Ein ungeduldiger Blick auf die Uhr. Ein fragender Blick in Richtung der Kollegen, die sich um den schwarzen Tisch in der Ecke der Williams-Hospitality versammelt haben. Plötzlich geht die Tür auf. Mit einem breiten Grinsen schreitet Felipe Massa der Medienmeute entgegen, er genießt sichtlich das immense Interesse an seiner Person.

Der Brasilianer scheint bei Williams endlich zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. In Spielberg holte er seine erste Pole seit 2008, im Rennen fuhr er hinter seinem Teamkollegen Valtteri Bottas auf Platz vier. 1997 bescherten Jacques Villeneuve und Heinz-Harald Frentzen dem Team von Sir Frank Williams die bis dato letzten beiden WM-Titel. 16 Jahre nach diesem letzten großen Siegesrausch feiert Williams seine Wiederauferstehung.

Grund I: Hausaufgaben gut gemacht

Williams konnte in Spielberg endlich die ersten Früchte der Arbeit ernten, Foto: Sutton
Williams konnte in Spielberg endlich die ersten Früchte der Arbeit ernten, Foto: Sutton

Bereits bei den Wintertestfahrten überzeugte der FW36 mit Speed und Konstanz, doch nach Jahren der Mittelmäßigkeit blieben Zweifel bestehen. War alles nur ein Bluff? Die Mannschaft habe nie geblufft, stellte Williams-Cheftestingenieur Rod Nelson vor Saisonbeginn klar. Williams, einer der legendärsten und erfolgreichsten Rennställe in der Formel-1-Geschichte, habe lediglich seine Hausaufgaben gemacht.

"Das mussten wir auch, davor war es für mich unmöglich, ruhig zu schlafen. Wir waren absolut entschlossen, ein gutes, solides, haltbares Auto zu haben", betont Nelson. Diesen Entschluss hat die Mannschaft aus Grove mit Bravour umgesetzt. Nach zwei Rennen hatte der britische Traditionsrennstall bereits mehr Konstrukteurspunkte eingefahren als in der Saison 2013 insgesamt.

Die Konkurrenz hatte das Team da schon längst auf dem Schirm. "Williams befindet sich ganz klar in den Top-4, Top-5", meinte Johnny Herbert gegenüber Motorsport-Magazin.com. Für so manchen Formel-1-Experten und Ex-Williams-Fahrer galt der Traditionsrennstall schon vor Beginn der Saison als Geheimfavorit, nicht zuletzt wegen des geringen Spritverbrauchs des FW36. Die Erwartungshaltung von außen wurde innerhalb des Teams allerdings als extrem gefährlich angesehen.

Das ist verständlich, immerhin liegt hinter Williams eine desaströse Zeit, die ihren negativen Höhepunkt im Vorjahr fand. In 19 Rennen sammelte Williams nur magere zwei Zähler, am Ende der Saison stand ein neunter Gesamtrang zu Buche. Es war das schlechteste Ergebnis des Rennstalls in seiner 37-jährigen Teamgeschichte. "Das letzte Jahr war für jeden im Team ein Albtraum", räumt Claire Williams ein. "Es mussten Veränderungen geschehen."

Grund II: Pat Symonds

Pat Symonds verstärkt das Williams-Team enorm, Foto: Williams
Pat Symonds verstärkt das Williams-Team enorm, Foto: Williams

Im ersten Schritt nahm Williams immense Umstrukturierungen beim technischen Personal vor. Der wohl wichtigste Schachzug war die Verpflichtung von Pat Symonds im vergangenen Jahr. Trotz seiner Verwicklung in den Crashgate-Skandal 2008 eilt Symonds der Ruf eines genialen Ingenieurs voraus.

"Die Revolution, die derzeit bei Williams vonstatten geht, ist sicherlich seiner Herangehensweise geschuldet", sagt Massa. "Pat ist definitiv eine der wichtigsten Personen im Team. Er ist unglaublich erfahren und ist ein großartiger Leader innerhalb des Teams. Er macht einen großartigen Job, wenn man bedenkt, von woher Williams gekommen ist."

Mit Symonds nahm die in den vergangenen Jahren führerlos scheinende Technikabteilung wieder Erfolgsform an. Innerhalb weniger Monate stießen Jakob Andreasen von Force India, Craig Wilson von Mercedes, Rod Nelson und Dave Wheater von Lotus sowie Shaun Whitehead von Red Bull zum Traditionsrennstall. "Ein Team aufzubauen ist keine einfache Aufgabe. Das geht über einen sehr langen Zeitraum. So hat Pat schon im vergangenen Jahr damit angefangen, neue Leute zu rekrutieren", erzählt Alan McNish im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com.

Grund II: Rob Smedley

Rob Smedley und Felipe Massa haben eine lange zurückreichende Beziehung, Foto: Sutton
Rob Smedley und Felipe Massa haben eine lange zurückreichende Beziehung, Foto: Sutton

Eine weitere Säule ist Neuzugang Rob Smedley, der mit Felipe Massa 2008 nur um ein Haar den Fahrertitel verpasst hat. Er zählt seit dem Bahrain Grand Prix zum Williams-Inventar. "Rob wird die Gruppe von Senior Ingenieuren leiten und sich um die beiden Renningenieure kümmern, die wir aus der vergangenen Saison übernehmen", erklärt Claire Williams die neue Struktur. "Rod [Nelson] wird vor Ort an der Rennstrecke agieren, Jakob [Andreasen] bleibt im Werk - er ist gewissermaßen das Verbindungsglied zwischen der Aerodynamik-Abteilung und dem, was an der Strecke vor sich geht. Sowohl Rob als auch Rod unterstehen Pat und werden ihm Bericht erstatten."

