Die Welt des Nico Rosberg könnte nicht schöner aussehen. Mit einem Lächeln und einem flapsigen Spruch begrüßt er Motorsport-Magazin.com am Donnerstag vor dem Rennen in Ungarn. Hinter ihm liegt eine seiner schönsten Wochen - sowohl beruflich als auch privat. Erst heiratete er seine langjährige Lebensgefährtin Vivian, dann verlängerte er seinen Vertrag beim überlegenen Formel-1-Team Mercedes langfristig und dann gewann er sein Heimrennen in Hockenheim. Rosberg schien am Gipfel angekommen zu sein. Sein großer Traum, erster Silberpfeil-Weltmeister der Neuzeit zu werden, schien zum Greifen nah. Dreieinhalb Monate später hat sich das Blatt gewendet.

Aus 29 WM-Punkten Vorsprung nach dem Belgien Grand Prix sind zwei Rennen vor dem Saisonende 24 Punkte Rückstand geworden. Mit der Niederlage im direkten Duell gegen seinen Teamkollegen Lewis Hamilton in Austin verlor Rosberg zum wiederholten Mal wertvolle Punkte. Dabei hatte er sich vor dem Rennwochenende in den USA so viel vorgenommen. "Bei den verbleibenden Rennen heißt es: volle Attacke", kündigte der Mercedes-Pilot an. Dann fügte er hinzu: "Das ist eigentlich ein simpler Plan." Doch er ging nicht auf.

Vorteil für das Vollgastier Hamilton

Die Ausgangslage für das Rennen war bestens. Im Qualifying sicherte sich Rosberg zum neunten Mal in diesem Jahr die Pole Position. Auf einer Runde ist der Speed klar vorhanden. Aber im Rennen kann Hamilton stets einen draufsetzen.

"Lewis war hier mal wieder der Bessere, weil er alles richtig gemacht hat", erklärte Niki Lauda. "Nico konnte dem nichts entgegen setzen." Während Rosberg als cleverer Fahrer gilt, haftet Hamilton der Ruf eines Vollgastiers an. "Er hat eine unglaubliche Fähigkeit, dieses Extrabisschen heraus zu kitzeln", beschreibt Motorsport-Magazin.com-Experte Christian Danner. Rosberg sei hingegen disziplinierter, kontrolliere seine Emotionen besser, ergänzt David Coulthard im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com. "Aber vielleicht machen Lewis diese Emotionen so gut."

Hamilton und Rosberg: nur einer kann Weltmeister werden, Foto: Sutton
Hamilton und Rosberg: nur einer kann Weltmeister werden, Foto: Sutton

In Austin kam Rosberg mit den veränderten Streckenbedingungen im Vergleich zum Samstag nicht gut genug klar. Er fand zu spät in seinen Rhythmus. Außerdem machte er bei Hamiltons Überholmanöver einen Fehler und drückte den falschen Knopf, um die optionalen Zusatz-PS zu aktivieren. So kam es Hamilton fast vor, als ob sich Rosberg gegen den Angriff gar nicht wehren würde.

Zwischen Monza und Austin erzielte Hamilton fünf Siege in Serie. Damit stieg er in einen erlauchten Kreis von F1-Legenden wie Michael Schumacher, Nigel Mansell und Sebastian Vettel auf, die allesamt mehr als fünf Rennen in Folge gewinnen konnten. Der Brite hat einen Lauf. Das Zauberwort vom "Momentum" macht mal wieder die Runde.

Zwischen Malaysia und Spanien triumphierte Hamilton schon einmal in diesem Jahr vier Mal hintereinander. Ausgerechnet bei seinem Heimrennen in Monaco konnte Rosberg diese Serie durchbrechen. Danach betonte er mehrmals, wie wichtig es gewesen sei, Hamiltons Lauf zu beenden.

Ein Defekt als letzte Hoffnung

Das muss ihm in Brasilien erneut gelingen. Dank der doppelten Punkte beim Finale in Abu Dhabi hat der Deutsche auch weiterhin die Gelegenheit, Weltmeister zu werden. Aus eigener Kraft kann er es seit Austin jedoch nicht mehr schaffen.

Die umstrittenen doppelten Punkte erzielen also ihre Wirkung: die WM bleibt bis zum letzten Rennen offen. Lewis Hamilton wäre erwartungsgemäß wenig begeistert, wenn ihm diese neue Regel seinen zweiten WM-Titel kosten würde. "Es wäre zum Kotzen, wenn es so kommen würde", gab Hamilton zu. "Sehr sogar."

Im Gegensatz zu seinem Teamkollegen hat Hamilton 2008 aber schon einmal den WM-Pokal in Händen gehalten. Dabei verspürt Rosberg keine Angst, in diesem Jahr möglicherweise seine einzige Chance, Weltmeister zu werden, zu verspielen. "Überhaupt nicht", betont er. "Ich weiß, dass ich mit diesem Team auf viele Jahre Erfolg haben kann. Ich sehe diese Saison nicht als meine einzige Chance an."

Trotzdem muss Rosberg jetzt auf Schützenhilfe der Konkurrenz oder Probleme bei seinem Teamkollegen hoffen. Ein technischer Defekt ist dabei nicht gänzlich undenkbar. Auch in Austin hatten beide Silberpfeil-Fahrer am Freitag und Samstag mit verschiedenen Problemen zu kämpfen. "Jetzt müssen wir alles dafür geben, dass wir in Brasilien und Abu Dhabi zwei sportlich und technisch saubere Rennen abliefern", mahnt Wolff.

Ans Aufgeben denkt Rosberg nicht. "Volle Attacke", kündigt er an. "Es ist möglich, alles herumzudrehen. Man weiß nie, was dort passiert." Ein Ausfall von Hamilton würde alles verändern. Dann würde die Welt des Nico Rosberg auf einen Schlag wieder schöner aussehen.