"Du bist schneller als Massa, überhol ihn! Du bist schneller als Massa! Verstanden?" In Malaysia hatten noch nicht alle verstanden, heute schon. Mit Valtteri Bottas schickt sich ein neuer Superstar aus dem hohen Norden an, die Formel 1 zu erobern. In seiner Heimat, Finnland, beginnt er bereits am Heiligenschein von Kimi Räikkkönen zu kratzen.

Auch wenn Bottas' Vita weder einen WM-Titel, noch 20 GP-Siege aufweist, so zweifelt kaum einer daran, dass er an die Erfolge seines Landsmannes oder an jene von Mika Häkkinen oder Keke Rosberg herankommen kann. "Ich bin absolut davon überzeugt, dass Valtteri ein zukünftiger Weltmeister ist", sagt Pat Symonds, der in seiner 30-jährigen F1-Karriere mit Fahrergrößen wie Ayrton Senna, Michael Schumacher und Fernando Alonso gearbeitet hat. Letzteren könne Bottas karrieretechnisch sogar übertreffen, glaubt Symonds.

"Ich sehe viele Gemeinsamkeiten zwischen Fernando und Valtteri. Meiner Meinung nach hat Valtteri das Potenzial, noch erfolgreicher zu werden als Fernando." Eine Vorhersage, die Motorsport-Magazin.com-Experte Christian Danner nicht völlig ad absurdum führen will. "Cool genug ist Valtteri", meint Danner. Als Finne besitzt Bottas nicht nur deren fast schon legendäre Coolness, sondern auch SISU. Dabei handelt es sich um die Charakterstärke der Finnen, um die mentale Stärke, den absoluten Willen sein Bestes zu geben und niemals aufzugeben, wenn man sich für etwas entschieden hat.

Und Bottas hat sich entschieden, der beste Fahrer der Welt zu werden. Diesen Traum träumt er seit seinem vierten Lebensjahr, als er mit seinem Vater an einer Reklametafel für ein Kartrennen in Lahti vorbeifuhr. Klein-Valtteri überredete seinen Vater, der keinerlei Motorsporthintergrund besaß, das Rennen anzusehen. "Mein Vater hat mir später erzählt, dass ich noch nie so ruhig gesessen habe wie an diesem Tag", erinnerte sich Bottas. 20 Jahre später saß er in einem F1-Cockpit. Die Saison 2013 war für den Finnen prägend. Williams ging durch ein Tief und war nicht gerade der ideale Ort, um eine viel beachtete Premierensaison hinzulegen.

Bottas kennt den Geschmack von Champagner, Foto: Sutton
Bottas kennt den Geschmack von Champagner, Foto: Sutton

Mit unterlegenem Material konnte Bottas nur ab und an sein Talent aufblitzen lassen wie mit Startplatz drei in Kanada oder mit Platz acht beim Großen Preis der USA. "Es war definitiv ein tolles Gefühl, dass ich endlich meine Pace zeigen konnte. Ich konnte endlich ein wenig davon zeigen, zu was ich in einem Formel-1-Auto fähig bin", erinnert sich Bottas. Diesem kurzen Aufblitzen folgte 2014 ein regelrechtes Feuerwerk. Angefangen mit Platz fünf beim Saisonauftakt in Melbourne folgten in Österreich, Großbritannien und Deutschland drei Podestplätze in Serie. In Spa-Francorchamps überholte Bottas vier Runden vor Rennende Kimi Räikkönen und stieß den Ferrari-Piloten damit vom Podest.

Auf dem Weg zum Außergewöhnlichen

Während Bottas 2013 mit mageren vier WM-Punkten da stand, hat er in diesem Jahr 186 Zähler eingefahren - 19 mehr als der vierfache Weltmeister Sebastian Vettel und 131 mehr als Landsmann und Weltmeister Kimi Räikkönen. Auf seinem Weg in die Königsklasse des Motorsports absolvierte Bottas nicht nur sämtliche Rennklassen, sondern auch eine Ausbildung als KFZ-Mechaniker. "Das war nie die Karriere, die ich für mich geplant hatte", stellt Bottas die Sachlage im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com klar.

"Ich fahre seit ich sechs Jahre alt bin Rennen. Ich wollte stets Rennfahrer werden, nie Mechaniker - aber die Ausbildung hat definitiv nicht geschadet [lacht]. Die Technik eines F1-Autos ist sehr speziell und detailliert. Je mehr man davon versteht, desto besser ist es." Neben seinem technischen Verständnis punktet der 25-Jährige mit Talent, Schnelligkeit und Fleiß. "Meine Meinung über Valtteri hat sich seit dem ersten Test nicht geändert. Er ist ein großartiger Fahrer. Er ist extrem schnell und gibt uns ein kompetentes Feedback, auch während des Rennens", schwärmt Rob Smedley.

Während manch andere Rennfahrer nach den ersten Erfolgen zur Primadonna mutieren, bleibt Bottas mit den Füßen auf dem Boden. "Er ist im Vergleich zu anderen in keiner Art und Weise verwöhnt. Es ist sehr leicht, mit ihm zu arbeiten. Er akzeptiert Vorschläge, nicht nur was seinen Fahrstil angeht, sondern auch in punkto Kommunikation", verriet Smedley. "Meine Anerkennung für Valtteri nimmt wöchentlich zu. Er ist ein sehr guter Rennfahrer, aber er kann noch ein außergewöhnlicher Fahrer werden." Wie ihm der Sprung vom guten zum außergewöhnlichen Fahrer, den nur wenige schaffen, gelingen soll, verriet Bottas selbst gegenüber Motorsport-Magazin.com.

