Doppelsieg zum Greifen nah und am Ende kamen für Williams doch nur die Plätze drei und vier heraus. Nach Felipe Massas Pole Position und Valtteri Bottas' zweitem Startplatz schlugen am Samstag die Herzen aller Williams-Fans höher. Das erreichte seinen Höhepunkt, als tatsächlich die beiden FW36 im ersten Stint des Rennens an der Spitze lagen. Dann allerdings kamen die Boxenstopps und es ging abwärts für Massa. "Wir können nicht zufrieden sein, wenn wir ein Auto an der Spitze haben und es nach dem Boxenstopp auf Rang vier wieder herauskommt", gab Williams-Performance-Chef Rob Smedley ehrlich zu.

Bitter auch für Massa, der 14 Runden unangefochten an der Spitze lag. "Als Erster zu stoppen und als Vierter wieder auf die Strecke zu kommen, ist ein bisschen enttäuschend, aber das ist Racing", erklärte Massa nach dem Rennen. "Ich bin natürlich nicht ganz glücklich, aus dieser Position letztlich das Podest verpasst zu haben."

Vom Führenden zum Vierten - Felipe Massa, Foto: Sutton
Vom Führenden zum Vierten - Felipe Massa, Foto: Sutton

Boxenstopp-Rekord

Der Schuldige war schnell gefunden - der Boxenstopp: Während Massa 3,3 Sekunden bei seiner Crew stand, brauchte Valtteri Bottas lediglich 2,1 Sekunden. Genug, um den Finnen nicht nur an Massa vorbei, sondern auch vor Lewis Hamilton wieder auf die Strecke zu bringen. "Felipes Boxenstopp war nicht schlecht", rückte Smedley aber sofort wieder zurecht. "Verglichen mit Valtteris war er zwar langsamer, aber Valtteri hat auch den internen Williams-Rekord aufgestellt."

Rund acht Zehntel soll Bottas dadurch gewonnen haben. Genug, um auf Platz zwei wieder auf die Strecke zu gehen und erstmals an einen Podestplatz zu denken. "Ich hatte einen Boxenstopp, der mich wirklich in den Kampf gebracht hat und das hat mein Rennen verändert", bedankte sich Bottas bei seiner Crew. "Ich musste zuvor eine gute Runde fahren, womit ich vor Felipe kam. Von diesem Zeitpunkt ging es nur noch darum, meine Pace mit den Auto an der Spitze zu managen."

Genau die von Bottas angesprochene gute Runde fehlte Massa zu seinem Glück, wie Smedley verriet. Sowohl seine In- als auch seine Outlap waren langsamer als die des Teamkollegen. Zudem kämpfte der Brasilianer damit, nach dem ersten Stopp Temperatur in die Reifen zu bekommen und hatte daher weniger Grip. "Ich hatte Pech, denn ich kam hinter einem der Mercedes heraus", erklärte Massa. "Der andere war sehr dicht hinter mir, hatte heiße Reifen und kam einfach an mir vorbei." In der gleichen Runde hätte er durch ein Auto auf der Inlap ebenfalls Zeit verloren - letztlich genug, um auch Bottas passieren zu lassen.

Daher gibt es von Smedley eine klare Aussage: "Wenn du vorne fahren willst, muss jedes kleine Detail stimmen. Wenn eine Serie von Details schief läuft, dann passiert es eben, dass du von Platz eins auf Rang vier abrutscht."

Valtteri Bottas und Felipe Massa, Foto: Sutton
Valtteri Bottas und Felipe Massa, Foto: Sutton

Bottas frisst Massa auf

Dass Massa nicht gewinnen würde, prognostizierte Motorsport-Magazin.com-Experte Christian Danner bereits vor dem Rennen. "Das ist aber egal, denn die Emotionen sind die Hauptsache. Das ist herzzerreißend und das wollen die Leute sehen", freute sich Danner über Massas Emotionen nach der Pole Position.

