Der Motorenstreit steht kurz davor, über den kleinsten gemeinsamen Nenner gelöst zu werden: 32 Tokens (etwa 48 Prozent) dürfen über die gesamte Saison hinweg an den komplexen Power Units verändert werden, als Ausgangspunkt gelten die am 28. Februar 2014 homologierten Aggregate der drei Hersteller Mercedes, Ferrari und Renault. Doch ein Problem war sofort abzusehen: Neueinsteiger Honda hat noch gar keine Power Unit homologiert. Die FIA besteht darauf, dies bis Ende Februar geschieht. Eine Entwicklung während der Saison wäre ausgeschlossen. Ungerecht? Mit Sicherheit. Doch die folgenden Szenarien zeigen, wie schwierig es werden wird, Gerechtigkeit herzustellen.

Szenario 1: Honda diskriminiert

Eric Boullier hat die FIA bereits auf die Problematik hingewiesen, Foto: Sutton
Eric Boullier hat die FIA bereits auf die Problematik hingewiesen, Foto: Sutton

Der Status Quo: Die FIA hat in ihrer Lesart der Regeln den Motorenherstellern, die ihr Aggregat zum 28. Februar 2014 homologiert haben, erlaubt, die 32 Tokens, die vom Reglement her verändert werden dürfen, auch während der Saison zu modifizieren. Theoretisch kann ein Motorenhersteller die gesamte Saison mit dem 2014er-Aggregat bestreiten und die Power Unit zum letzten Rennen komplett in 32 Teilen verändern. Wahrscheinlicher ist, dass die Tokens über die Saison hinweg aufgebraucht werden, etwa mit jedem neuen Aggregat, das verwendet wird. Somit käme dem Power-Unit-Management eine noch größere Bedeutung zu.

Honda hingegen muss nach Lesart der FIA seine Power Unit zum 28. Februar 2015 homologieren. Zwar ist auch das nicht explizit in den Regeln vorgesehen, doch die Motorsportbehörde hat ihren Standpunkt deutlich gemacht. Honda dürfte demnach über die Saison hinweg nicht entwickeln, da die Power Unit für 2015 ja bereits Ende Februar feststeht. Noch mehr würde Honda treffen, dass 2016 nur mehr 16 Tokens verändert werden dürfen. Der Entwicklungsspielraum für die Japaner wäre deutlich kleiner.

Szenario 2: Vorteil Honda

Natürlich haben die Japaner und allen voran McLaren längst die FIA auf die Problematik hingewiesen. Das Ziel Hondas dürfte es sein, den Motor fest zu homologieren, und trotzdem die 32 Tokens für die Saison mitzunehmen, nach dem Motto: "Die Saison hat am 28. Februar 2015 noch nicht begonnen, deshalb sollen auch wir unter die Regel fallen, entwickeln zu dürfen." Es ist davon auszugehen, dass McLaren und Honda das Reglement an allen Ecken und Enden nach derartigen Schlupflöchern durchsuchen.

Die Abschlusstests 2014 zeigten, dass die Honda-Power noch unter Kinderkrankheiten leidet, Foto: Sutton
Die Abschlusstests 2014 zeigten, dass die Honda-Power noch unter Kinderkrankheiten leidet, Foto: Sutton

Wie auch immer, sollte es dazu kommen, wäre Gerechtigkeit aber auch nicht automatisch hergestellt: Honda dürfte einen ein Jahr später homologierten Motor im gleichen Maße verändern wie die Gegner. Man hätte so mehr oder weniger ein Jahr Vorsprung, schließlich hat McLaren natürlich über die Saison 2014 viel Know-how angehäuft. Während die Gegner also ältere Motoren modifizieren, könnte Honda erst ein schon von gewissen Erfahrungswerten profitierendes Aggregat homologieren, und dann sofort im gleichen Maße wie die Gegner modifizieren. Gleichheit würde in diesem Falle nicht Gerechtigkeit bedeuten.

Szenario 3: Die Kompromisslösung

Die wohl beste Möglichkeit, eine Bevorteilung in eine der beiden Richtungen zu verhindern, wäre die Ausarbeitung einer "Lex Honda". Der Motor muss bis Ende Februar homologiert werden, doch Honda bekommt eine gewisse Anzahl an Tokens, die geringer ist als diejenige der Gegner. Das Problem dabei: Wie hoch soll diese ausfallen? Der Vorteil, eine Unit ein Jahr später zu homologieren als die Gegner kann objektiv kaum bemessen werden. Wären 16 Tokens angemessen? Oder 24? Vielleicht 12? Oder ist der Vorteil so groß, dass es nur 5 sein sollen? Hier zeigt sich, dass zähe Verhandlungen notwendig wären und die Zeit den Beteiligten davonrennt.

Zur Erklärung: Die Power Unit besteht aus 66 Tokens. Das heißt aber nicht, dass es 66 Teile sind. Je nach Wichtigkeit sind die Tokens unterschiedlich gewichtet. Ein Teil zu verändern, kann bedeuten, drei Tokens zu verbrauchen. Fünf Tokens sind komplett eingefroren worden, von den restlichen 61 dürfen dieses Jahr 32 modifiziert werden, kommendes Jahr 16, bis es 2019 nur noch deren drei sind.