Wie Fällt Ihr Fazit nach der Saison 2014 aus?
Dr. Helmut Marko: Wir haben nach einer nahezu hoffnungslosen Situation nach den Tests noch ein respektables Ergebnis herausgeholt, indem wir drei Grands Prix gewinnen konnten und Zweiter in der Konstrukteurs-Meisterschaft wurden.

Kann man schlussendlich mit der Saison einigermaßen zufrieden sein?
Dr. Helmut Marko: Nach dem, was sich nach den Tests abgezeichnet hat, ja. Das Recover, das zusammen mit Renault gelungen ist, war okay, aber es ist natürlich nicht zufriedenstellend. Vor allem, wenn man hier wieder gesehen hat, wie der Mercedes-Motor nicht nur beschleunigt, sondern er ist uns auch in puncto Fahrbarkeit Meilen voraus. Da muss viel geschehen, wenn wir in die Nähe kommen wollen.

Ricciardo gewann drei Rennen für Red Bull, Foto: Red Bull
Ricciardo gewann drei Rennen für Red Bull, Foto: Red Bull

Kennen Sie schon Details zum flexiblen Frontflügel, der zum Qualifying-Ausschluss geführt hat?
Dr. Helmut Marko: Es war ein nicht ganz geschickter Versuch von uns, in dieser Flügelverbiegungssache zu einigen anderen aufzuschließen. Man muss in der Formel 1 überall ans Limit gehen, aber dieser Weg war vielleicht nicht der geschickteste.

Wurden bereits neue Motorenteile für nächstes Jahr getestet?
Dr. Helmut Marko: Nein, motormäßig ist alles noch beim alten. Es gab heute leider drei Motorschäden bei Renault. Wir sind bei Toro Rosso mit den Ergebnissen von Verstappen zufrieden, er macht die entsprechenden Fortschritte. Und bei Red Bull wurde einiges schon für das nächstjährige Auto getestet. Wir wollten zwar mehr Runden fahren, aber im Großen und Ganzen konnten wir unser Programm abspulen.

Wissen Sie, woran die Motorschäden lagen?
Dr. Helmut Marko: Von Renault ist keiner der Zuständigen da. Sie müssen die Motoren erst zerlegen, aber ich glaube nicht, dass es mit der Laufleistung direkt zusammenhängt. Ich weiß nicht, wie viele Kilometer der Motor von Stevens hatte, aber unsere sind nicht von der Kilometerleistung anfällig oder defekt geworden.

Red Bull würde ab 2016 gerne Bi-Turbos einsetzen. Wie sieht es diesbezüglich aus?
Dr. Helmut Marko: Es wurde gestern in Genf von Jean Todt abgelehnt, aber wir haben Zeit bis Februar. Wir wollen eine andere Lösung. Dieser Motor ist immens teuer, es ist eine Verdoppelung der Kosten gegenüber dem Vorjahr. Er erzeugt nicht den nötigen Sound und, was für uns neben den Kosten das aller störendste ist, es ist eine Ingenieursformel. Man braucht acht Leute, damit der Motor startet, und wenn man hört, welche Informationen in einer Safety-Car-Phase an den Fahrer gehen und was er bewegen muss, damit das Triebwerk am Leben bleibt... Ich glaube nicht, dass die Formel 1 dazu da ist, um Spritsparmodelle zu entwickeln. Das Gesamtpaket passt nicht.

Und Ihr Vorschlag wäre konkret ein doppelt aufgeladener Turbo mit Einheits-Hybridsystem?
Dr. Helmut Marko: Ja. Man könnte beispielsweise den ganzen Verbrennungsmotor nehmen und einen zweiten Turbo draufsetzen. Diese Berechnungen wurden ja von Leuten gemacht, die etwas verstehen. Man kommt deutlich unter zehn Millionen und die Entwicklungskosten gibt es einmal, haben aber bei weitem nicht jenes Maße, als wenn das Reglement mit den bestehenden Power Units 2016 frei wird. Dann gibt es eine Kostenexplosion.

