Im königlichen Park zu Monza bot sich am Freitag ein in dieser Saison nur allzu gewohntes Bild. Mercedes gab einmal mehr den Ton an und sicherte sich in Person von Lewis Hamilton und Nico Rosberg in beiden Trainingssitzungen die Bestzeit. Allerdings war der Vorsprung nicht mehr so groß, wie man es von den letzten Rennwochenenden gewohnt war. Motorsport-Magazin.com nimmt die Longruns in Monza genau unter die Lupe und verrät, ob die Konkurrenz den Silberpfeilen auch mit vollen Tanks näher gerückt ist.

Bottas trumpft auf

Auf den mittleren Reifen waren die Abstände zwischen den Spitzenteams auffallend gering, was in Monza aber traditionell der Fall ist. Die Strecke besteht praktisch nur aus langen Geraden und Schikanen, sodass es in erster Linie auf die Motorenpower ankommt, während die Aerodynamik eine verhältnismäßig geringe Rolle spielt, was sich nicht zuletzt in den minimalistischen Heckflügeln widerspiegelt.

Vergleicht man die Longrun-Zeiten der Mercedes-befeuerten Teams, sticht ins Auge, dass sich die Werksmannschaft von den Kundenteams kaum absetzen konnte - ganz im Gegenteil. Williams-Pilot Valtteri Bottas unterbot die Silberpfeilwerte deutlich und kam als einziger Pilot in den Bereich niedriger 1:29er-Zeiten. "Auf eine Runde sieht es so aus, als wäre die Dominanz noch immer da, aber auf dem Longrun waren schon ein paar andere nah dran", ist sich Rosberg der Gefahr durchaus bewusst.

Williams setzte am Freitag einige neue Teile ein, was Früchte getragen haben dürfte. "Wir haben heute das neue Aerodynamikpaket getestet und es hat wirklich gut funktioniert. Durch den geringen Abtrieb rutscht das Auto hier etwas mehr, aber das ist noch zu kontrollieren", sagte Bottas. "Mit unserer Longrunpace bin ich wirklich zufrieden, aber ich glaube trotzdem, dass da noch etwas mehr möglich ist."

Perez ließ aufhorchen, Foto: Sutton
Perez ließ aufhorchen, Foto: Sutton

Nicht ganz auf Silberpfeil-Niveau, aber nur knapp darüber, drehte Force-India-Mann Sergio Perez seine Runden. Merklich hinter den drei anderen Mercedes-Teams blieb hingegen McLaren zurück, wie gut aus dem Diagramm hervorgeht. Kevin Magnussen unterbot mit den Medium-Reifen in keiner Runde die Marke von 1:30 Minuten.

Anders als etwa Red Bull zog Mercedes noch nicht den Getriebe-Joker und wechselte die Übersetzung, was zur Folge hatte, dass Rosberg und Hamilton kaum in den achten Gang schalteten. "Wir sind bis jetzt mit den Monza-Gängen gefahren und auch hier scheint es so, dass unser siebter und achter Gang zu lang ist", erklärte der Deutsche, hielt jedoch fest, dass der Zeitverlust dadurch lediglich gering sei.

Gemeinhin wurde erwartet, dass jene Teams, die auf Motoren aus dem Hause Renault und Ferrari setzen, in Monza kaum Chancen haben würden. Legt man die Zeiten des Freitags zugrunde, trifft das durchaus zu - aber lediglich, was den Vergleich mit Williams betrifft. Daniel Ricciardo und Kimi Räikkönen gelang es hingegen, Rosbergs Pace annährend mitzugehen, wenngleich bekannt ist, dass Ferrari am Freitag gerne mit wenig Sprit im Tank fährt, gerade vor den heimischen Tifosi.

Reifenverschleiß kein Thema

Pirelli griff zur härtesten Kombination, Foto: Sutton
Pirelli griff zur härtesten Kombination, Foto: Sutton

Kein großes Thema ist in Monza der Reifenverschleiß. Pirelli bringt die harte und mittlere Mischung an die Strecke, die aufgrund der geringen Anzahl schneller Kurven nur ausgesprochen langsam abbauen, weshalb die bevorzugte Strategie am Sonntag ein Boxenstopp sein wird.

Die zeitlichen Unterschiede zwischen den beiden Mischungen waren verhältnismäßig gering, teils waren die mittleren Reifen im Longrun sogar langsamer, wie das Beispiel Perez zeigt. Allerdings gilt hier zu beachten, dass der Mexikaner die harten Pneus erst am Ende der Session fuhr, als sein Bolide bereits deutlich weniger Gewicht in Form von Treibstoff mit sich herumtrug.

Pirelli spricht davon, dass zwischen den beiden Reifenmischungen nur rund sechs Zehntelsekunden liegen, was trotz der erwarteten Einstopp-Strategien mehrere taktische Möglichkeiten bietet. So wäre es etwa denkbar, sich auf den harten Reifen zu qualifizieren, um dann in der zweiten Hälfte des Grand Prix' in den Genuss der schnelleren Medium-Pneus zu kommen. Auf dieser Art und Weise legte Perez 2012, damals noch in Diensten von Sauber, eine eindrucksvolle Aufholjagd hin und fuhr vom zwölften Startplatz auf das Podium.

Fazit: Hat Williams geblufft oder nicht, das ist die große Frage. Wenn Valtteri Bottas nicht mit wesentlich weniger Sprit als die Konkurrenz unterwegs war, hat sich der Finne mit seinem Fabel-Longrun zweifelsfrei in die Favoritenrolle manövriert. Mercedes verfügt in Monza nicht über einen solch großen Vorsprung, wie das an den meisten bisherigen Freitagen zu beobachten war. Aber auch hier bleibt abzuwarten, ob die Silberpfeile nicht noch etwas im Köcher haben, um ein paar Zeitspäne zu finden. Außerdem muss bedacht werden, dass die Abstände im Autodromo Nazionale wegen des ungewöhnlichen Layouts stets deutlich geringer als auf anderen Rennstrecken ausfallen. Noch ist es also zu früh, Mercedes abzuschreiben.