Hat sich Lewis Hamilton im WM-Duell mit Nico Rosberg am Samstag in Hockenheim klassisch verpokert? Dem Briten brach im Qualifying bereits nach wenigen Minuten die rechte vordere Bremsscheibe, was zu einem Unfall und dem vorzeitigen Aus in der Qualifikation führte.

Das Interessante daran: Mercedes bezieht Bremsen von zwei verschiedenen Herstellern (Brembo und Carbone Industries) und Hamilton wechselte erst am Samstagvormittag auf ein anderes Fabrikat als Rosberg. "Beide Fahrer sind zwar mit dem gleichen Produkt gestartet, aber Lewis hat sich für etwas Anderes entschieden. Er meinte, das würde seinem Fahrstil mehr entgegen kommen", bestätigte Teamchef Toto Wolff.

Hamilton hat es gerne aggressiv

Hamilton erklärte seine Entscheidung: "Ich habe es gerne, wenn die Bremsen bissig sind und mit möglichst viel Kraft anziehen ohne die Reifen zu blockieren. Du musst dich aber auf jeder Strecke neu entscheiden, welche Bremsen du haben willst. Da gibt es welche, die erst später im Rennen härter greifen und viele andere Faktoren. Ich habe mich für diese Bremsen entschieden, weil sie mehr Kraft haben und ich damit später bremsen kann."

Dass ihm aber eine der Scheiben schon in der sechsten Runde des Qualifyings um die Ohren fliegen würde, damit hatte niemand gerechnet. "Brembo hatte schon früher in diesem Jahr einen Defekt und sie haben die Scheiben eigentlich im Hinblick auf die Sicherheit weiterentwickelt. In dieser Karbonscheibe steckt jede Menge Forschung und Entwicklung", erklärte Wolff.

Was genau an der Komponente kaputt ging, kann der Hersteller in Abstimmung mit Mercedes erst in der kommenden Woche evaluieren. "Es gibt keinen Weg bis zum Rennstart zu analysieren, was genau passiert ist und wie man solch einen Defekt verhindern kann", so Wolff. Hamilton wird im Rennen damit wieder auf das andere Fabrikat zurückgreifen - und somit die gleichen Bremsen einsetzen wie Rosberg.

Bremsen: Ein psychologischer Faktor?

Dass ihn dieser Umstand am Sonntag etwas bremsen könnte, glaubt Hamilton nicht. "Wir hatten diese Bremsen ja schon im Einsatz. Das wird mich also nicht dabei behindern, mich durch das Feld zu arbeiten", versprach Hamilton. Auch psychologisch soll der heutige Crash morgen keine Rolle mehr spielen, beteuerte der Brite: "Ich denke nicht an die Bremsen, sondern stehe morgen Früh auf wie immer. Wenn ich morgen zum ersten Mal das Bremspedal drücke, bin ich schon längst wieder über den Unfall hinweg."

Dass Fahrer zu ihren Bremsen dennoch eine ganz besondere Beziehung haben, führte Nico Rosberg nach dem Qualifying aus. "Die Wahl hängt sehr stark von der Persönlichkeit des Fahrers ab. Es geht da einfach um ein gutes Gefühl und um Vertrauen in deine Bremsen. Die tatsächliche Bremsleistung ist eigentlich gar nicht so entscheidend", sagte der WM-Spitzenreiter. "Man probiert jedes Wochenende neue Sachen aus, meistens von beiden Fabrikaten und greift dann auf das zurück, womit man sich am wohlsten gefühlt hat."

Dass Mercedes nach Montreal nun auch in Hockenheim Probleme mit den Bremsen bekam, sei aber ein unglücklicher Zufall. "Dort hatten wir ein Problem, weil MGU-K defekt war und wir keine elektrische Bremsleistung mehr hatten. Somit musste die konventionelle Bremse alles abfangen und ist dadurch überhitzt", erklärte Wolff.

Über den Defekt in Hockenheim ärgerte man sich bei Mercedes trotzdem. "Im 21. Jahrhundert dürfen keine Bremsscheiben mehr brechen", wetterte Wolff unmittelbar nach Qualifyingende. Einige Stunden später gab sich der Geschäftsmann schon etwas diplomatischer: "Brembo ist ein Top-Unternehmen mit lauter Spezialisten. Es muss jetzt analysiert werden, wie wir wieder zu der Performance zurückkommen, die wir gewohnt waren." Für Hamilton hatte der Teamchef abschließend noch aufbauende Worte: "Er ist so gut, dass er auch mit den anderen Bremsen morgen vorne mitmischen können wird."