Alle freuen sich auf Belgien, in Spa heulen endlich wieder die Motoren. Gleichzeitig ist Spa die Lieblingsstrecke von fast allen Fahrern und auch die Fans lieben Eau Rouge, Les Combes, Blanchimont und wie die Kurven alle heißen. Mercedes, Williams, Force India und McLaren freuen sich noch ein bisschen mehr auf den bevorstehenden Klassiker als die anderen Teams. Denn diese vier Rennställe haben Mercedes-Power im Heck. Und der Stern auf der Haube war schon bei den elf bisherigen Rennen kein Nachteil.

In Spa könnte der Mercedes-Vorteil noch ein ganzen Stück größer sein. "Man kann wohl sagen, dass Spa die härteste Strecke des Jahres für die Power Units ist", gibt Renault Motorenchef Remi Taffin offen zu. Dabei ist es kein Geheimnis, dass Renault noch mit einem deutlichen Leistungsdefizit zu kämpfen hat.

Rund 60 PS sind es, die Red Bull auf Mercedes fehlen, rechnete Red Bull Motorsportberater Dr. Helmut Marko im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com vor. Doch die Leistung an sich könnte noch nicht einmal das größte Problem sein. Spa, das bedeutet lange Vollgaspassagen, Aufsetzen, sehr schnelle Kurven, harte Bremspunkte und extreme Höhenunterschiede. "Jeder dieser Faktoren alleine wäre für die neuen Power Units schon hart, aber diese Kombination über diese beeindruckende 7 Kilometer lange Strecke reicht, um den kühnsten Ingenieur nervös zu machen", so Taffin.

Die längste Strecke im Kalender

Die Krux könnte für Renault tatsächlich in der Streckenlänge liegen. Denn der Energiebetrag , der von der MGU-K rekuperiert werden darf, ist festgelegt - pro Runde. Egal, ob eine Runde 4 Kilometer lang ist oder eben 7 Kilometer, es bleibt bei 2 Megajoule, die beim Bremsen von den Hinterrädern abgezweigt werden dürfen.

Der Vollgasanteil in Spa ist hoch, Foto: Sutton
Der Vollgasanteil in Spa ist hoch, Foto: Sutton

Gleichzeitig darf aber an der MGU-H unbegrenzt elektrische Energie gesammelt werden, die entweder direkt über die MGU-K an die Hinterräder abgegeben oder zunächst in der Batterie gespeichert wird. Und genau hier liegt der große Vorteil von Mercedes: Beim Energiesammeln am Turbolader. Das wird vor allem im Rennen interessant, wenn Mercedes die Überlegenheit auch beim Benzinsparen zeigen kann.

Trotzdem dürfte der Unterschied zwischen Qualifikationsmodus und Renntrimm größer sein als auf den anderen Strecken. Verglichen mit dem Leistungsbedarf über sieben Kilometer hinweg ist die durch die MGU-K zur Verfügung stehende Leistung eher gering. Folge: Verbrennungsmotor und MGU-H sind stärker gefordert.

Overload-Motorentrick kommt wieder zum Einsatz

Weil vor allem auf der langen Kemmel Geraden der Verbrennungsmotor an seine Grenzen gelangt, haben sich die Ingenieure einen besonderen Trick ausgedacht. Um weiterhin die MGU-K mit Energie zu beliefern, wird die MGU-H künstlich auf Touren gebracht. Dazu wird der Benzinfluss - natürlich nicht über die 100-Kilogramm-Marke - erhöht, und mehr Treibstoff in die Brennkammern eingespritzt, als eigentlich nötig. Dadurch ist die Verbrennung zwar nicht mehr so effizient, es entstehen aber mehr Auspuffgase, die den Turbolader und somit die MGU-H antreiben.

Was leistet die Renault-Power-Unit in Spa?, Foto: Renault Sport F1/adrivo
Was leistet die Renault-Power-Unit in Spa?, Foto: Renault Sport F1/adrivo

Weil es ab einem gewissen Punkt keinen Sinn macht, den Ladedruck weiter zu erhöhen, kommt die gesteigerte Energie im Auspufftrakt gar nicht erst am Verdichter an. Der Widerstand der MGU-H wird erhöht und somit mehr elektrische Energie gewonnen. Diese Energie wird nicht gespeichert, sondern direkt an die MGU-K abgegeben, wo die elektrische Energie, die am Turbolader gesammelt wurde, wieder als kinetische Energie an die Hinterreifen abgegeben wird.

Turbo dreht sich fast bis 125.000 Mal pro Minute

Gleichzeitig hält Spa aber noch eine weitere Herausforderung für die Motoreningenieure bereit. Die Strecke liegt ähnlich hoch wie Spielberg. "Der Turbo rotiert dann nahe am Limit. Das sind über 100.000 Umdrehungen pro Minute oder fast 2.000 Umdrehungen pro Sekunde", rechnet Taffin vor.

Die festgeschriebene Maximaldrehzahl liegt bei 125.000 Umdrehungen pro Minute. Der Franzose sieht dieses Problem allerdings gelassen: "Wir haben in Österreich Erfahrung in diesen Höhenregionen sammeln können und können hier deshalb ein bisschen aggressiver herangehen. Die Umdrehungszahlen könnten sogar noch höher sein."