Heute, am 5. September 2014, ist es 44 Jahre her, dass Jochen Rindt im königlichen Park zu Monza sein Leben verlor. "Als ich danach auf meine Qualifyingrunde ging, hatte ich Tränen in den Augen", erinnert sich der dreifache Weltmeister Jackie Stewart an jenen Tag in Monza zurück. "Sobald ich das Visor heruntergeklappt hatte, fuhr ich die beste Qualifyingrunde, die ich je in Monza gefahren bin. Ich hatte keinen Todeswunsch, aber als ich hereinkam, gab mir mein bester Freund John Lindsay eine Cola. Ich trank kurz und war so verärgert, dass ich sie an der Wand zerschlug."

Als Rindt am 5. Oktober 1969 in Watkins Glen den ersten Grand Prix seiner Karriere gewann, jubelte Lotus-Teamchef Colin Chapman an der Boxenmauer. Bei seinem letzten Sieg in Hockenheim 1970, nach einem endlosen Windschattenduell mit Jacky Ickx, flog die berühmte Chapman-Mütze erneut; zusammen mit dem berühmten Ausruf: "It's Jochen." Fast genau ein Jahr nach dem ersten Triumph, am 4. Oktober 1970, gewann erneut ein Lotus-Pilot in Watkins Glen und sicherte damit seinem einen Monat zuvor in Monza tödlich verunglückten Teamkollegen Jochen Rindt posthum den Weltmeistertitel. Auf der Haupttribüne hielten amerikanische Fans ein großes Transparent: "Jochen lives".

Bunte Hemden, lange Haare

Es war eine andere Zeit, eine in der das Risiko in der Formel 1 noch unvergleichlich höher war, in der zwei Tote pro Saison als durchaus normal akzeptiert wurden, aber auch die Zeit der ersten "Popstars" unter den Rennfahrern. Allen voran Jochen Rindt und sein guter Freund Jackie Stewart. Längere Haare, bunte Hemden, Schlaghosen, mit Ehefrau Nina, einem finnischen Fotomodell neben sich, das war das Bild, unkonventioneller als es damals noch in seiner Heimat üblich war - auch das trug dazu bei, dass Jochen Rindt bis heute stärker in Erinnerung blieb als viele andere, dass Udo Jürgens damals ein Lied, "der Champion" für ihn schrieb, dass ihm zu Hause in Österreich sogar im Rahmen der Salzburger Festspiele eine eigene Oper gewidmet wurde.

Jochen Rindt sammelte vor seinem tödlichen Unfall genug Punkte für den Titelgewinn, Foto: Sutton
Jochen Rindt sammelte vor seinem tödlichen Unfall genug Punkte für den Titelgewinn, Foto: Sutton

Wobei das Wort zu Hause im Fall von Rindt sowieso eine gewisse Streitfrage ist: Die Diskussion, ob er denn nun Deutscher oder Österreicher gewesen ist, ist uralt. Jochen Rindt wurde am 18. April 1942 als Sohn einer Österreicherin und eines Deutschen geboren. Seine Eltern starben 1943 bei einem Bombenangriff auf Hamburg, Rindt wuchs daraufhin bei seinen Großeltern in Graz auf. Auf Betreiben seines Großvaters, eines Rechtsanwalts, behielt er zwar Zeit seines Lebens die deutsche Staatsbürgerschaft, fuhr jedoch mit österreichischer Lizenz und wurde deshalb, auch in offiziellen FIA-Dokumenten, stets als Österreicher betrachtet.

Ein Spätzünder

In Österreich begann er auch mit dem Rennsport. "Eigentlich bin ich in die ganze Sache reingeschlittert", erzählte Rindt einmal, als er schon ganz oben in der Formel 1 angekommen war. "Da ich schon immer gerne schnell mit dem Auto gefahren bin, wurde mir von Bekannten und Freunden geraten, abseits öffentlicher Straßen schnell Auto zu fahren. Was auch viel sicherer sei, da einem niemand entgegen kommen kann. Das war ein Argument. Das habe ich dann auch gemacht." Das Geld für sein Auto hatte ihm seine Großmutter zum bestandenen Abitur geschenkt. Die Erfolge kamen für den "Spätstarter" schnell - zumindest nach heutigen Begriffen.

