Kamui Kobayashi, Daniel Ricciardo, Esteban Gutierrez - im zweiten Freien Training zum Japan GP hat es gleich drei Fahrer erwischt. Drei Fahrfehler, dreimal Kleinholz. Auch andere Piloten hatten größere Schwierigkeiten, ihre Autos auf der Strecke zu halten. Lewis Hamilton konnte den F1 W05 Hybrid einmal gerade noch so einfangen. In Suzuka sind solche Bilder keine Seltenheit. Ohne Probleme konnten wir eine ganze Bildergalerie mit Unfall-Fotos füllen.

Doch warum immer Suzuka? "Wir haben heute eine Reihe an Zwischenfällen gesehen. Das ist ein Beweis für die anspruchsvolle Natur der Strecke", meint Paddy Lowe. "Suzuka ist eine fantastische Strecke und eine große Herausforderung für die Fahrer und Ingenieure", so Lowe weiter. Fahrer oder Ingenieure - wer ist schuld an den inflationären Unfällen in Japan?

Daniel Ricciardo musste den RB10 unsanft abstellen, Foto: Sutton
Daniel Ricciardo musste den RB10 unsanft abstellen, Foto: Sutton

Die Frage ist einfach zu beantworten: die Fahrer. "Ich habe einen Fehler gemacht", musste Daniel Ricciardo schonungslos zugeben. Ricciardos Reifen waren nicht ganz auf Temperatur und schon ging es in den Reifenstapel. "Die Reifen waren zu kalt und ich war in dieser Situation zu stark auf dem Gas", so die einfache Analyse. Auch bei Gutierrez und Kobayashi waren es Fahrfehler, die ihre Trainingssessions früher beenden ließen.

Dass die Fahrer in Suzuka so oft in der Leitplanke landen, hat zwei Gründe. Suzuka ist eine Fahrerstrecke. Viele schnelle, fließenden Kurven. Der Fahrer hat einen höheren Einfluss auf das Ergebnis als auf anderen Strecken. Entsprechend schnell übertreiben es die Piloten. "Die Strecke ist super, die Strecke ist schwierig, alle sind glücklich, dass sie hier fahren können und manche fliegen hier anhaltend raus, manche hin und wieder mal. Zeigt also: Das ist nicht so eine Strecke, wo nichts passiert, wenn du einen Fehler machst", meint Motorsport-Magazin.com-Experte Christian Danner.

Danner: In Degner sind wir alle schon mal rausgeflogen

Eine Kurve ist besonders beliebt für Abflüge - wie auch Danner weiß: "Mein Gott, in Degner sind wir alle schon mal rausgeflogen." Aber es ist nicht nur die Streckencharakteristik an sich, die für viel Karbonschrott sorgt. Auf anderen Strecken sieht man auch permanent Fahrer abseits der Ideallinien - wahrscheinlich sogar häufiger.

Tilke steht immer wieder in der Kritik, Foto: Sutton
Tilke steht immer wieder in der Kritik, Foto: Sutton

Nur auf anderen Strecken werden die Piloten nicht so bestraft wie in Suzuka. Der Suzuka International Racing Course wurde Anfang der 1960er Jahre vom Niederländer Hans Hugenholtz entworfen und 1962 fertiggestellt. Vor mehr als 50 Jahren gab es allerdings nicht so viele Auflagen für Rennstrecken. Heute gibt es für die Streckenarchitekten genaue Vorgaben über die Größe der Auslaufzonen, die Längen der Start- und Zielgerade und die Anzahl an Spitzkehren.

"Es gibt natürlich die Vorschriften der FIA, was die Auslaufzonen angeht. Nehmen Sie eine Strecke wie Bahrain und stellen Sie die Leitplanke direkt an die Strecke - das ist schon anders, aber das geht heute nicht mehr, das will ja keiner mehr. Und deshalb sind da Zwänge", erklärte Hermann Tilke, Architekt der meisten modernen Rennstrecken Motorsport-Magazin.com. "Wenn es nach mir gehen würde, dann würde ich sämtliche, klassischen Tilke-Strecken ersetzen", wirft Christian Danner ein.

"Man kann die Zeit nicht zurückdrehen", verteidigt sich Tilke. Besonders wenn eine Rennstrecke auch für Motorräder geeignet sein soll, müssen zusätzliche Auflagen beachtet werden. Tilke: "Die wollen in bestimmten Arten von Kurven noch mehr Auslaufzonen haben." Aus diesem Grund wurde auch ein Teil der Auslaufzone der legendären Parabolica in Monza asphaltiert.

Timo Glock verletzte sich 2009 bei einem schweren Unfall, Foto: Sutton
Timo Glock verletzte sich 2009 bei einem schweren Unfall, Foto: Sutton

In Suzuka gibt es noch viele klassische Kiesbetten. Auch deshalb landen öfter Autos im Reifenstapel, weil die Reifen nicht mehr so viele Kräfte übertragen können - die Bremswirkung ist im Vergleich zu einer asphaltierten Auslaufzone verschwindend gering. Gleichzeitig kommt noch die Grundcharakteristik hinzu: Suzuka ist eine schnelle Strecke. Hohe Geschwindigkeiten in Kombination mit kurzen, nicht asphaltierten Auslaufzonen ergeben in Summe mehr Karbonschrott.

Allerdings hat der spezielle Reiz von Suzuka auch seine Kehrseite. Ganz ungefährlich ist die Strecke nicht: So verletzte sich Timo Glock 2009 bei einem Abflug im Training in der letzten Kurve - an der Stelle, an der auch Daniel Ricciardo sein Fahrzeug verlor. Glock erlitt tiefe Schnittwunde am linken Bein und verpasste den Rest der Saison verletzungsbedingt.