Motorschäden standen bei Red Bull an der Tagesordnung, Foto: Sutton
Motorschäden standen bei Red Bull an der Tagesordnung, Foto: Sutton

Sie gehen davon aus, dass der Engine-Freeze komplett aufgehoben wird?
Dr. Helmut Marko: Ab 2016 sind derartig viele Freiheiten gegeben, dass wieder ein immenser Entwicklungskostenschub kommt.

Aber eigentlich war der Plan ja, immer weniger Teile auszutauschen.
Dr. Helmut Marko: Ja, aber das funktioniert ja nicht. Man hat ja gesehen, dass Ferrari und Renault meilenweit von Mercedes weg sind. McLaren hatte auch keine glücklichen Testtage hinter sich, obwohl sie eigentlich weniger Zeit hatten und man hätte annehmen können, sie hätten aus unseren Fehlern gelernt. Aber das zeigt die Komplexität dieser Systeme.

Für 2015 wird es definitiv zu keinen Änderungen mehr kommen?
Dr. Helmut Marko: Das wäre ja zeitlich nicht mehr möglich. Wir nützen die Vorgaben, die im Reglement gegeben sind und hoffen, dass wir damit näher an Mercedes rankommen.

Sebastian Vettel war bei den Testfahrten in der Ferrari-Box. Was sagen Sie dazu?
Dr. Helmut Marko: Laut Vertrag wäre es nicht gestattet gewesen, aber wir sehen, wie notwendig zumindest ein Fachmann in der Box ist. Deshalb haben wir gerne die Augen zugedrückt, damit der Sebastian bereits sein Know-How einbringt (lacht).

Sebastian hatte zunächst die Freigabe für die Testfahrten, dann wurde sie ihm wieder entzogen. Wie ist dieses Hin und Her zu erklären?
Dr. Helmut Marko: Er hat mich noch in Suzuka gefragt, ob er hier testen kann. Ich habe gesagt, generell ja, ich sehe keine Probleme, muss aber mit den Technikern reden. Die Techniker haben Zeter und Mordio geschrien und deshalb wurde es zurückgezogen.

Vettel schaute in der Ferrari-Box vorbei, Foto: Sutton
Vettel schaute in der Ferrari-Box vorbei, Foto: Sutton

Es wirkt so, als wäre die Traumbeziehung zwischen Vettel und Red Bull ein wenig zerrüttet zu Ende gegangen. Sehen sie das auch so?
Dr. Helmut Marko: Gar nicht. Dass Sebastian gerne hier gefahren wäre, ist verständlich. Aber es hat einen Funkspruch im Training gegeben, in dem Sebastian sagte, er hätte überhaupt keinen Downforce mehr und unsere Ingenieure antworteten, sie könnten nichts sehen. Er meinte darauf, mein Popometer sagt mir aber, dass etwas nicht stimmt. Und dieses Popometer scheint ja sehr ausgeprägt zu sein, und wenn er unmittelbar von Sonntag auf Dienstag in ein anderes Auto steigt, kennt er all diese Unterschiede bis ins letzte Detail. Wenn er es im Februar macht, ist diese Empfindlichkeit nicht mehr in dem Ausmaß gegeben. Wir können ja keinen direkten Konkurrenten auf diese Weise stärken, noch dazu wo es vertraglich so klar ist. Aber ich nehme die Sache auf mich, ich habe zuerst gesagt ja, aber ich muss mit den Technikern reden.

Als war es letztlich ein Missverständnis?
Dr. Helmut Marko: Kein Missverständnis. Ich habe es nicht so eng gesehen, muss den Technikern im Nachhinein aber Recht geben. Ich war eine Spur zu voreilig.

Wie sieht es bezüglich des zweiten Toro-Rosso-Cockpits aus?
Dr. Helmut Marko: Das verkünden wir am Montag.

Carlos Sainz Jr. hat sich ja ganz gut geschlagen...
Dr. Helmut Marko: Beide Junioren [Verstappen und Sainz], die hier gefahren sind, haben sich gut geschlagen. Lynn mit Lotus ist schwer einzuschätzen.

Jean-Eric Vergne ist nicht mehr in der Verlosung?
Dr. Helmut Marko: Nein, der hat schon auf Twitter verkündet, dass er nicht mehr für Toro Rosso fährt.