Das Qualifying zum Großbritannien GP war spannender, als so manches Rennen in der Vergangenheit. Ein solches Qualifying hat es noch nicht gegeben. Ein erfahrener Kommentator erzählte im Nachhinein, wie peinlich ihm seine zwischenzeitliche Analyse später war. Er hatte - wie die meisten anderen wohl auch - nach den ersten Outings in Q3 nicht mehr mit Verbesserungen gerechnet. Den anderen Kommentatoren erging es übrigens ähnlich. Motorsport-Magazin.com untersucht den Samstag.

Die Q1-Loser

Das Qualifying begann mit einem Paukenschlag. Beide Williams und beide Ferrari schafften den Sprung in die nächste Runde nicht. "Es ist manchmal ein schmaler Grat zwischen Held und Depp", sagte ein sichtlich mitgenommener Fernando Alonso später. Und die Analyse sagt: Ja, der Grat ist schmal, doch Ferrari hat das Schicksal herausgefordert.

Start Q1: Nasse Strecke, leichter Nieselregen

Bei nassen Qualifyings gibt es ein ungeschriebenes Gesetzt. Das besagt, dass man am besten zu jedem Zeitpunkt auf der Strecke ist, um den optimalen Moment nicht zu verpassen. Deswegen gibt es bei Wechselbedingungen auch häufig Stau in der Boxengasse. Ferrari und Williams waren aber die Ruhe selbst.

Ferrari und Williams: Die Volldeppen am Samstag, Foto: Sutton
Ferrari und Williams: Die Volldeppen am Samstag, Foto: Sutton

Während die Konkurrenz bei grüner Ampel auf Intermediates losheizte, blieben die Traditionsrennställe erstmal gemütlich in der Box. Nach mehr als zwei Minuten bequemt sich Fernando Alonso erstmals auf die Strecke, kurz danach auch Kimi Räikkönen. Bei Williams ist man noch etwas gemütlicher. Felipe Massa beginnt das Qualifying mit rund sechs Minuten Wartezeit in der Box, Bottas wartet weitere wertvolle Sekunden.

Während Williams zum ersten Mal auf die Strecke geht, haben die meisten anderen Teams ihre Runs bereits gefahren. Zwar können sich sowohl Alonso, als auch die Williams-Piloten in der Spitzengruppe festsetzen - Räikkönen ist 1,5 Sekunden langsamer als Alonso -, doch als Williams noch den ersten Run auf Intermediates zu Ende fährt, geht Esteban Gutierrez bereits auf Slicks raus.

Q1, sieben Minuten vor Ende: Strecke trocknet ab

Die Strecke verbessert sich zunehmend. Die meisten Teams nutzen die Chance und fahren jetzt auf Slicks raus. Lediglich Red Bull, Williams und Ferrari warten - die Strecke könnte sich weiter verbessern und die Reifen dann ihren Höhepunkt bereits hinter sich haben. Während sich alle Piloten auf Medium-Reifen verbessern, stehen Vettel, Ricciardo, Bottas, Massa, Alonso und Räikkönen noch in der Box und werden durchgereicht.

Q1, kurz vor dem Ende: Der Regen nimmt wieder zu

Erst kurz vor dem Ende schicken auch Ferrari, Williams und Red Bull ihre Piloten raus. Doch dann wird der Regen stärker. Räikkönen, der als erster des Sextetts rausgeht, kann seine Zeit als einziger verbessern. Alonso dreht sich, die Williams- und Red-Bull-Piloten können sich ebenfalls nicht mehr verbessern.

Ferrari versuchte den Taktik-Fehler nach dem Qualifying damit zu relativieren, dass Red Bull noch später rausgegangen wäre. Das stimmt, doch Vettel und Ricciardo waren nach den ersten Runs vor den Ferrari-Piloten. Wäre auch nur einer der Williams- oder Ferrari-Piloten etwas früher rausgefahren, hätte Sebastian Vettel dran glauben müssen. Denn er rettete sich auf Rang 16 in den zweiten Qualifying-Abschnitt.

