Durch den Sieg beim US GP ist Lewis Hamilton seinem zweiten Weltmeistertitel ein gutes Stück näher gekommen. Nico Rosberg kann die Weltmeisterschaft nicht mehr aus eigener Kraft gewinnen. Dazu hätte er vor seinem Teamkollegen ins Ziel kommen müssen. Doch der Deutsche ließ sich in Runde 24 vom WM-Leader überrumpeln und überholen, zeigte dabei wenig Gegenwehr.

Selbst Hamilton war überrascht: "Ich war ein bisschen weit hinten, aber in Kurve 12 hinein war ich zuversichtlich. Ich war gerade nah genug dran, um reinzustechen - man muss entscheiden, wie viel Risiko man eingeht, aber Nico hat sich nicht wirklich verteidigt, ich hab ihn etwas überrascht."

Hamilton ging es etwas zu einfach, Foto: Sutton
Hamilton ging es etwas zu einfach, Foto: Sutton

"Ich dachte, anzudeuten, dass ich die Tür zumache, wäre genug gewesen, um ihn von einem Versuch abzuhalten - aber es war nicht so", verteidigte sich Rosberg. Aber das war nicht das einzige Problem. Denn Rosberg wollte den Überholversuch mit einem Extra-Boost verhindern. "Ich habe einen Fehler gemacht", gestand er, "weil ich den falschen Mechanismus benutzte, um mehr KERS zu bekommen."

"Hätte ich den Knopf betätigt, wäre es sofort da gewesen, aber mit einem Schalter gibt es eine Verzögerung. Damit bekam ich das Extra-KERS nie", fuhr Rosberg fort. Eine billige Ausrede oder tatsächlich mit ein Grund dafür, warum Hamilton so problemlos vorbeikam? Und wieso gibt es überhaupt diese zwei Schalter? Motorsport-Magazin.com kennt die Details.

Das machen die Knöpfe

Um eines vorwegzunehmen: Eine billige Ausrede ist es nicht. In der Tat gibt es zwei verschiedene Knöpfe, mit denen die Leistung erhöht werden kann. Allerdings ist die Funktionsweise von Grund auf unterschiedlich. Es geht einmal mehr um die Funktionsweise der Power Units.

KERS gibt es nicht mehr in dieser Form, Foto: Mercedes-Benz
KERS gibt es nicht mehr in dieser Form, Foto: Mercedes-Benz

In den letzten Jahren haben die Piloten ihre 80-Zusatz-PS für maximal 6,7 Sekunden pro Runde mittels eines Knopfes am Lenkrad benutzt. Die gespeicherte Energie wurde am KERS wieder zurückverwandelt und auf die Kurbelwelle gestemmt. Wo und wann der Fahrer die Energie abgerufen hat, war egal. Er durfte und konnte nur nicht mehr als 400 Kilojoule pro Runde abrufen.

In diesem Jahr ist alles anders. Im Normalfall bestimmt nicht mehr der Fahrer, wann Extra-Leistung abgerufen wird, sondern die Ingenieure. Die Zusammensetzung der Elektro-PS ist heute so kompliziert, dass sich die Motoreningenieure im Vorfeld intensiv auf jede Strecke einzeln vorbereiten müssen, um das Energiemanagement zu optimieren.

Der Fahrer bekommt von all dem recht wenig mit. Es sei denn, er braucht im Zweikampf kurzfristig Extraleistung. Dann hat er nämlich die Möglichkeit, das programmierte Batteriemanagement zu übersteuern. Im Falle von Nico Rosberg heißt das konkret: Hätte er den richtigen Knopf gedrückt, hätte er sofort Energie bekommen.

Die Energie wäre dann direkt von der Batterie gekommen. Die Batterie kann Energie entweder an die MGU-H oder an die MGU-K abgeben. Die Menge, die sie pro Runde an die MGU-H, also an den Turbolader, abgeben darf, ist unbegrenzt. An die MGU-K, das ehemalige KERS, dürfen maximal 4 Megajoule pro Runde abgegeben werden.

Beim Überholen bekommen MGU-H und MGU-K von der Batterie Energie, Foto: Renault Sport F1
Beim Überholen bekommen MGU-H und MGU-K von der Batterie Energie, Foto: Renault Sport F1

Wie genau der spontane Zusatz-Boost funktioniert, ist nicht bekannt. Wenn die Energie beim Abrufen an die MGU-K abgegeben wird, muss aber an anderer Stelle der Runde wieder Energie eingespart werden, damit die 4 Megajoule nicht überschritten werden. Wird der Turbolader zusätzlich auf Umdrehungen gebracht, wird ebenfalls die Leistung gesteigert, allerdings macht das im Beschleunigungsprozess mehr Sinn, wenn die Drehzahlen eher gering sind. Auch ein Mix der beiden Formen ist denkbar (siehe großes Bild oben).

Auf der Geraden versorgt die MGU-H die MGU-K mit Energie, Foto: Renault Sport F1
Auf der Geraden versorgt die MGU-H die MGU-K mit Energie, Foto: Renault Sport F1

So viel zum einen Knopf - den Rosberg nicht gedrückt hat. Doch was machte der Knopf, den Rosberg tatsächlich gedrückt hat? Eigentlich handelt es sich dabei gar nicht um einen Knopf, sondern um einen Regler. Und mit diesem lassen sich Motorensettings einstellen.

In Rosbergs Fall hat der Regler konkret die Energieverteilung über die Runde geändert, also das programmierte Energiemanagement. Wie genau, wollte Mercedes verständlicherweise nicht sagen. Allerdings hat die Setting-Änderung nicht sofort Auswirkungen, weil die Energiemenge pro Runde bestimmt ist. Folglich kann sich eine Änderung des Settings erst zu Beginn der Runde einstellen.

Mit Hilfe einer solchen Änderung können die unterschiedlichsten Dinge erreicht werden. Beispielsweise kann die vorhandene Energiemenge nur zeitlich verschoben werden, also zu welchem Zeitpunkt wie viel elektrische Energie eingespeist wird. Es kann aber auch beispielsweise mehr Benzin eingespritzt werden, als eigentlich nötig, nur um die Abgase zu beeinflussen, die wiederum den Turbolader und somit die MGU-H antreiben. Der Phantasie der Teams sind (fast) keine Grenzen gesetzt.