Ab 1962 startete er, nach ersten Erfolgen mit einem Alfa Romeo TI, bei zahlreichen organisierten Veranstaltungen. 1963 erhielt er seinen ersten Vertrag in der Formel Junior, in der er mit einigen Siegen auf sich aufmerksam machte. Im Jahr 1964 kam der Aufstieg in die Formel 2 und noch im gleichen Jahr das Formel-1-Debüt beim GP von Österreich mit einem Brabham. 1965 bis 1967 fuhr er für Cooper, 1968 für Brabham, 1969 erfolgte der schicksalhafte Wechsel zu Lotus. Rindt wusste, dass Lotus ihm die beste Chance bieten würde, endlich einen Grand Prix und auch den WM-Titel zu gewinnen - aber auch das höchste Risiko, im Rennauto zu sterben.

Die Autos von Colin Chapman hatten den Ruf, besonders fragil zu sein, Unfälle wegen Materialbrüchen waren keine Seltenheit. Rindt hatte das Risiko, das er einging, voll akzeptiert und dachte entsprechend: "Keiner von uns weiß, wie lange er lebt, jede Stunde bringt uns an das Ende unserer Tage näher. Darum sollten die Menschen die Zeit nützen. Du hast die Pflicht, möglichst viel möglichst schnell zu tun." Doch das hieß nicht, dass er nicht versuchte, sich für mehr Sicherheit einzusetzen. In Barcelona 1969 verunglückten er und sein Teamkollege Graham Hill, weil Chapmans gewagte Flügelkonstruktionen brachen. Später rechnete der Lotus-Chef nach und stellte fest - das konnte gar nicht halten.

Jochen Rindt beim England GP 1970, Foto: Sutton
Jochen Rindt beim England GP 1970, Foto: Sutton

Forderung nach mehr Sicherheit

Jochen Rindt zog sich bei dem Crash einen Nasenbeinbruch und eine Gehirnerschütterung zu, hatte eine Zeit lang mit Seh- und Gleichgewichtsproblemen zu kämpfen. Während seiner Genesung forderte er in einem offenen Brief an die Presse das Verbot von Flügeln an den Fahrzeugen, da diese gefährlich für Fahrer und Zuschauer seien - und sparte auch nicht mit interner Kritik an seinem Chef. Auch sein erster Sieg am Jahresende war von einem schweren Unfall überschattet: Sein Teamkollege Graham Hill brach sich dabei beide Beine. Somit war Rindt im Lotus Team für das Jahr 1970 die Nr. 1 und schien nach fünf Siegen in Folge von Monaco bis Hockenheim unaufhaltsam dem WM-Titel zuzustreben.

Doch das Glück dieses Sommers hatte schon einen bösen Schlag erfahren. In Zandvoort als Piers Courage, Rindts bester Rennfahrerfreund, tödlich verunglückte. Rindt kamen Zweifel, kurzfristig tauchte schon die Frage nach dem Sinn auf, auch angesichts der Familie, der damals zweijährigen Tochter Natascha und Ehefrau Nina, die mit Sally Courage sehr eng befreundet war. Doch am Ende siegte die Faszination, der "Rausch", den Udo Jürgens in seinem Lied einmal zitiert, das Verlangen, weiterzumachen. Weiterzumachen, auch beim Heim-GP in Österreich als ihn ein technischer Defekt aus dem Rennen riss.

Dann bei seinem letzten Sieg, bei einem Formel-2-Rennen auf dem Salzburgring, eine Woche vor Monza, vor jenem Samstag, als an Rindts Lotus im Abschlusstraining beim Anbremsen der Parabolica mit großer Wahrscheinlichkeit eine vordere Bremswelle brach. Aus Gewichtsgründen hatte Chapman diese hohl konstruiert. Rindt hatte angesichts der alles andere als professionell organisierten Rettungsmaßnahmen keine Chance, starb noch auf dem Weg ins Krankenhaus. "In einem Lotus kann ich Weltmeister werden, aber auch sterben." Es erfüllte sich beides. Sein Punktevorsprung war so groß, dass er bis zum Saisonende nicht mehr eingeholt werden konnte, Jochen Rindt wurde posthum Weltmeister, der einzige in der Formel-1-Geschichte.