Danner ist aufgefallen, dass Massa bei Williams deutlich befreiter als zu Ferrari-Zeiten ist. Seinen Meister ist aber bereits gefunden: Bottas. "Massa ist ein guter und sehr schneller Fahrer, aber Bottas hat ihn schon eingeholt. Er frisst ihn förmlich auf und ist einfach besser", sagte Danner zu Motorsport-Magazin.com.

Keine Strategie-Optionen

Am Ende reichte es aber auch für Bottas nur zu Rang drei im Rennen. Schnell wurden Stimmen laut, Williams hätte sich - speziell bei der ersten Serie der Boxenstopps - verpokert. Während Nico Rosberg in der elften Runde zu seinem ersten Stopp kam und Hamilton in der 13. Runde, wurden Massa und Bottas erst in Runde 14 respektive 15 an die Box zitiert. Smedley war aber überzeugt, dass für Williams frühere Stopps kaum möglich gewesen wären. "Wenn wir Nicos Boxenstopp mit einem oder beiden Autos gecovert hätten, dann wären wir mit den Reifen nicht zum Ende des Rennen gekommen", bezog sich der Brite auf die Strategieverschiebung, die auch den zweiten Stopp beeinträchtigt hätte.

Williams war ohnehin über das gesamte Rennen darauf bedacht, den Reifenverschleiß so gering wie möglich zu halten, durchdrehende Räder zu verhindern und die Fahrer auf ihre Fahrweise in Kurven aufmerksam zu machen. Ein so früher erster Stopp hätte gegen Ende des Rennens verheerende Folgen haben können. "Du würdest wie ein Idiot aussehen, wenn deine Reifen dann fünf oder sechs Runden vor Rennende komplett hinüber sind und du laufend überholt wirst."

Unabhängig aller Stopp-Diskussionen versuchte Smedley, die Tatsachen nicht aus den Augen zu verlieren. Williams sei über das gesamte Wochenende zweite Kraft gewesen - auch im Qualifying. "Wir waren das zweitschnellste Auto, denn Mercedes hätte ohne Probleme vor uns gestanden", erinnerte der Performance-Chef. Am Samstag hätte der Vorsprung pro Runde ca. drei Zehntel betragen, im Rennen möglicherweise sogar noch mehr. Zudem hätte Mercedes mit den Reifen besser hausgehalten. "Wir hatten einen guten Kampf mit den Mercedes, aber es war klar, dass wir niemals gewinnen würden", unterstrich auch Massa.

Williams muss sich erst wieder an die Höhenluft gewöhnen, Foto: Sutton
Williams muss sich erst wieder an die Höhenluft gewöhnen, Foto: Sutton

Viel zu lernen

Trotz aller Schwierigkeiten und Probleme verwies Smedley immer wieder darauf, dass das Team 27 wertvolle Punkte in Spielberg gewonnen habe. "Wir fuhren heute gegen ein sehr professionelles Team mit einem schnelleren Auto", erinnerte der Performance-Chef. Diese Organisation innerhalb des Teams müsse Williams nach so vielen Jahren Abstinenz von der Spitze erst wieder lernen. "Williams fuhr letztes Jahr im Bereich um Platz 13 bis 15 und nun im Bereich um Platz drei bis fünf. Glauben Sie mir, das ist eine komplett andere Gesichte."

Nun sei es an ihm, nicht den Finger in die Wunde zu legen und Einzelpersonen auf Fehler hinzuweißen, sondern dafür zu sorgen, dass Williams geschlossen wieder in die Rolle des Spitzenteams hineinwächst. "Wir werden als Team wachsen und immer stärker werden. Wir werden tun, was Red Bull getan hat oder was Mercedes tut - das ist unser Ziel. Wir wollen so gut wie sie sein, wenn nicht sogar besser", setzte Smedley die Messlatte nach oben. Bottas kann es nach seinem ersten Podestplatz kaum mehr erwarten: "Es gibt immer noch zwei Plätze weiter oben auf dem Podest, aber jetzt genieße ich einfach nur den Moment."