Es ist nicht verbrieft, ob sich Lewis Hamilton vor dem Start zum Großen Preis von Singapur ein Idealszenario ausgemalt hatte, doch wenn dies der Fall war, wich es in der ersten Rennhälfte wohl kaum von der Realität ab. Teamkollege und Titelrivale Nico Rosberg war aufgrund eines technischen Gebrechens ausgeschieden, während Hamilton an der Spitze des Feldes lag und seine Gegner spielend dominierte. Alles lief wie am Schnürchen - bis das passierte, was in Singapur bislang immer passierte: Das Safety Car wurde auf den Plan gerufen.

Hamilton musste sich hinter dem Safety Car einreihen, Foto: Sutton
Hamilton musste sich hinter dem Safety Car einreihen, Foto: Sutton

Weil Adrian Sutil und Sergio Perez sich berührt hatten, was jede Menge Carbon-Teile auf der Strecke zur Folge hatte, musste Bernd Mayländer zur Tat schreiten, womit nicht nur Hamiltons Vorsprung Geschichte war, sondern er auch auf einmal gehörig um den Sieg bangen musste. Während seine Verfolger, Sebastian Vettel, Daniel Ricciardo sowie Fernando Alonso, bereits pflichtgemäß beide Reifenmischungen eingesetzt hatten, war Hamilton bislang nur auf den superweichen Pneus unterwegs gewesen.

Vollgas für den Sieg

Somit stand fest: Wollte der Brite das Rennen gewinnen, musste er nach dem Ende der Safety-Car-Phase einen Vorsprung von knapp einer halben Minute herausfahren, um auch nach dem Boxenstopp an der Spitze des Feldes zu liegen respektive diese rasch wieder übernehmen zu können. "Zur Rennmitte drängte uns das Safety Car in eine Ecke, als die anderen sich dazu entschieden, das Rennen auf den Prime-Reifen zu beenden", schilderte Mercedes-Technikchef Paddy Lowe die knifflige Situation.

Hamilton musste noch einmal stoppen, Foto: Sutton
Hamilton musste noch einmal stoppen, Foto: Sutton

Also tat Hamilton das, was er tun musste. Er gab Gas und nahm seine Verfolgern, die abgesehen von Alonso, der als einziger Pilot während der Safety-Car-Phase an der Box war, bereits relativ stark abgenutzte Reifen fuhren, mehr als zwei Sekunden pro Runde ab und baute seinen Vorsprung auf Vettel auf 25 Sekunden aus. Doch auch Hamiltons Pneus hielten nicht ewig. "Ich war mir nicht sicher, was ich machen sollte: Weiter angreifen oder zurückstecken und auf sie Acht geben", sagte der Brite.

Letztlich entschied der Mercedes-Kommandostand, Hamilton in Runde 52 an die Box zu holen und ihn mit frischen weichen Reifen auszustatten, womit er dem Reglement gerecht wurde. Hamilton kam an zweiter Stelle zurück auf die Strecke, unmittelbar hinter Vettel, der die Führung übernommen hatte.

Vettel hatte gegen Hamilton keine Chance, Foto: Sutton
Vettel hatte gegen Hamilton keine Chance, Foto: Sutton

"Ich wusste, dass sie auf eine Zwei-Stopp-Strategie setzten und seine Reifen alt waren. Auf der Gegengerade habe ich dann angegriffen. Der Abstand war recht gering und vielleicht hätte ich eine andere Stelle auf der Strecke dafür aussuchen können. Aber glücklicherweise quetschte ich mich durch und blieb vorne", machte er mit dem vierfachen Weltmeister kurzen Prozess. Sobald Hamilton Vettel passiert hatte, konnte er seinen Vorsprung wieder rasant ausbauen und feierte schlussendlich einen überlegenen Sieg, der ihn an die Spitze der Weltmeisterschaft katapultierte.

Vettel wehrt sich nicht

Bei Red Bull hatte man eigentlich vorgehabt, in den letzten Runden des Rennens noch einmal die superweichen Reifen für einen Schlusssprint zu zücken, doch weil das Safety Car mit sieben Umläufen überraschend lange auf der Strecke blieb, stellte man rasch fest, dass die weichen Reifen trotz enorm langer Laufleistung bis zum Ende halten würden und ein weiterer Stopp nicht mehr vonnöten war. "Unsere Jungs haben wirklich fantastisch auf die Reifen aufgepasst", lobte Teamchef Christian Horner.

Dennoch war es Vettel nicht möglich, sich gegen Hamilton zu verteidigen, weshalb es der Deutsche auch gar nicht erst versuchte, um seinen zweiten Platz, der gleichbedeutend mit dem besten Saisonergebnis des Heppenheimers war, nicht zu gefährden.

"Er war am Limit bezüglich der Reifen und wollte diese nicht zusätzlich zerstören", betonte Horner. "Deshalb hat er auch gar nicht lange herumgefackelt und dagegen gehalten." Unter dem Strich war man bei Red Bull trotz des verpassten Siegs mit den Rängen zwei und drei zufrieden. "Die Lücke zu Mercedes wurde durch das Safety Car ein bisschen beschönigt", gab Horner zu. "Sebastian war im ersten Stint mehr oder weniger an Lewis dran, aber danach waren wir doch deutlich unterlegen."

Ferrari hadert mit dem Safety Car

Lange Gesichter gab es hingegen bei Ferrari. Während die Red-Bull-Piloten auf einen dritten Stopp verzichteten, da sie bereits beim zweiten Stopp die härtere Mischung aufgezogen hatten, musste Alonso nach drei Stints auf den Option-Reifen per Reglement auf alle Fälle noch einmal hereinkommen. Zwar nutzte er während des Safety Cars die Gunst der Stunde, fiel so jedoch hinter Vettel und Ricciardo zurück - und jagte diese bis zum Ende vergeblich.

Alonso blieb der undankbare vierte Platz, Foto: Sutton
Alonso blieb der undankbare vierte Platz, Foto: Sutton

"Natürlich könnte ich mich jetzt fragen, was ohne den Fehler am Start oder das Safety Car möglich gewesen wäre, aber das ist eben Teil des Sports und man darf da nicht lange drüber nachdenken", versuchte Alonso das verpasste Podium einigermaßen locker zu sehen. Damit bleibt es dabei, dass die Scuderia nach 14 Saisonrennen bei lediglich zwei mageren Top-3-Platzierungen hält - herausgefahren von Alonso in China und Ungarn.