Nico Rosberg sitzt entspannt an einem Tisch im ersten Stock der Mercedes-Hospitality. Im Hintergrund wird fleißig aufgebaut. Lewis Hamilton wartet auf seinen Auftritt bei einem TV-Interview. Es ist wie ein Sinnbild dieser Saison: der Teamkollege ist nie weit entfernt, egal ob auf der Strecke oder daneben.

"Das ist ein wirklich tolles Gefühl", sagt er im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com. So etwas habe er in der Formel 1 bislang noch nicht erlebt. "Ich reise zu einem Rennen an und weiß, dass ich mit einer fehlerfreien Leistung die Pole Position holen und den Sieg einfahren kann. Das ist genial. Mit diesem Silberpfeil fahren zu dürfen, erhöht den Genussfaktor noch einmal ein wenig."

Drei Saisonsiege hat Rosberg mittlerweile zu Buche stehen - einen weniger als sein Teamkollege Hamilton. Erleben wir trotzdem in dieser Saison den besten Rosberg seiner Karriere? "Es ist schwierig, das zu beurteilen. Aber ich glaube schon", sagt Rosberg nach einem kurzen Zögern. "Mit zunehmender Erfahrung wird man als Rennfahrer jedes Jahr etwas stärker und Erfahrung ist in unserem Sport sehr viel wert."

Ab heute ist der WM-Spitzenreiter erneut um ein Lebensjahr erfahrener. Im Alter von 29 Jahren könnte er sich am Saisonende seinen großen Traum vom Weltmeistertitel erfüllen. Etwas, worauf er seit seiner Kindheit hingearbeitet hat. Viele Experten sehen ihn schon früh in seiner Laufbahn als eine Art Wunderkind an, das in jeder Rennserie Erfolg hatte.

Nico Rosberg gewöhnt sich ans Champagnerspritzen, Foto: Sutton
Nico Rosberg gewöhnt sich ans Champagnerspritzen, Foto: Sutton

Rosberg würde sich nicht so bezeichnen. "Aber es war tatsächlich so, dass ich viele Jahre lang nicht das nötige Auto hatte, um konstant vorne dabei zu sein", räumt er ein. "Das ist in diesem Jahr zum ersten Mal in meiner Formel-1-Karriere der Fall. Ich bin voll motiviert, das Beste aus dieser Situation zu machen und möchte jedes Rennen gewinnen."

Mit dem Silberpfeil hat er die besten Voraussetzungen dazu und das Lob der Experten ist seither nicht geringer geworden. "Ich denke, Nico hat das Potenzial, besser zu sein als Lewis", outet sich Jackie Stewart gegenüber Motorsport-Magazin.com als Rosberg-Fan. "Er geht sehr sanft mit dem Auto um, überfährt es nicht oder crasht damit. Er ist ein unglaublich intelligenter Fahrer und langfristig wird er sich damit durchsetzen."

Intelligent. Clever. Smart. All diese Begriffe finden in Gesprächen über Nico Rosberg vermehrt Verwendung. "Nico ist ein mitdenkender Fahrer", findet Ex-F1-Pilot Allan McNish im Interview mit Motorsport-Magazin.com seine eigene Ausdrucksweise.

Perfekte Beispiele für Rosbergs Art zu fahren, sind für McNish seine Siege in Monaco 2013 und in Melbourne 2014: "Er wusste, dass er nicht mit zehn Sekunden Vorsprung gewinnen musste. Er musste nur gewinnen. Deshalb fuhr er sein Rennen und hielt alle auf ausreichend Abstand hinter sich. Das war ein sehr clever geführtes Rennen."

Aber auch außerhalb des Autos genießt Rosberg den Ruf eines kleinen Technikgenies. "Es ist sehr harte Arbeit, die Daten zu analysieren und zu verstehen, was geschieht", erklärt uns Johnny Herbert. "Mit deinem reinen Talent und Speed allein gewinnst du keinen WM-Titel. Du musst das mit harter Arbeit kombinieren. Deshalb ist Nico so gut, wie er ist."

Fairer Sportsmann oder egoistische Psychoduelle

Nico Rosberg hat immer die richtige Lektüre auf dem Tisch, Foto: Sutton
Nico Rosberg hat immer die richtige Lektüre auf dem Tisch, Foto: Sutton

Peter Sieber, Rosbergs früherer Renningenieur in der Formel BMW, sieht in ihm eine Mischung aus Heinz-Harald Frentzen und Michael Schumacher. Mit allen drei Deutschen hat Sieber früher zusammengearbeitet. "Schon damals hat man seinen Grundspeed und seine Intelligenz gesehen", erinnert er sich. "Vom Kopf her war er schon sehr ausgereift. Ein Interesse an der Technik war vorhanden. Er hat alles, was man ihm gesagt hat, aufgesaugt."

Genau wie heute hatte Rosberg auch damals das Image des netten Jungen von nebenan. "Als ich Nico kennengelernt habe, war er ein sehr netter und fairer Sportsmann", so Siebert. "Ich denke, er musste noch lernen, egoistischer zu sein und für sich zu arbeiten. Mit Freundschaft und dem Versuch, es jedem Recht zu machen, kommt man nicht weit."

Das merkte Rosberg spätestens in dieser Formel-1-Saison. Das WM-Duell gegen seinen Teamkollegen Lewis Hamilton ist gespickt mit Psychospielchen und Täuschungsmanövern. Ganz zu schweigen von einem gewissen Grund-Misstrauen, das in der Parkaktion von Monaco einen vorläufigen Höhepunkt fand.

Motorsport-Magazin.com-Experte Christian Danner glaubt aber nicht, dass sich Rosberg von solchen Dingen aus dem Konzept bringen lässt. Im Gegenteil: "Aufgrund der Kapazität zwischen den Ohren steckt er das weg." Entsprechend glaubt Danner weiterhin an seinen WM-Tipp: "Ich halte Nico für den konstanteren Fahrer der beiden und Weltmeister wird normalerweise immer der Konstantere. Dabei bleibe ich jetzt auch." Das heutige Geburtstagskind hätte sicher nichts dagegen.