Zwei Zehntel trennten Pole-Setter Nico Rosberg am Ende vom ersten nicht-Silberpfeil-Verfolger Felipe Massa. Das Qualifying war enger als erwartet. "Erst nach den letzten Runs wussten wir, dass wir erneut beide Autos in Reihe eins hatten", gestand Paddy Lowe. Doch kann Williams Mercedes auch im Rennen ärgern? Können Felipe Massa und Valtteri Bottas vielleicht sogar die Weltmeisterschaft wieder offener gestalten? Motorsport-Magazin.com macht die Favoriten-Analyse zum Brasilien GP.

Rosberg muss in Brasilien mindestens elf Punkte mehr holen als Hamilton, damit er die Weltmeisterschaft in Abu Dhabi wieder aus eigener Kraft gewinnen kann. Gewinnt Rosberg, darf Hamilton also bestenfalls Vierter werden.

Zunächst muss Rosberg das Rennen erst einmal gewinnen. Dass das auch von Pole Position aus nicht so ganz einfach ist, hat er zuletzt mehrmals gezeigt. Aber Sao Paulo ist anders: Zum ersten Mal in dieser Saison hat Rosberg jede einzelne Trainingssession für sich entschieden. Sogar im Qualifying stand sein Name in jedem Segment ganz oben.

Rosberg Vorsprung schmolz aber von Segment zu Segment. Am Ende waren lediglich 33 Tausendstelsekunden übrig. Trotzdem: So dominant war Rosberg die ganze Saison noch nicht. Aber ob es auch im Rennen reicht? Longruns gab es am Freitag nicht. Zumindest die beiden Mercedes-Piloten holten das aber im dritten Freien Training nach. Ein klarer Favorit lässt sich danach aber auch nicht ausmachen. Hamiltons Fehlerquote war aber insgesamt deutlich höher. Vorteil Rosberg.

Nach dem US GP wurde im Team Rosberg Fehleranalyse betrieben. "Ich habe gemeinsam mit dem Team analysiert, warum es in Austin nicht perfekt für mich gelaufen ist", gesteht Rosberg. Und dabei will der 29-Jährige mit seinem Team etwas gefunden haben. "Ich bin zuversichtlich, dass ich in diesem Rennen besser sein kann."

Der erste Schlüsselmoment wird der Start. Rosbergs Starts waren zuletzt stark. In Sao Paulo startet der Herausforderer erneut von der sauberen Linie. Schon da darf er auf Schützenhilfe von Felipe Massa hoffen: Der Brasilianer startet von Platz drei und damit ebenfalls von der sauberen Seite. Massa zeigte in dieser Saison regelmäßig Mega-Starts.

Die Frage lautet dann: Kann der Williams auch im Renntrimm die Mercedes ärgern? Im Qualifying hätte es sogar noch etwas gefährlicher für Rosberg und Hamilton werden können. Denn Massa musste seinen letzten Run in Q3 abbrechen, weil ihm der Benzindruck einen Strich durch die Rechnung machte.

Williams kommt Reifenwahl entgegen

"Das Auto fühlt sich schon das gesamte Wochenende über gut an und obwohl Mercedes noch ein bisschen mehr reinen Speed hat als wir, scheint die Lücke etwas kleiner", meint Massa. "Wir haben heute sehr konkurrenzfähig ausgesehen und waren ziemlich nah an Mercedes dran", stimmte Bottas, der ebenfalls kein perfektes Q3 erwischte, seinem Teamkollegen zu.

Williams kommt die geänderte Reifenwahl Pirellis besonders entgegen: In Austin und Sochi hatte der Traditionsrennstall besonders mit den Mediums zu kämpfen. In Brasilien sind die Mediums verhältnismäßig eher auf der weicheren Seite. Das gefällt dem FW36.

Topspeeds im Qualifying zum Brasilien GP

Massa342,9
Bottas 339,4
Maldonado337,1
Perez336,3
Hamilton335,9
Rosberg335,7
Hülkenberg331,1
Magnussen331,1
Button330,4
Gutierrez330,2

Ebenfalls gut für Williams: Die Topspeeds. Können sie den Quali-Speed mit ins Rennen nehmen und an den Mercedes dran bleiben, könnte es gefährlich werden für die Werks-Mercedes. Auch über die Strategie kann viel gehen, Pirelli prognostiziert drei Stopps. Weil sich die Katze in Sao Paulo wegen der niedrigen Rundenzeiten schnell in den Schwanz beißt, ist die Strategie besonders interessant. Auf der einen Seite droht Verkehr durch Überrundete, auf der anderen Seite jene Autos, die noch nicht gestoppt haben.

Die Lücke hinter Williams ist groß. McLaren ist zu langsam, auch Red Bull wird im Renntrimm nicht an Bottas und Massa herankommen. "Es wird hart, Mercedes und Williams von dort aus zu schlagen, wo wir stehen", gesteht auch Vettel. Ob sich letztendlich McLaren, Red Bull oder Ferrari hinter Williams durchsetzten wird, ist schlichtweg unmöglich vorherzusagen. Zwischen Button auf fünf und Räikkönen auf zehn lagen weniger als zwei Zehntel.

Was ist wenn...

Bleibt noch eine große Frage: Was passiert, wenn es regnet? Eine wirkliches Regensetup konnten wir nirgends erkennen. Öffnet der Himmel seine Schleusen, wird sich das Kräfteverhältnis zwischen Williams und Red Bull wohl umkehren. Mercedes war in diesem Jahr auch im Nassen erste Kraft, Red Bull kam allerdings deutlich näher. Williams hatte bei diesen Bedingungen immer Probleme, die Reifen in das optimale Betriebsfenster zu bekommen - ein ähnliches Schicksal droht auch in Brasilien.

Fazit: Unter normalen Umständen hat Rosberg die Nase vorne - er war das gesamte Wochenende schneller als Hamilton, der zudem mehr Fehler machte. Unter diesen normalen Umständen ist auch Williams auf drei und vier gesetzt - Mercedes wird im Rennen wie immer ein wenig zulegen können.

Der Brasilien GP ist aber schwer vorherzusagen. Das Problem: Der Reifenverschleiß wird entscheidend. Wegen der roten Flaggen am Freitag, gibt es aber keinerlei sinnvoller Longrun-Daten. Reifenverschleiß und unterschiedliche Strategien werden für Unterhaltung sorgen - wenn das nicht ohnehin schon der Regen tut.