Bei Außenstehenden wie Herbert stößt die Neuaufstellung der Mannen aus Grove auf viel Gegenliebe. "Pat Symonds ist schon sehr lange im Formel-1-Geschäft. Er ist sehr gut darin, eine Gruppe zusammenzuschweißen. Wichtig war es auch, Felipe Massa ins Team zu holen. Er ist erfahren, hat sich gegen Saisonende 2013 gesteigert, war schneller als sein Teamkollege Fernando Alonso. Rob Smedley ist auch neu dabei. Er und Felipe sind gut befreundet. Alles in allem hat Williams sehr gutes, neues Personal", betont Herbert.

Grund IV: Claire Williams

Claire Williams leitet die Geschicke des Teams, Foto: Sutton
Claire Williams leitet die Geschicke des Teams, Foto: Sutton

Die Tochter von F1-Urgestein Frank Williams ist ein weiteres wichtiges Puzzle-Teil in der Wiederauferstehungsgeschichte des Teams. Am 27. März 2013 wurde sie als neue stellvertretende Teamchefin vorgestellt. "Dass ich in diese Rolle geschlüpft bin, gab mir die Gelegenheit, endlich das zu tun, was getan werden musste. Ich fühlte einfach, dass Williams Änderungen benötigte", gibt die Britin voller Selbstvertrauen zu Protokoll.

Die Zusammenarbeit mit ihrem Vater Frank verlaufe sehr gut. "Ich bin seine Tochter und weiß, ihn um den Finger zu wickeln", scherzt die Britin. "Nein, im Ernst, wir sind ein sehr gutes Team. Gerade wenn Familienmitglieder miteinander arbeiten, kann es zu Reibereien kommen. Doch meine Verbindung zu meinem Vater war immer sehr stark und es hilft, dass wir das gleiche Ziel haben - Williams an die Spitze zurück zu bringen. Hierbei müssen Egos zurückgesteckt werden, denn es geht nur darum, die richtigen Entscheidungen für das Team zu treffen."

Grund V: Strukturen & Technik

Die vielen Verstärkungen brachten Williams wieder in Schwung, Foto: Sutton
Die vielen Verstärkungen brachten Williams wieder in Schwung, Foto: Sutton

Die Neuzugänge sind jedoch nur ein Teil der Umstrukturierung des ehemaligen Weltmeisterrennstalls. "Die technische Struktur war einer der wichtigsten Bereiche, an denen wir gearbeitet haben", verrät Williams. So wurde hinter den Kulissen die IT-Infrastruktur ausgebaut, an den Simulator-Kapazitäten gearbeitet sowie die interne Kommunikation verbessert. "Das Team hat eine große Umstrukturierung hinter sich. Alles kommt jetzt zusammen, wobei es erst der Anfang des Aufschwungs bei Williams ist", ist Herbert überzeugt.

Schließlich hat Williams im Vorjahr einen weiteren entscheidenden Deal an Land gezogen. Anstelle von Renault hat der Traditionsrennstall sich mit Mercedes verbündet und verfügt damit über den anerkannt stärksten V6-Turbo-Motor im Formel-1-Feld. "Es war sicherlich von Vorteil, dass wir mit Toto [Wolff] einen Vertrauten als Gesprächspartner hatten", verrät Claire Williams. Der Motoren-Coup sollte allerdings nicht der letzte für diese Saison bleiben.

Grund VI: Finanzen

Martini dem Team neuen Glanz, Foto: Sutton
Martini dem Team neuen Glanz, Foto: Sutton

Mit Martini präsentierte das Team einen neuen Hauptsponsor, der dringend benötigte finanzielle Mittel in die Kassen spült. "Wir haben über den Winter kommerziell einen fantastischen Job gemacht. Wir haben drei neue Sponsoren und einen neuen Hauptsponsor gewonnen, damit können wir mehr als zufrieden sein", sagt Claire Williams und wirft ein: "Allerdings kann man in der Formel 1 nie genug Geld haben, wobei ich persönlich der Meinung bin, dass es nicht Unmengen an Geld braucht, um Rennen zu gewinnen und ich würde das mit Williams gern 2014 unter Beweis stellen."

Der erste Schritt ist dem Team gelungen. Sie sind mit einem konkurrenzfähigen Auto in die Saison gestartet und haben nicht zuletzt mit ihren Auftritten in Kanada (wenn auch unbelohnt) sowie Österreich für einige hochgezogene Augenbrauen im Fahrerlager gesorgt. Nun gilt es, den Beweis zu erbringen, dass die aktuelle Performance keine Eintagsfliege ist.

Johnny Herbert hat durchaus Bedenken, dass der Rennstall den aktuellen Erfolgslevel langfristig halten kann. "Sie haben zwar mehr Partner an Bord, ich weiß aber nicht, ob es genug ist", äußert er seine Zweifel. Und auch Claire Williams ist sich der Herausforderung bewusst, die mit dem Entwicklungsrennen 2014 einhergeht. "Wir sind ein unabhängiges Team und somit wird das Budget für uns immer mit Sorgen verbunden sein. Es gilt einfach, weiter hart zu arbeiten, um langfristig konkurrenzfähig zu bleiben", betont die Britin.

Für sie wäre es ein Horrorszenario, eine gute Position in der WM aufgrund mangelnder Finanzen zu verlieren. "Es wäre grausam, wenn wir feststellen müssten, dass uns das Geld ausgeht", verrät Claire Williams. "Wir befinden uns an einem völlig neuen Punkt und hoffen jetzt, dass all die Änderungen den erhofften Erfolg bringen." Ein starkes Technikerteam, der beste Motor und ein finanzstarker, neuer Partner. Dies könnte tatsächlich den Beginn einer neuen, erfolgreichen Ära für Williams bedeuten.