Eigentlich grenzt es an ein Wunder, dass John Surtees seinen 80. Geburtstag erleben durfte: In einer Zeit, in der die Fahrerfrauen zu jedem Rennen schwarze Kleidung mitnahmen, weil der Tod hinter jeder Kurve lauerte, fuhr der Brite die gefährlichsten Rennen der Welt. Dabei legte es Surtees darauf an: Erst fuhr er mit seinem Vater im Motorradgespann, später nahm er an der Motorradweltmeisterschaft teil und fuhr die Isle of Man Tourist Trophy. Nach neun Jahren ohne ernsthafte Verletzung forderte er sein Schicksal noch einmal aufs Neue heraus.

Nach zwei und drei Rädern sollte es in der Formel 1 noch eines mehr werden. "Sieg, Niederlage oder Tod. Nur die drei Chancen kennt dein Spiel", sang Udo Jürgens einst nach dem Tod seines Freundes Jochen Rindt. John Surtees kannte nur eine dieser drei Alternativen: den Sieg. Als Surtees am 11. Februar 1934 im Süden Londons das Licht der Welt erblickte, wurde ihm der Motorsport in die Wiege gelegt. Sein erstes Foto überhaupt, im Schoß seiner Mutter, wurde im Paddock von Brands Hatch aufgenommen. Schon früh begann er gemeinsam mit seinem Vater, einem Motorradhändler und erfolgreichem Motorradfahrer, an Seitenwagenrennen teilzunehmen - zu früh.

Gleich bei seiner ersten gemeinsamen Teilnahme siegte das Vater-Sohn-Gespann, doch wurde es nachträglich disqualifiziert. Mit 14 Jahren hätte John noch nicht an diesem Rennen teilnehmen dürfen, also wurde ihnen der Sieg aberkannt. Lange musste das junge Talent aber nicht auf seinen ersten regulären Erfolg warten. Nachdem er 1953 an seinem ersten Weltmeisterschaftslauf teilgenommen hatte, erhielt er im folgenden Jahr als 19-Jähriger ein Angebot für einen Platz beim Joe Craig Norton Werksteam für die Isle of Man TT. Wegen einer Verletzung des Handgelenks, die er sich beim Training mit dem Motorrad eines anderen Herstellers zuzog, konnte er dieses Angebot jedoch nicht annehmen, was sich auch später noch auf seine Karriere auswirken sollte.

Surtes war nicht nur auf vier Rädern schnell, Foto: Sutton
Surtes war nicht nur auf vier Rädern schnell, Foto: Sutton

Weil ihm Teamchef Joe Craig den Unfall auf einem Fremdfabrikat übel nahm, erhielt Surtees in den kommenden Jahren kein Werksangebot. Keine Werksunterstützung bedeutete, dass sich Surtees seine Rennmaschinen selbst kaufen musste - damals wie heute keine günstige Angelegenheit. Dennoch tat dies dem rasanten Aufstieg keinen Abbruch. 1955 erhielt er sporadisch ein Werksbike von Craig und fuhr in der 250cc-Klasse seinen ersten Weltmeisterschaftssieg ein. Im Jahr darauf ging er als Werkspilot für die italienische Marke MV Augusta an den Start und startete eine beispiellose Serie. Von 1956 bis 1960 holte er insgesamt sieben Weltmeistertitel und feierte mit MV Augusta 37 Siege.

Höhepunkt der Dominanz

Den Höhepunkt seiner Dominanz erreicht er 1959, als er alle Rennen der 350cc- und 500cc-Klasse gewann. Alleine sechsmal konnte er die Isle of Man TT gewinnen. 1960 fuhr Surtees zweigleisig: Während er zwei Motorradweltmeisterschaften gewann und einen Rekord bei der Isle of Man TT aufstellte, arbeitete er nebenbei an seinem Formel-1-Einstieg. "Das ist in England generell schlecht: Die Leute sind zu schnell mit dem, was sie haben, zufrieden", klagte Surtees einst über seine Landsleute. Er selbst war längst nicht mit dem Erreichten zufrieden. "Das Wichtigste, was ich in meinem Leben machen musste, war es, nicht andere Leute zufrieden zu stellen, sondern mich selbst." Gesagt, getan.

Noch 1960 nahm er an seinen ersten Formel-1-WM-Läufen teil. Schon bei seinem zweiten Rennen konnte er für Lotus einen herausragenden zweiten Platz beim Großen Preis von Großbritannien in Silverstone feiern. Nach seiner überzeugenden Leistung erhielt der damals 26-Jährige ein Angebot als Nummer-eins-Fahrer von Lotus-Gründer und Teamchef Colin Chapman für die Saison 1961. Surtees lehnte ab - weil er zu großes Konfliktpotential sah. Also heuerte er beim Yeoman Credit Racing Team an, das einen Cooper T53 - das Weltmeisterauto aus dem Vorjahr - einsetzte. Besonders erfolgreich verlief das Jahr nicht, mit vier Punkten reichte es nur zu Platz zwölf.

