Gleich vier Fahrer haben beim Saisonfinale noch Chancen auf die WM-Krone - einmalig in der Geschichte der Formel 1. Begünstigt ist der Umstand auch durch die neue Punkteregel, die einen Sieger mit 25 Punkten belohnt. Dadurch hat selbst Hamilton mit 24 Punkten Rückstand noch die theoretische Möglichkeit auf den ganz großen Coup.

WM-Führender ist Fernando Alonso, der mit acht Punkten Vorsprung auf Mark Webber nach Abu Dhabi reißt. Sebastian Vettel ist Dritter mit 15 Punkten Rückstand. Eine solche Konstellation ruft die Rechenkünstler auf den Plan, welche Position würde wem zum WM-Triumph reichen? Am Ende ergeben sich 330 Möglichkeiten - ein spannendes WM-Finale ist angerichtet.

Alonso ist in seinem ersten Jahr mit Ferrari der große Favorit, der die Entscheidung zu seinen Gunsten selbst in der Hand hat. Webber braucht einen Sieg und bestenfalls Schützenhilfe von seinem Teamkollegen Vettel, da schon ein zweiter Platz von Alonso ihm nicht reichen würde. Vettel selber gibt sich zwar kämpferisch, sieht aber auch ein, dass er am Ende das Zünglein an der Waage für seinen Teamkollegen Webber sein kann.

Mark Webber zeigte Nerven im Saisonfinale, Foto: Sutton
Mark Webber zeigte Nerven im Saisonfinale, Foto: Sutton

Der Heppenheimer setzt im Qualifying jedoch die erste Duftmarke und sichert sich seine zehnte Pole der Saison - der Beginn eines unglaublichen Wochenendes für den Red-Bull-Piloten. Hamilton hält seine minimalen Chancen mit dem zweiten Platz am Leben, Alonso wird dritter, Webber platziert sich als Fünfter.

Auch am Start führt kein Weg an Vettel vorbei, Hamilton kommt zwar nah heran aber nicht vorbei. Alonso muss Button ziehen lassen, verteidigt aber Rang vier gegen Webber - für Alonso zu dem Zeitpunkt der Hauptkonkurrent. Gleich nach dem Start wird das Feld aber schon wieder eingebremst. Eine Kollision von Michael Schumacher und Vitantonio Luizzi verursacht noch in der ersten Runde eine Safety Car Phase. Einige Fahrer entschließen sich daraufhin zum frühen Stopp, darunter auch Nico Rosberg und Vitaly Petrov - eine Entscheidung, die das Titelrennen beeinflussen wird.

Nach dem Neustart kann sich Vettel von Hamilton absetzen. Alonso bleibt Vierter vor Webber - der Platz würde ihm genügen, auch wenn Vettel gewinnt. Webber sieht in den folgenden Runden kein Land gegen Alonso, weiß aber, dass er vorankommen muss, um Weltmeister zu werden. Nach einer leichten Berührung mit der Leitplanke und nachlassenden Reifen entscheidet sich Red Bull für einen frühen Stopp mit der Hoffnung, dass der Australier mit den besseren härteren Reifen mehr reißen kann.

An Petrov ist kein Vorbeikommen für Alonso, Foto: Sutton
An Petrov ist kein Vorbeikommen für Alonso, Foto: Sutton

Bei Ferrari führt Webbers früher Stopp zu einigem Kopfzerbrechen. Webber ist als Fixpunkt um den Titel ausgemacht worden und man entscheidet sich bei Ferrari für dieselbe Strategie - ein folgenschwerer Fehler. Erst wird Massa zum Reifenwechsel geholt, wenige Runden später Alonso, der sich zwar vor Webber wieder einreiht, aber hinter Rosberg und Petrov und außerhalb der Punkte.

Das damit die WM-Entscheidung bereits gefallen ist, kann sich zu dem Zeitpunkt noch keiner Wissen, doch der Russe Petrov wird für Fernando Alonso in diesem Rennen nicht zu überwinden sein. Der Renault von Petrov hat auf der Geraden eine Geschwindigkeit, die es dem Spanier unmöglich macht, wirklich gefährlich heranzukommen. Alonso versucht es etliche Male, riskiert alles, rutscht einmal sogar von der Strecke. Sein Renningenieur fleht, bettelt und betet ihn über Funk an, endlich den Renault zu überholen - doch an Petrov ist kein Vorbeikommen.

Vettel gelingt der ganz großer Coup: Weltmeister 2010, Foto: Bridgestone
Vettel gelingt der ganz großer Coup: Weltmeister 2010, Foto: Bridgestone

Sebastian Vettel kontrolliert hingegen das Rennen. Von seinem Team wird er angehalten, so lange wie möglich auf den für Abu Dhabi ungeliebten weichen Reifen auszuhalten, um ein ähnliches Szenario wie Alonso und Webber zu vermeiden. Nach seinem Stopp übernimmt kurzzeitig Button die Führung, fällt aber nach seinem Stopp auf Platz drei zurück. Wichtiger für Vettel ist aber, dass auch Robert Kubica im zweiten Renault nach einem langen ersten Stint, sich nach seinem Stopp direkt vor Petrov und Alonso einreiht. Der Spanier ist Siebter - deutlich zu wenig für den Titel. Wenn Vettel siegt, muss er mindestens vierter werden.

Runde um Runde rückt die Sensation näher. Vettel würde 15 Punkte Rückstand egalisiert - der größte jemals aufgeholte Rückstand im letzten Rennen. Alonso beißt sich am Ende vergeblich die Zähne am Renault von Petrov aus. Unfassbare 40 Runden hängt er hinter dem Renault fest und beendet das Rennen lediglich als Siebter. Vettel gewinnt am Ende das Rennen, dahinter platzieren sich Hamilton, Button, Rosberg, Kubica und Petrov alle vor Alonso und machen den Heppenheimer zum zweiten deutschen Weltmeister - sechs Jahre nach dem letzten Triumph von Michael Schumacher.

Emotionaler Moment für Vettel bei der Siegerehrung in Abu Dhabi, Foto: Red Bull/GEPA
Emotionaler Moment für Vettel bei der Siegerehrung in Abu Dhabi, Foto: Red Bull/GEPA

Zu keinem Zeitpunkt der Weltmeisterschaft führt Vettel die Wertung an, erst nach dem letzten Rennen steht sein Name über allen anderen - perfektes Timing. Nach dem Überqueren der Ziellinie wird Vettel von seinen Gefühlen übermannt. Über Funk ist Vettel kaum zu klaren Worten imstande, unter Freudentränen winselt er lediglich in den Funk: "Thank you boys...unbelievable...." Christian Horners überschwängliche Reaktion: "Sebastian Vettel, you are the Worldchampion. Well done, enjoy it. You are the man!"

Der WM-Titel in Abu Dhabi ist der Beginn einer Ära von Red Bull und Vettel. Auch in den folgenden drei Jahren gewinnt Vettel und Red Bull die Weltmeisterschaft. 2011 und 2013 setzt sich Vettel überlegend mit mehr als hundert Punkten Vorsprung durch. 2012 wird das Saisonfinale in Brasilien erneut zum Krimi zwischen ihm und Alonso - wieder mit dem besseren Ende für den Heppenheimer.