Romain, hinter dir liegt eine schwierige erste Saisonhälfte. Bei den ersten Rennen war dir der Frust regelrecht anzusehen. Mittlerweile nimmst du es mit Humor. Hilft dir das, mit der Situation umzugehen?
Romain Grosjean: Ja, man darf es nicht so hart nehmen. Wir können die Situation nicht verändern. In dieser Saison bleibt alles so, wie es ist. Ein bisschen Selbstironie und Spaß können da nicht schaden.

In Australien und Malaysia war es anders. Über den Winter dachten wir, dass wir Weltmeister werden könnten, aber dann funktionierte der Motor nicht. Das Auto war nicht so gut, wie wir nach den Windkanaltests gedacht hatten. Das waren schwere Zeiten. Da lassen sich die Emotionen natürlich nicht verbergen.

Du hast hart daran gearbeitet, um das Team zu motivieren. Dir kam niemals ein böses Wort über die Lippen, wie es bei anderen Fahrern vielleicht der Fall gewesen wäre...
Romain Grosjean: [grinst] Es bringt nichts, einem speziellen Ingenieur die Schuld zu geben. Wir arbeiten als Team zusammen. Keiner trägt die Schuld allein für die Probleme. Es macht keinen Sinn, jemanden zu beschuldigen oder zu beschimpfen.

Hinter Romain Grosjean liegt eine schwierige Saison, Foto: Sutton
Hinter Romain Grosjean liegt eine schwierige Saison, Foto: Sutton

Du hast mit deinem Team schon viel mitgemacht. Dein F1-Einstieg 2009, die Diskussionen um deine Startunfälle, die Erfolge... Das Team hat stets zu dir gestanden. Zahlst du es ihm nun in einer schwierigen Phase zurück?
Romain Grosjean: Es ist richtig, ich habe mit dem Team schon viel erlebt. Bin schon lange dabei. Sie haben in schwierigen Zeiten zu mir gestanden. Ich habe Fehler gemacht, aber sie haben mir den Rücken gestärkt. Man kann es schon so sehen, dass ich dies jetzt zurückzahle.

Manchmal muss man durch solche Durststrecken gehen, um gestärkt daraus hervorzugehen. Selbst Michael Schumacher und Fernando Alonso haben das schon erlebt...
Romain Grosjean: Wenn man sich ansieht, als Michael zu Ferrari kam, war das Auto nicht besonders gut. Plötzlich lief es gut, das Auto war besser und er gewann fünf WM-Titel in Serie.

Du hast schon viel in deiner recht kurzen Formel-1-Karriere erlebt, viele Rückschläge und Tiefpunkte mitgemacht. Ist es langsam genug? Denkst du, dass du nun alles durch hast?
Romain Grosjean: Ich sehe das nicht so. Ich hatte in meiner Karriere meistens das Glück, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. 2004 und 2005 war es das richtige Formel Renault Team. 2006 vielleicht nicht das richtige Formel 3 Team. Von 2007 bis 2009 waren gute Jahre. Dann wagte ich den Sprung in die Formel 1. Da lief es nicht so gut.

In der GP2 leistete ich dann aber sehr gute Arbeit mit DAMS, deren Saison ich auch heute noch genau verfolge. Danach zeigte ich gute Leistungen mit Lotus. Ich denke nicht, dass ich immer in schwierigen Situationen gewesen bin. Das gehört zu deiner Karriere dazu. Es gibt immer Aufs und Abs. Aktuell ist es Teil meiner Formel-1-Erfahrung. Für mich kommt das nicht zur besten Zeit, aber wer weiß, was die Zukunft bereithält?

Für Grosjean gibt es keinen geraden Weg an die Spitze, Foto: Sutton
Für Grosjean gibt es keinen geraden Weg an die Spitze, Foto: Sutton

Jeder Rennfahrer möchte Rennen und Titel gewinnen. Hast du manchmal Angst, niemals ein Rennen zu gewinnen?
Romain Grosjean: Dieses Jahr werde ich sicher kein Rennen gewinnen. Ich glaube aber an meine Glückssterne und denke, dass ich in Zukunft Rennen gewinnen werde.

Es gibt derzeit viel Kritik an der Formel 1. Aber die letzten Rennen vor der Sommerpause waren voller Action und spannender Zweikämpfe. Du steckst im Mittelfeld mittendrin. Machst dir das besonderen Spaß?
Romain Grosjean: Ich genieße die Zweikämpfe in diesem Jahr nicht so sehr. Denn die meiste Zeit werde ich überholt und kann nicht selbst überholen. Das ist nicht gerade das schönste Gefühl.

Wenn man sich die 80er ansieht, gab es immer gute Rennen. Genauso in den 90er und 200er Jahren. Viel hängt von der Strecke ab. In Ungarn ist es sehr schwierig, zu überholen. Wenn nichts passiert, ist es nahezu unmöglich, zu überholen. In Hockenheim gibt es lange Geraden, dort kann man etwas versuchen. Es ist anders, denn mein Auto ist nicht so gut und es ist schwieriger, zu überholen. Insgesamt machen die Rennen aber viel Spaß.

Du wirkst sehr entspannt. Wie sehr hilft dir deine Familie dabei, diese schwierige Situation zu vergessen?
Romain Grosjean: Die Familie ist wichtig. Es ist schwierig, heimzugehen und nicht über die Formel 1 nachzudenken. Denn das ist meine Arbeit und meine Leidenschaft. Es ist gut, dass mich meine Familie und mein Team unterstützen. Alle arbeiten zusammen. Diese Saison ist charakterbildend. Ich arbeite immer noch viel mit einem Psychologen zusammen. Er soll mir helfen, alles in den Griff zu bekommen und mich zu verbessern.

Romain Grosjean im Gespräch mit Stephan von Motorsport-Magazin.com, Foto: Sutton
Romain Grosjean im Gespräch mit Stephan von Motorsport-Magazin.com, Foto: Sutton

Ich habe mit Franz Tost über die Situation junger Formel-1-Fahrer gesprochen. Er meint, dass ein Nachwuchsfahrer 24 Stunden an sieben Tagen in der Woche an die Formel 1 denken muss. Wird das nicht irgendwann kontraproduktiv?
Romain Grosjean: Jeder ist anders. Franz hat auf gewisse Weise Recht. Es ist aber gut, etwas zu haben, das man zusätzlich macht. Eine Leidenschaft, um abzuschalten. Neue Ideen zu entwickeln. Alles hängt davon ab, wer du bist. Als junger Fahrer musst du in die richtige Richtung geführt werden. Wenn du dich besser kennst, weißt du genau, was du zu tun hast.

Und wie schaltest du von der Formel 1 ab?
Romain Grosjean: Ich verbringe gerne Zeit mit meiner Familie. Ich liebe es, zu kochen und Sport zu treiben.