Dass Toto Wolff und Niki Lauda nach der Kollision von Nico Rosberg und Lewis Hamilton in Spa bereits kurz danach Ersteren scharf kritisierten, ehe es zu einer teaminternen Aussprache kam, verwunderte einige im Paddock. Lauda räumt ein, dass die Kritik an Rosberg auf der öffentlichen Bühne sehr hart ist. "Rückblickend hätten wir mit unseren klaren Worten sicher bis nach der Aussprache warten können", erklärt er im Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. "Doch ich muss Sie enttäuschen. Unser Urteil war nachher das gleiche wie vorher."

Rosberg hätte den Unfall seiner Ansicht nach leicht verhindern können, wenn er etwas mehr gebremst und das Manöver früher abgebrochen hätte. "Man konnte mit 90-prozentiger Sicherheit sagen, dass dieser Angriff nicht gutgeht, wenn Lewis auf seiner Linie bleibt. Und für ihn gab es keinen Grund, von seiner Linie abzuweichen. Nico war zu weit hinten, als dass ihn Lewis hätte sehen können", verdeutlicht Lauda. "Und dass Lewis ihm nicht freiwillig Platz machen wird, hat er ihm schon 100 Mal gezeigt."

Was Lauda am meisten stört ist der Zeitpunkt des Manövers. "Das ganze Rennen lag noch vor den beiden. Da gibt es tausend Möglichkeiten, Lewis zu überholen. Eine Runde später mit DRS oder später bei einem der Boxenstopps. Es gab keinen Grund, so früh so ein Risiko einzugehen." Rosberg ging es aber offenbar darum, klarzumachen, dass er nicht immer gegen Hamilton zurückstecken wird - auch wenn Lauda das Ungleichgewicht nicht so wahrnimmt. Seiner Ansicht nach ging Rosberg die Überholmanöver gegen seinen Teamkollegen in der Vergangenheit falsch an. "Nico muss das Überholmanöver so planen, dass Lewis in eine Situation kommt, in der er nur noch nachgeben kann."

Für Mercedes sei es nun das Wichtigste, dass beide Piloten nicht den Respekt gegenüber dem jeweils anderen und dem Team verlieren. Dass es keine Stallorder geben wird, hat Mercedes bereits mehrfach betont. Lauda begründet das damit, dass Hamilton und Rosberg die Angelegenheit untereinander lösen müssen. Von außen könne man lediglich die Prioritäten klarmachen. "Von außen sind nur Zurufe möglich. Ratschläge gibt es nicht. Zurufe der Art, dass sie gegenüber Mercedes in der Verantwortung stehen und so früh wie möglich den Konstrukteurstitel einfahren und dann sicherstellen müssen, dass nur noch ein Mercedes-Fahrer Weltmeister werden kann."

Er gehe davon aus, dass es zu keiner weiteren Kollision kommen wird. "Weil die zwei genau wissen, dass sie gleich behandelt werden und dass es uns egal ist, wer von den beiden Weltmeister wird, sobald die obengenannten Ziele erreicht werden", betont Lauda. "Wir haben das Problem, dass unsere Fahrer praktisch gleich stark sind. Das macht es für uns immer schwieriger einzugreifen, weil dann der Eindruck entsteht, dass wir den Weltmeister steuern wollen." Die Konkurrenz, beispielsweise Red Bull, handelte diesbezüglich oftmals anders. Lauda sieht aber einen entscheidenden Unterschied: Bei Red Bull sei Vettel in der Regel der Schnellere gewesen. "Das hat sich von allein aussortiert."

Bei Hamilton und Rosberg spielt auch aufgestauter Frust eine Rolle, wie Lauda einräumt. "Wenn der andere dir fünf Mal auf eine brutale Art zeigt, dass du keine Chance hast, dann staut sich da genug Frust auf, der zu einem Gegenangriff führen kann. Genau das Problem haben wir jetzt. Noch schlimmer als vorher. Hamilton hat in Spa alles verloren. Das könnte diesen Zweikampf eskalieren lassen, weil sich Lewis die verlorenen Punkte zurückholen will. Auf das müssen wir aufpassen."