Dennoch erhielt er am Ende der Saison erneut ein reizvolles Angebot. Kein geringerer als Enzo Ferrari wollte sich die Dienste des Briten sichern. "Nicht jetzt, aber vielen Dank." Mit diesen Worten lehnte Surtees das Angebot ab. Er blieb noch ein weiteres Jahr bei Yeoman, das von Bowmaker übernommen wurde. Nach überzeugenden Leistungen und Platz vier in der Weltmeisterschaft hatte er nun sein Grundstudium in der Formel 1 absolviert und sah sich für höhere Aufgaben gerüstet. Diese Aufgabe hieß Ferrari. Bei der Mythosmarke angekommen, gab es schon im ersten Jahr Zwist mit Teamchef Eugenio Dragoni. Beim 12-Stunden-Rennen von Sebring musste Surtees, der sich ein Auto mit Ludovico Scarfiotti teilte, seinen Ferrari 250P seinem Teamkollegen überlassen.

Scarifiotti musste Surtees schließlich dazu überreden, überhaupt noch am Rennen teilzunehmen. Mit Wut im Bauch fuhr das Duo den Sieg ein. Die Formel-1-Saison verlief durchwachsen: Seinem ersten Sieg und zwei weiteren Podiumsplatzierungen standen sechs Ausfälle und eine Disqualifikation gegenüber. 1964 sollte dann das Jahr des John Surtees werden. Gemeinsam mit Lorenzo Bandini gelang ihm beim Saisonhighlight in Le Mans der dritte Platz. Doch die gleichzeitige Vorbereitung auf Le Mans und Formel 1 forderte auch ihre Opfer. So war der neuentwickelte Ferrari 158 nicht von Anfang an konkurrenzfähig, die fehlenden Testkilometer wirkten sich zudem auf die Haltbarkeit des Boliden aus.

Herber Rückschlag

Mit einem fulminanten Schlussspurt und zwei Siegen schaffte es Surtees aber doch noch: Dank Streichresultaten holte er die Weltmeisterschaft mit einem Punkt Vorsprung auf Graham Hill. 1965 folgte sogleich ein herber Rückschlag. Ferrari konnte Surtees kein konkurrenzfähiges Material zur Verfügung stellen, große Erfolge blieben aus. Die Saison fand zudem ein frühzeitiges Ende, weil beim Training zu einem Sportwagenrennen in Kanada die Aufhängung an seinem Lola brach und er schwer verunglückte. Nur knapp konnte er dem Tod entrinnen, doch das Ende der Motorsportkarriere war noch lange nicht erreicht. 1966 ging er in eine weitere Saison mit Ferrari, doch es sollte die letzte beim Traditionsrennstall werden.

Es kam zum endgültigen Bruch zwischen Surtees und Dragoni, woraufhin er nach zwei Rennen als Meisterschaftsführender Ferrari verließ und bei Cooper anheuerte. Doch die Unzuverlässigkeit des Cooper T81 verhinderte den zweiten Weltmeistertitel Surtees' und er musste sich mit WM-Rang zwei zufriedengeben. Die Wunden der gescheiterten Ferrari-Beziehung sitzen noch heute tief. "Der Rennstall Ferrari ist zu so viel mehr fähig, als er es jemals geschafft hat", erzählt Surtees rückblickend. "Intrigen und Politik haben das verhindert, aber das ist Italien - auch wenn ich Italien liebe."

Später wechselte Surtees zu Honda und anschließend zu BRM, wo er nur wenig Erfolge feierte. Bei beiden Teams entwickelte das von ihm ins Leben gerufene Team Surtees einzelne Teile der Fahrzeuge, bevor 1970 die vollkommene Eigenständigkeit kam. Die Gründung des eigenen Teams war aber keine Trotzreaktion auf die Diskrepanzen mit der Ferrari-Führungsriege, wie Surtees noch heute betont: "Ich wollte nie mein eigener Boss sein, Racing ist ein Mannschaftssport." Team Surtees vertraute zunächst auf Kunden-McLaren und setzte später den TS7, eine Eigenentwicklung ein.

Obwohl die Einsätze alles andere als von Erfolg gekrönt waren, ging Surtees auch 1971 mit seinem eigenen Team an den Start. Nachdem Jahr zwei in Eigenregie ähnlich erfolglos verlief, zog er sich im Jahr darauf fast komplett als aktiver Rennfahrer zurück. Doch das Team Surtees blieb noch weiter bis 1978 bestehen, 1979 musste Surtees das Team wegen Geldproblemen aufgeben. Zwischen 1951 und 1972 nahm Surtees an 348 Motorradrennen, 111 F1-GP und 62 Sportwagenrennen teil. 521 Mal setzte der heute 80-Jährige sein Leben aufs Spiel. In einer Zeit, in der tödliche Unfälle fast an der Tagesordnung waren, gewann Surtees das Russische Roulette 521 Mal. Sein Sohn Henry hatte weniger Glück: Bei seinem achten Rennen in der Formel 2 verunglückte er im Alter von 18 Jahren tödlich.

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