Lange war McLaren nicht mehr so weit vorne in der Zeitentabelle zu finden wie am Freitag in Sochi. Doch die McLaren-Piloten warnten vor zu optimistischen Prognosen. Und was war mit der Mercedes-Dominanz? Teilweise sah Mercedes erneut nicht so richtig stark aus - zumindest Nico Rosberg nicht. Red Bull war erneut im Nirgendwo. Motorsport-Magazin.com analysiert den Freitag des Russland GPs.

Wie stark ist McLaren wirklich?

Nach den starken Ergebnissen dauerte es nicht lange, bis Jenson Button und Kevin Magnussen zur Vorsicht mahnten. "Es ist erst Freitag und wir wissen noch nicht, wie sich die Strecke entwickelt", gaben die beiden gebetsmühlenartig zum Besten. Außerdem sind natürlich Spritmengen unbekannt. "Und man kann mit der Power Unit eine Menge Dinge machen - wahrscheinlich ist es noch nicht das wahre Bild", so Magnussen. Einige Teams geben am Freitag deutlich weniger Leistung frei, um ihre Power Units zu schonen.

McLaren überrascht in Sochi, Foto: Sutton
McLaren überrascht in Sochi, Foto: Sutton

Doch ganz so pessimistisch brauchen Button und Magnussen gar nicht zu sein. Das Sochi Autodrom scheint dem MP4-29 zu liegen - im Gegensatz zu den meisten der bisherigen 15 Rennstrecken. Außerdem hat McLaren schon in Suzuka etwas am Setup gefunden, das nun auch in Sochi funktioniert. Williams' Rob Smedley war schon vor eine Woche verblüfft, als Jenson Button den beiden Williams im Regen um die Ohren fuhr. McLaren hat einen Schritt gemacht, wie groß der ist, muss sich noch zeigen.

Was machen Red Bull und Ferrari?

Auch die Longruns der McLaren sehen gut aus. Allerdings sind die Longruns mit Vorsicht zu genießen. Weil Daniel Ricciardo mit seinem defekten Red Bull im FP2 zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt für eine Rot-Phase sorgte, mussten die meisten Piloten ihre Longruns abbrechen. Deshalb gibt es von einigen Fahrern nur vier Runden am Stück - wenn überhaupt. Fernando Alonso beispielsweise hat überhaupt keinen anständigen Run auf den Asphalt gezaubert.

So muss für die Longrun-Analyse Kimi Räikkönen herhalten, der auch in Sochi mit der Front des Ferrari zu kämpfen hat. In Anbetracht dessen sehen die Rundenzeiten noch ganz ordentlich auch. Aber auch in Russland zeigt sich ein bekanntes Bild: In den Top-10 geht es verdammt eng zu. McLaren, Ferrari und Red Bull sind besonders eng beisammen, mit leichten Vorteilen für McLaren und kleinen Nachteilen bei Red Bull.

Red Bull fehlt erneut der Topspeed, weshalb das Weltmeisterteam sich schon früh am Freitag Richtung Rennpace zu orientieren versuchte. Im Qualifying dürfte - ähnlich wie in Suzuka - ohnehin nicht viel möglich sein. Red Bulls Hoffnungen ruhen auf der Entwicklung der Strecke. Denn eine neue Strecke verbessert sich im Verlauf des Wochenendes enorm.

Allerdings sorgte der Kurs am Schwarzen Meer ohnehin für große Verwunderung bei den Fahrern. "Es war heute sehr überraschend, dass die Strecke schon viel Grip hatte", meinte Fernando Alonso. Auch die McLaren-Piloten waren von dieser Tatsache überrascht. "Die Strecke hat eine Menge Grip und funktioniert mit den Pirelli-Reifen sehr gut", freute sich Kevin Magnussen.

Der Reifenabbau war entsprechend - entgegen einiger Prognosen - kein großes Thema. "Wir werden am Sonntag wohl nicht so viele Boxenstopps sehen. Das ist für mich eine große Überraschung", meinte Nico Rosberg. Das Problem in Russland ist eher, die Reifen in das optimale Betriebsfenster zu bekommen. Viele Piloten erzielten ihre schnellste Runde erst nach mehreren Umläufen. Somit könnte sich - mit weiter zunehmenden Grip-Verhältnissen - das Kräfteverhältnis noch ordentlich verschieben, weil sich das Betriebsfenster der Reifen noch verschiebt.

Fragezeichen Williams

Ein Fragezeichen steht noch hinter Williams. Der Traditionsrennstall hält sich Freitags meist bedeckt. Valtteri Bottas ließ mit Platz fünf aber schon erahnen, wozu der FW36 auf diesem Kurs fähig ist. Die eigentliche Freitagsstärke, nämlich die Longruns, kamen dafür wegen der Unterbrechung am Trainingsende zu kurz. So legte Bottas nur vier verwertbare Runden am Stück hin, die allerdings sogar schneller waren, als jene von Lewis Hamilton.

Weil Williams die Reifenstrategie erneut splittete, wurde auch der große Unterschied zwischen Softs und Mediums deutlich. Pirelli gibt 1,5 Sekunden Differenz an. Der weiche Reifen ist also am Sonntag erste Wahl.

Rosbergs kreatives Setup geht schief

Auffällig war aber vor allem der große Unterschied zwischen Lewis Hamilton und Nico Rosberg im zweiten Training. Während Rosberg im FP1 Hamilton auf den Mediums noch hinter sich lassen konnte, wurde er im zweiten Training deutlich von seinem Teamkollegen geschlagen.

Auch der Longrun des Briten ist deutlich stärker als der des WM-Zweiten. Doch Rosberg hat eine Erklärung dafür: "Ich probierte im zweiten Training ein sehr kreatives Setup an meinem Auto aus, das leider nicht funktionierte. Deshalb werden wir morgen zur konservativeren Variante zurückkehren. Lewis war damit heute sehr schnell." Insgesamt war die Pace des F1 W05 Hybrid - auch bei den verkürzten Longruns - einmal mehr tonangebend. An Mercedes führt auch in Russland kein Weg vorbei.