Die Russland-Premiere der Formel 1 war wahrlich kein Kracher. Selbst die meisten Fahrer betonten, sie hätten ein langweiliges Rennen erlebt. Dafür, dass der erste Russland GP der Geschichte teilweise wie Baldrian wirkte, gab es mehrere Gründe: Die Reifen hielten ewig, die Strecke bietet nicht gerade die besten Überholmöglichkeiten und gleichzeitig mussten die Piloten auch noch Benzin sparen.

Trotzdem war beim Russland GP nicht alles schlecht: Rosbergs Aufholjagd zum Beispiel. Auch das Rennen von Valtteri Bottas war durchaus interessant, wenn auch weniger spektakulär. Motorsport-Magazin.com erklärt, wie Rosberg 52 Runden mit einem Satz Reifen fahren und gleichzeitig noch Platz um Platz gut machen konnte und warum Valtteri Bottas trotz anfänglich guter Pace keine Chance mehr gegen die Mercedes hatte.

Rosberg Mega-Stint

In Kurve eins verbremste sich Nico Rosberg folgenschwer: Seine Reifen waren danach viereckig, sein Rennen - zumindest gegen Lewis Hamilton - gelaufen. Schon in Runde 1 stand der erste und gleichzeitig letzte Boxenstopp an. 52 Runden sollte Rosberg auf den Medium-Reifen zurücklegen. 304 Kilometer auf einem einzigen Satz.

Rosbergs Aufgabe lautete, die Reifen zu schonen und gleichzeitig Plätze gut zu machen. Denn der WM-Zweite musste auf der Strecke an vielen Konkurrenten vorbei, weil mit baldigen Boxenstopps nicht zu rechnen war. In Runde zwei lag der Mercedes-Pilot abgeschlagen auf Rang 20, nur Felipe Massa lag noch hinter ihm. Doch schon nach 15 Runden lag Rosberg auf Platz 11.

Fahrer Team Motor Top-Speed
Felipe MassaWilliams Mercedes 332,9 km/h
Sergio Perez Force IndiaMercedes 330,7 km/h
Dannil Kvyat Toro Rosso Renault 328,0 km/h
Nico Rosberg Mercedes Mercedes 324,4 km/h
Daniel Ricciardo Red Bull Renault 324,0 km/h
Nico Hülkenberg Force India Mercedes 324,0 km/h
Valtteri Bottas Wiiliams Mercedes 323,8 km/h
Kevin Magnussen McLaren Mercedes 322,7 km/h
Jean-Eric Vergne Toro Rosso Renault 322,3 km/h
Romain Grosjean LotusRenault 321,2 km/h

Die überragende Performance des Silberpfeiles half Rosberg beim Überholen. Vor allem aber sein Topspeed: Mit 324,4 Stundenkilometer wurde Rosberg am Ende von Sektor zwei geblitzt. Nur drei Piloten waren schneller als er. Renault- und Ferrari-befeuerte Autos waren quasi Fischfutter für Rosberg. Sebastian Vettel brachte es beispielsweise auf lediglich 310,3 km/h im Rennen. So kam Rosberg schnell und einfach an den meisten Konkurrenten vorbei, ohne seinen Reifen zu viel zuzumuten.

Als dann in Runde 20 der große Boxenstopp-Reigen begann, war der Weg für Rosberg frei. In Runde 30 lag Rosberg bereits auf Rang drei, nur mehr Bottas war zwischen ihm und Hamilton. Bottas kam zwar nach seinem Boxenstopp wieder vor dem Mercedes auf die Strecke, der Finne hatte allerdings Probleme, seine Medium-Reifen auf Temperatur zu bekommen. Rosberg konnte schnell am Finnen vorbeigehen.

"Ich habe nicht realisiert, dass Rosberg so nah an mir dran war. Sein Manöver kam deshalb etwas überraschend für mich, aber er war zu diesem Zeitpunkt schneller, weil meine Prime-Reifen gute zehn Runden benötigt haben, um auf Temperatur zu kommen", so Bottas selbst. "In den letzten Runden habe ich dann wieder aufgeholt, als meine Reifen besser wurden, aber da hatte er schon einen zur großen Vorsprung herausgefahren."

Der Rundenzeitenverlauf verdeutlicht das sehr schön: Nach seinem Boxenstopp in Runde 27 beginnt Bottas zunächst recht verhalten. Erst nach etwa zehn Runden kommen seine Reifen in das optimale Betriebsfenster und er kann wieder Zeit auf Rosberg gutmachen.

Die größte Überraschung jedoch war, dass Rosbergs Reifen nicht eingebrochen sind. Nach der Analyse von Hamiltons Option-Reifen nach dessen Boxenstopp war sich Mercedes eigentlich sicher, dass Rosbergs Pneus nicht bis zum Ende halten würden. Auch Rosberg selbst hatte nicht mehr damit gerechnet, bis zum Ende durchfahren zu können. "Zur Rennmitte erwartete ich, dass der Reifenabbau zunehmen würde. Aber er war schon bald stabil und ich konnte weiter pushen."

Rosbergs Rundenzeiten zeigen aber: Es gab quasi null Reifenverschleiß. Mit zunehmend leichter werdendem Auto konnte er von Runde zu Runde schneller fahren, seine persönlich schnellste Rennrunde fuhr er im vorletzten Umlauf. Außerdem zeigt die Rundenzeitenentwicklung, dass Rosberg quasi nicht mit dem Benzin haushalten musste, während die Renault- und Ferrari-befeuerten Piloten sehr wohl aufpassen mussten.

Nachdem Rosberg an Bottas vorbei war, wurde sogar Lewis Hamilton noch für einen kurzen Moment vorsichtig. "Als Nico am Ende hinter mir lag, musste ich seine Zeiten mitgehen", gestand der Brite. Auch das zeigt sich im direkten Vergleich der Rundenzeiten: Hamilton nahm kurzzeitig noch einmal Tempo auf. Als klar war, dass es aber für Rosberg niemals reichen könnte, fuhr Hamilton das Rennen wieder im Cruise-Modus zu Ende.

Was passierte in Bottas' erstem Stint?

Dabei hatte sah es am Anfang gar nicht so entspannt für Hamilton aus, weil Bottas sein Tempo mitgehen konnte. Doch wieso musste der Finne auf einmal abreißen lassen? Im Vorfeld galt Bottas noch als großer Herausforderer. Nicht nur bei den Experten: Williams hatte sich selbst Hoffnungen gemacht. "Wir sind mit der Einstellung ins Rennen gegangen, mit Mercedes um den Sieg zu kämpfen", gestand Bottas später.

Letztendlich kam es aber anders, Bottas hatte am Ende nicht den Hauch einer Chance. Die ersten zehn Runden konnte der Williams-Pilot noch mit dem Mercedes mithalten, dann aber entwickelten sich die Rundenzeiten gegenläufig. Hamilton konnte zulegen, Bottas musste abreißen lassen. "Zur Mitte meines ersten Stints haben die Hinterreifen zu abbauen begonnen", erklärt Bottas.

Williams hatte wie schon in Österreich ein Setup entwickelt, das mehr Performance über die Mechanik generiert. Die Reifen werden somit stärker belastet, weshalb Bottas in der Qualifikation die Pirelli-Pneus in das perfekte Arbeitsfenster bekam. Im Rennen jedoch belastete der Williams den Reifen zu stark. Allerdings scheint das nur bei den Option-Reifen der Fall gewesen zu sein, denn bei den Mediums brauchte Bottas, um ins Fenster zu kommen.