"Der Beste in der Formel 1 zu sein, ist nicht leicht, aber es muss das Ziel eines Rennfahrers sein. Dafür muss man gewillt sein, zu lernen und sich weiterzuentwickeln. Ich hoffe, dass ich noch eine lange Karriere vor mir habe und somit viel Zeit, um mich zu verbessern, um mich Rennen für Rennen in allen Bereichen zu steigern", fuhr er fort. Während andere Piloten von ihren Team-Untergebenen erwarten, dass sie ihnen ein schnelles Auto einfach so hinstellen, nimmt Bottas das selbst in die Hand. Noch vor seiner ersten Saison mit Williams kaufte er sich in der Nähe von Grove eine Wohnung, um regelmäßig in der Fabrik vorbeizuschauen und in einigen Abteilungen auszuhelfen.

Bottas Verttrag läuft bis Ende 2015, Foto: Sutton
Bottas Verttrag läuft bis Ende 2015, Foto: Sutton

Damit hat sich der Finne nicht nur bei der Entwicklung des Boliden einbringen können, sondern auch seinen Stand im Team gefestigt. "Bottas wurde bei Williams von Anfang an für voll genommen. Williams wusste genau, was er kann, auch wenn es einmal nicht so gut lief. Er hat sich im Team etabliert", weiß Danner. "Valtteri ist einfach ein supercooler Typ. Er weiß, was er macht und was ich an ihm so großartig finde, ist, dass er nicht wegen des Geldes in der Formel 1 fährt. Ihm geht es einzig und allein ums Rennfahren."

Noch ein Jahr Williams und dann?

Kein Wunder, dass sich der britische Traditionsrennstall die Dienste des Finnen für ein weiteres Jahr gesichert hat. "Wenn man ein Talent wie Valtteri hat, dann gibt es viele Teams, die die Fühler nach ihm ausstrecken", erklärte Teamchefin Claire Williams. "Valtteri ist sehr loyal und ich wusste, dass er mit uns weitermachen will." Bottas selbst genießt die gesteigerte Aufmerksamkeit, noch mehr genießt er aber die Ergebnisse, die er dieses Jahr einfährt. "Ich will immer mehr und mich weiter verbessern. Mein Ziel ist es immer gewesen, Weltmeister zu werden. Jetzt will ich es noch mehr", betonte der Finne.

Die Frage ist, kann Bottas mit Williams Weltmeister werden? Technikdirektor Pat Symonds will seinen Rohdiamanten aus Nastola auf keinen Fall verlieren. "Ich setze alles daran, dass Valtteri mit Williams Weltmeister wird", betonte der 61-Jährige. Sein neuer Vertrag läuft offiziell ein Jahr, womit Bottas 2016 zum Hauptdarsteller auf dem Formel-1-Transfermarkt werden könnte. Auf der britischen Insel heißt es, dass McLaren seine Fühler bereits in finnische Gefilde ausgestreckt hatte, doch einen Korb bekam. Sollte sich allerdings McLaren Honda nächstes Jahr als Erfolg entpuppen, könnte sich das Nein schnell in ein Ja verwandeln.

Fakt ist, dass alle finnischen GP-Sieger früher oder später bei McLaren gelandet sind - Keke Rosberg (1986), Mika Häkkinen (1993-2001), Kimi Räikkönen (2002-2006) und Heikki Kovalainen (2008-2009). Wahrscheinlicher ist allerdings, dass sich - sollte der Stern von Williams erneut sinken - ein anderes Team mit Stern die Dienste des Finnen sichert. Immerhin gilt Bottas als Zögling von Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff und wird von einer Agentur gemanagt, die dem Österreicher gehört. Wolff hätte mit dem Finnen ein Ass im Ärmel, sollte sein Fahrerduo das Kriegsbeil wieder ausgraben.

Nicht auszuschließen ist auch ein Wechsel zu Ferrari, wo Bottas seinen Landsmann Kimi Räikkönen beerben könnte. Räikkönen hat bereits angedeutet, sich nach seinem Vertragsende 2015 in seine zweite Formel-1-Pension verabschieden zu wollen. McLaren, Mercedes, Ferrari oder Williams - es gibt wahrlich schlechtere Aussichten. Am Ende wird jenes Team das Rennen machen, das Bottas seinen Traum vom Weltmeistertitel erfüllen kann.

Dieser Artikel stammt aus der Printausgabe des Motorsport-Magazins. Rund um Weihnachten veröffentlichen wir die besten, unterhaltsamsten und spannendsten Geschichten aus unserem Heft. Auf den Geschmack gekommen? Probiere das Motorsport-Magazin als Hochglanzmagazin aus! Unter folgendem Link kannst du unser Heft für 3 Ausgaben zum Sonderpreis bestellen:

Unser Magazin gibt es natürlich auch für die Mitglieder der digitalen Welt von heute. Lies es als ePaper auf deinem Computer oder hole es dir ganz modern auf dein Smartphone oder Tablet - via Apple App Store für iPhone und iPad, über den google PlayStore für dein Android-Gerät oder für kindle fire. Klicke einfach auf den nachstehenden Link oder suche nach der App mit dem Namen "Motorsport-Magazin HD".