Die Ausgangslage: Mercedes dominierte das regnerische Qualifying zum Großen Preis von Belgien nach Belieben. Nico Rosberg und Lewis Hamilton fuhren der Konkurrenz um die Ohren, der Drittplatzierte Sebastian Vettel hatte mit seiner schnellsten Runde im Q3 mehr als zwei Sekunden Rückstand auf Rosbergs Bestzeit. Anschließend waren selbst die Silberpfeile von ihrem brachialen Vorsprung überrascht. Gleichzeitig betonten Rosberg und Co., dass es im Rennen zumindest etwas anders laufen könnte.

Red Bull präsentierte sich bislang überraschend stark in Spa-Francorchamps. Einer Strecke, die wegen ihres hohen Vollgasanteils dem Weltmeister-Team eigentlich nicht entgegenkommen sollte. Allerdings überzeugten Vettel und Teamkollege Daniel Ricciardo mit ungewohnt hohem Topspeed auf den langen Geraden der Ardennen-Achterbahn.

Der Weg hoch durch Eau Rouge fiel Red Bull leichter als erwartet, Foto: Red Bull
Der Weg hoch durch Eau Rouge fiel Red Bull leichter als erwartet, Foto: Red Bull

Red Bull zieht Getriebe-Joker

Der Clou dahinter: Red Bull zog vor dem Belgien-Wochenende den Getriebe-Joker und war so in der Lage, die Getriebeübersetzung für die Highspeed-Strecken in Spa und Monza anzupassen, was per neuem Reglement bis auf die eine Ausnahme im Vergleich zu den Vorjahren grundsätzlich untersagt ist.

Außerdem ist der RB10-Bolide mit extrem flachen Heckflügel unterwegs, um auf der hügeligen Strecke konkurrenzfähig zu sein. "Wir haben gesehen, dass Red Bull hier viel schneller auf den Geraden ist als vorher", bemerkte auch Pole-Setter Rosberg. "Darauf müssen wir aufpassen. Vor allem mit Blick auf die Rennpace im Trockenen haben sie sich verbessert. Ich denke, dass wir immer noch das beste Auto haben, aber diesmal ist es etwas anders und auch neu."

Red Bull fährt mit extrem kleinem Heckflügel, Foto: Sutton
Red Bull fährt mit extrem kleinem Heckflügel, Foto: Sutton

Red Bull top beim Speed

Da Vettel nach seiner starken Qualifying-Performance auf dem dritten Startplatz landete, befindet er sich in unmittelbarer Schlagdistanz zu den Silberpfeilen - ohne sich vorher mühsam durchs Feld kämpfen zu müssen. Schon das 2. Training am Freitag hatte gezeigt, dass es in Belgien nicht wie gewohnt abläuft.

Bei den Top-Speeds erreichte Ricciardo 332,2 km/h Höchstgeschwindigkeit - und war damit schneller als Hamilton (331,5 km/h) und Rosberg mit 330,8 km/h. Vettel konnte am Freitag wegen Motoren-Problemen lediglich elf Runden zurücklegen und tauchte deshalb nicht in der Topspeed-Liste auf.

Red Bull geht Kompromiss ein

Um höhere Geschwindigkeiten zu ermöglichen, musste Red Bull allerdings beim Downforce-Level Kompromisse eingehen. Mercedes hingegen leistet sich mehr Abtrieb - schließlich ist die hauseigene Power Unit dem Aggregat von Renault bekanntlich überlegen. "Wir wussten, dass das eine der schwierigsten Strecken für uns wird", räumte Red Bulls Motorsportberater Helmut Marko ein. "Wir haben fast keinen Heckflügel. Vom Speed her können wir zwar nicht mit Mercedes mitgehen, aber wenn wir im Rennen dran sind, machen sie vielleicht Fehler."

Red Bull baut in Spa knallhart auf die Renn-Performance. Im nassen Qualifying war der RB10-Bolide mit einem Trocken-Setup ausgestattet - wobei noch nicht geklärt ist, ob am Sonntag wirklich der Regen ausbleibt. "Wir haben das Auto für ein trockenes Rennen ausgestattet", sagte Ricciardo. "Obwohl wir im Regen recht stark sind, wussten wir, dass wir wegen unseres Setup im Vergleich zu einigen anderen hinten dran sein würden."

Mercedes kann wegen seiner Power mit mehr Downforce fahren, Foto: Sutton
Mercedes kann wegen seiner Power mit mehr Downforce fahren, Foto: Sutton

Vorsprung sieht gigantisch aus

In Spa sah Ricciardo keine andere Möglichkeit, um konkurrenzfähig zu sein: "Angesichts unseres Speed auf den Geraden brauchen wir eine Chance zu kämpfen, um nach vorn zu kommen oder uns zu verteidigen."

Mercedes bleibt in den Ardennen das Team, das es zu schlagen gilt. Der extreme Vorsprung von zwei Sekunden wie im Qualifying sollte im Rennen allerdings geringer ausfallen. Red Bulls Teamchef Christian Horner relativierte den Abstand ohnehin. "Die Differenz nach vorne sieht natürlich gigantisch aus, aber auf einer so langen Runde wie hier in Spa ist das normal, wenn ein Auto derart überlegen ist", meinte er. "Wir hoffen, dass es im Rennen trocken bleibt, dann könnte sich unser Low-Downforce-Paket etwas mehr auszahlen."