Die Q3-Loser

Daniel Ricciardo fuhr keinen zweiten Run, Foto: Red Bull
Daniel Ricciardo fuhr keinen zweiten Run, Foto: Red Bull

Q3, der Anfang: Strecke unterschiedlich nass

Im mittleren Quali-Abschnitt gab es keine großen Zocker-Spielchen. In der letzten Sequenz umso mehr: Zunächst will jeder Pilot eine Zeit setzen, das Wetter ist zu wechselhaft, um etwas riskieren zu können. Bis auf Sebastian Vettel, der seinen ersten Run abbricht, setzen alle Piloten eine erste Zeit.

Anschließend geht das Warten in der Boxengasse los. Auf der Start- und Zielgeraden nimmt der Regen etwas zu. Weil außerdem kein Betrieb auf der Strecke ist, wird die Ideallinie nicht konstant trocken gefahren. An Verbesserungen glaubt niemand mehr. Trotzdem gehen die meisten Piloten noch einmal raus. Nur Daniel Ricciardo und die beiden Toro Rosso bleiben in der Box. Also alle aus dem Bullenlager - außer Vettel.

Q3, die Schlussminuten: Strecke weiter unterschiedlich nass

Weil Vettel noch keine Zeit gesetzt hat, fährt er noch einmal raus. Doch die Zeitenjagd beginnt bei niemandem vielversprechend. Das Feld ist eng zusammen, die Abstände zwischen den sieben Piloten auf der Strecke relativ klein. Im ersten Sektor können sich nur Vettel und Magnussen verbessern - beide nur, weil sie ihren ersten Versuch verpatzt hatten.

Nico Hülkenberg gelang Überraschung Nummer eins, Foto: Sutton
Nico Hülkenberg gelang Überraschung Nummer eins, Foto: Sutton

Im zweiten Sektor setzt sich dieses Bild fort. Quasi keine relevanten persönlichen Verbesserungen, an absolute Bestzeiten ist nicht zu denken. Doch dann fährt plötzlich Nico Hülkenberg über die Linie und setzt sich auf eins. Wenig später verbessert Vettel die Zeit noch einmal. Und auch Button kann sich immens verbessern, schiebt sich zwischen Vettel und Hülkenberg.

Alle Piloten verbessern am Ende ihre Zeiten - außer Hamilton und Perez, die beide ihre Runde abbrechen. Bei Hamilton besonders bitter, denn nach den ersten Runs stand der Brite auf der provisorischen Pole. Was war passiert?

Nach einem schlechten ersten Sektor entsched sich Hamilton dazu, seine Runde abzubrechen. Ob der Funkspruch, er würde Rosberg behindern - der Deutsche fuhr im Getriebe des Briten - ihn dazu veranlasste, ließ der Brite offen - aber er erwähnte ihn anschließend immerhin. Der WM-Zweite hatte aber nicht damit gerechnet, dass im letzten Sektor so extreme Verbesserungen möglich waren.

Sektor 1Sektor 2Sektor 3Runde
Hamilton, Versuch 129.505 38.74030.9871:39.232
Hamilton, Versuch 231.19846.316--
Rosberg, Versuch 129.30438.96631.1561:39.426
Rosberg, Versuch 230.08239.11026.5741:35.766

Niki Lauda bestätigte Motorsport-Magazin.com, dass es sich um einen Fehler des Briten handelte. "Er hat die Runde abgebrochen, weil er geglaubt hat, dass der Kurs wegen des Regens langsamer wäre. das entscheidet der Fahrer selbst. Da gibt es keine Kommunikation. Er ist der einzige, der draußen auf der Strecke fährt", so Lauda. "Er weiß genau, dass er einen Fehler gemacht hat." Auch wenn Hamilton offensichtlich einen Fehler gemacht hat, die Zwischenzeiten entlasten den Briten. Es war bis zum dritten Sektor komplett unrealistisch, dass es noch Verbesserungen geben würde. Das zeigten auch die Reaktionen der andere Piloten und der Experten.