravierende Einschnitte unpassend sei. "Ich denke, dass es viel zu früh nach Einführung der neuen Regeln ist, um über erneute radikale Änderungen nachzudenken", sagt Symonds.

Keine Angst vor Veränderungen

"Allerdings sollten wir auch niemals Angst vor der Veränderung haben", ergänzt der Technikchef. Die Formel 1 könne viel machen, um das Racing zu verbessern, besonders viel sogar, was Engagement und Präsenz in der Öffentlichkeit betreffe. "Im Moment sollte unser Hauptaugenmerk auf einem guten Geschäftsmodell liegen. Und darauf, dass die Zuschauer zusehen wollen", sagt Symonds.

Für unabdingbar hält der Brite dabei ein entsprechend großes Starterfeld. "Ich mag auch die Idee, viel mehr Autos im Grid zu sehen", sagt Symonds. Nach der Vorstellung des Briten ist eine gut gefüllte Startaufstellung für die Attraktivität der Königklasse demnach mindestens genauso wichtig wie spektakuläre Motoren-Power. Zumal es in der Entwicklungsabteilung bereits jetzt keinerlei Bestreben gebe etwa an der Lautstärke der Power Unit zu feilen. "Das interessiert uns alles nicht. Das zu kalkulieren wäre verschwendete Energie", sagt Symonds.

Leistung und Effizienz stünden über allem: "Insgesamt geht es in der Formel 1 doch darum, absolut herausragende Verbesserungen in Sachen Effizienz zu erzielen, die ins 21. Jahrhundert passen, für die Gesellschaft von Bedeutung sind und der Öffentlichkeit Ingenieurskunst zur Verfügung zu stellen", erklärt Symonds die Vorreiterrolle der Königklasse. Und überhaupt seien laute Motoren nicht die alleinige Lösung. "Ich fand es sehr schade, dass Leute von fehlendem Lärm gesprochen haben. Worauf es ankommt sind gutes Racing, Spektakel, und Wettbewerb", ergänzt Symonds.

Der Camo-Red-Bull begeistert jeden, Foto: Sutton
Der Camo-Red-Bull begeistert jeden, Foto: Sutton

Spektakel durch Optik, Design & Funkenflug

Das Grölen der Motoren zählt für den Briten also allenfalls als eines vieler gleichberechtigter Elemente, um die Attraktivität der Königsklasse zu pushen. Genauso dazu beitragen können innovative Chassis-Lösungen, Funkenflug und besondere Lackierungen. Genau das zeigen zurzeit die Testfahrten in Jerez und die Präsentationen der neuen Boliden. So werden besonders der neue Ferrari SF15-T, der McLaren-Honda MP4-30 sowie der Lotus E23 für ihre Optik geadelt - als "sexy", "elegant und "Schönheiten". Auch die durch neue Skid Blocks aufstiebende Funken begeistern Fans wie Journalisten.

Auf die Spitze treibt es jedoch Red Bull mit der spektakulären Camouflage-Lackierung des RB11 - neben der überraschenden Performance von Vettel in Ferrari und der bestechenden Mercedes-Frühform Gesprächsthema Nummer eins in Jerez. "Ich mag es, eine gute Idee", lobt Symonds. Dass Red-Bull-Teamchef Christian Horner obendrein die Spekulationen um eine noch extreme Lösung in Australien anheizt, garantiert nachhaltigen Rummel für die Königklasse. "Die Lackierung wird noch stärker ausfallen. Mal sehen, ob es eine Revolution oder Evolution der aktuellen Lackierung sein wird", sagt Horner.

2015 fliegen endlich wieder die Funken!, Foto: Sutton
2015 fliegen endlich wieder die Funken!, Foto: Sutton

Stabiles Reglement als Gleichmacher

Dennoch warnt Symonds indirekt davor, dass mittelfristig wieder eine gewisse Tristesse auftreten könnte: "Wir haben dieses Jahr ein paar verschiedene Interpretationen gesehen, was die Nase angeht. Aber je länger Regeln stabil bleiben, desto eher werden die Lösungen der Teams immer ähnlicher. Bereits jetzt haben wir in vielen Bereichen viele Ähnlichkeiten gesehen. In den nächsten Jahren werden wir das noch mehr beobachten, falls das Reglement stabil bleibt", sagt Symonds.

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